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16.05.2024

Private ziehen sich als Bauherren zurück

  • Die zunehmende Komplexität von Projekten und ein enges Regulierungskorsett verderben Privatpersonen die Baulust
  • Mittel- und langfristig sind die Zinsen trotz der Referenzzinssatzerhöhungen im vergangenen Jahr nicht die Treiber der steigenden Mieten
  • Geldmarkthypotheken sind in der Regel die günstigere Finanzierung, sind aber mit mehr Volatilität verbunden
  • Die Kurzzeitvermietung von Wohnungen via Plattformen der Sharing Economy wächst dynamisch – insbesondere in touristischen Bergregionen

St.Gallen, 16. Mai 2024. Private verabschieden sich immer mehr aus dem Wohnungsbau. Neben dem Gebot zum verdichteten Bauen, welches die Komplexität von Bauprojekten zusätzlich erhöht, sind auch die Regulierungsflut, der Trend zu grösseren Wohngebäuden und sogar gewisse «Wohlstandsphänomene», wie die Abnahme der handwerklichen Kompetenz, für diese Entwicklung verantwortlich. So wird noch etwa jede zehnte neue Mietwohnung von privaten Bauherren erstellt. Vor zwanzig Jahren war es noch jede fünfte. Selbst den Bau von Einfamilienhäusern überlassen die Privaten immer mehr professionellen Akteuren. 2008 wurden zwei Drittel der Baugesuche für Einfamilienhäuser von Privaten gestellt, mittlerweile sind es weniger als die Hälfte. Wie Raiffeisen Economic Research in der Studie festhält, scheint die steigende Komplexität viele private Bauherren abzuschrecken. Dagegen verfügen institutionelle Investoren in der Regel über mehr finanzielle und personelle Ressourcen und können Skaleneffekte und Synergien erzielen. Weiter zeigt sich, dass Privatpersonen nicht nur weniger als Bauherren auftreten, sondern auch öfter ihre Bestandsrenditeobjekte verkaufen, insbesondere an institutionelle Investoren. So hat sich seit 2017 der Anteil der Mietwohnungen in Privatbesitz von 49 auf 45 Prozent reduziert. «Lange verlief diese Entwicklung im Verborgenen, denn während der Tiefzinsphase füllten die institutionellen Investoren bereitwillig die Lücke, welche die Privaten hinterliessen. Erst mit dem Zinsanstieg und der schwindenden relativen Attraktivität von Immobilienanlagen drosselten die Institutionellen ihren Appetit, wodurch der bereits seit vielen Jahren ablaufende Rückzug der privaten Bauherren sichtbar wurde», erklärt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Gleichzeitig dürften auch gewisse «Wohlstanderscheinungen» den Trend verstärkt haben. «Die handwerkliche Grundkompetenz von Herrn und Frau Schweizer nimmt tendenziell ab, da es immer mehr Bürojobs gibt und die meisten Arbeitnehmerinnen und -nehmer im Berufsalltag kaum noch handwerkliche Arbeiten verrichten. Hinzu kommt, dass in unserer Freizeitgesellschaft vermehrt ein freies Wochenende nach einer anstrengenden Arbeitswoche dem ‘Zweitjob’ auf der Baustelle vorgezogen wird», so die Einschätzung von Hasenmaile.

 

Referenzzinssatzentwicklung ist zweitrangig

Dank des eingeleiteten Zinssenkungszyklus durch die Schweizerische Nationalbank dürfte die Referenzzinssatzerhöhung vom Dezember 2023 bis auf weiteres die letzte gewesen sein. Bestandsmieter müssen daher keine baldigen, weiteren Wohnkostensteigerungen befürchten. Dem kontinuierlichen, langfristigen Anstieg der Mieten wird dies allerdings keinen Einhalt gebieten. Denn aufgrund der sich nach wie vor akzentuierenden Wohnungsknappheit steigen die Angebotsmieten weiter – jüngst sogar mit der höchsten Jahreswachstumsrate seit 1996. «Anpassungen der Preise auf das orts- und quartiersübliche Niveau bei Mieterwechseln sowie die zu marktüblichen Konditionen angebotenen Neubauwohnungen treiben die Mieten insgesamt in die Höhe. Früher oder später bedeutet das steigende Wohnkosten für alle Mieterhaushalte», so Hasenmaile.

 

Geldmarkthypothek bleibt Trumpf

Nach einer langen Phase hoher Stabilität ist mit der Zinswende Ende 2021 die Volatilität im Schweizer Hypothekarmarkt zurückgekehrt. Mit der sich verändernden Zinslandschaft haben sich in den letzten zwei Jahren auch die Präferenzen für Fest- oder Geldmarkthypotheken wiederholt gewandelt. Trotz starker Präferenzen für die Sicherheit von Festhypotheken zeigten sich die Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer durchaus preissensitiv und entschieden sich oftmals für die gerade günstigste Finanzierungsform. So wurden im ersten Quartal dieses Jahres nur rund 35 Prozent der Verlängerungen und Neufinanzierungen mit Laufzeiten von fünf und mehr Jahren abgeschlossen. Zwei- bis dreijährige Festhypotheken waren zuletzt hingegen sehr gefragt. Etwas mehr als 50 Prozent aller im ersten Quartal 2024 abgeschlossenen Festhypotheken hatten solche kurzen Laufzeiten. «In historischer Perspektive waren die Zeitpunkte, in welchen man mit dem Abschluss einer längeren Festhypothek im Nachhinein Einsparungen im Vergleich zu einer Geldmarkthypothek erzielen konnte, äusserst rar. Zumeist sind Geldmarkthypotheken letztlich die günstigste Finanzierungsform, sofern man mit Volatilität leben kann», betont Fredy Hasenmaile.

 

Sharing Economy beflügelt den Ferienwohnungsmarkt

Der Markt für die Kurzzeitvermietung von Wohnungen via Plattformen der «Sharing Economy» hat sich seit Corona überraschend schnell erholt. Bereits 2022 übertraf die Zahl der gebuchten Logiernächte das Vorpandemieniveau bereits wieder bei Weitem. Auch 2023 ist der Markt äusserst dynamisch gewachsen. Mit über 8,5 Millionen Übernachtungen wurden 2023 fast neun Prozent mehr gezählt als im bereits starken Vorjahr. Vor allem in touristischen Bergregionen boomen Airbnb und Co., während es im Städte- und Messetourismus noch harzt. «Das Geschäftsmodell von Kurzzeitvermietungen erzielt in den Bergregionen vielfach attraktivere Renditen als die klassische Langzeitvermietung. Neben einer regen Nachfrage sind dafür auch zurückhaltendere Regulierungsmassnahmen in den vom Tourismus abhängigen Regionen mitverantwortlich», erklärt Fredy Hasenmaile.