Diversifikation – Nicht alle Eier in denselben Korb

Anleger, die ihre Investitionen breit streuen, stellen sicher, dass ein Fehltritt weniger stark ins Gewicht fällt. Ziel ist ein effizientes Portfolio, bei dem die Rendite bei gegebenem Risiko maximiert oder das Risiko bei gegebener Renditeerwartung minimiert wird.

 

Optimierte Portfolios liegen auf der Effizienzkurve

Vorbild ist die Natur. Die biologische Vielfalt von Wasser, Wiesen, Wäldern, Blumen, Blüten, Bienen und vielem mehr ist eine Grundlage unserer Existenz. Ausschlaggebend ist das richtige Zusammenspiel. Fehlt es an Wasser, droht Dürre. Versagen die Bienen ihren Dienst, kommt es zu Ernteausfällen. Welche Wirkung die Biodiversität entfaltet, wird vor allem jetzt im Frühling sichtbar, wenn die Natur aus dem Winterschlaf erwacht und dies mit einer farbenfrohen Blütenvielfalt zeigt.

Davon können sich Investoren etwas abschauen. Auch ein Portfolio profitiert vom Zusammenspiel verschiedener Anlagen. Das gilt für Investitionen in verschiedene Anlageklassen genauso wie für den Mix innerhalb einer solchen. Als Vater der modernen Portfoliotheorie und damit des Konzepts der Diversifikation gilt der US-Ökonom Harry Markowitz. 1952 hat er gezeigt, dass sich das Risiko einer Einzelanlage im Portfoliokontext, also in Verbindung mit anderen Investitionen, reduzieren lässt. Das hängt damit zusammen, dass die verschiedenen Vermögenswerte unterschiedlich miteinander korrelieren, sich also nicht im Einklang entwickeln. Obwohl seine Forschungsergebnisse revolutionär waren, erhielt er erst 1990 den Nobelpreis dafür.

Dass sich die Kurse verschiedener Wertpapiere unterschiedlich entwickeln, ist nachvollziehbar. Staatsobligationen verhalten sich anders als Hochrisikoanleihen. Aktien zyklischer Unternehmen reagieren stärker auf konjunkturelle Veränderungen als defensive. Der Technologiesektor weist ein höheres Wachstum auf als der Pharmasektor. Dieser besticht dafür auch in konjunkturell schwierigen Zeiten durch eine verhältnismässig stabile Umsatz- und Gewinnentwicklung, die entsprechend zu weniger stark schwankenden Aktienkursen führt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dank Diversifikation kann das Risiko bei gegebener Renditeerwartung minimiert oder die Rendite bei gegebenem Risiko maximiert werden. Daraus ergibt sich eine Effizienzkurve, auf der ein in Bezug auf die Rendite- und Risikoerwartung optimiertes Portfolio liegt.

Die Raiffeisen Portfoliozusammensetzung im Kontext von Risiko und Rendite

Quelle: Raiffeisen Schweiz CIO Office

 

Risikoreiche Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Aber es gibt auch kritische Stimmen: «Breite Diversifikation ist nur dann nötig, wenn Investoren ihr Handwerk nicht verstehen.» Diese Aussage der Investorenlegende Warren Buffett widerspricht der modernen Portfoliotheorie und der gängigen Strategie vieler Vermögensverwalter. Es wird argumentiert, dass sich bloss mit einem konzentrierten Portfolio aus wenigen Aktien richtig viel Geld verdienen und den Markt schlagen lässt. Als Beweis werden Starinvestoren oder Hedgefonds-Manager genannt, die dank einer relativ geringen Anzahl an Titeln reich geworden sind. Dabei geht es hauptsächlich darum, die nächste Amazon-, Apple- oder Alphabet-Aktie zu finden.

Kursentwicklung von Apple, Amazon und Alphabet verglichen mit jener des MSCI All Country World Index

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Das ist ein Traum, den man träumen darf, aber nur mit limitierten Mitteln umsetzen sollte. Die Suche nach der nächsten grossen Wachstumsstory oder dem nächsten erfolgreichen Turnaround ist oft genauso schwierig wie jene nach der Nadel im Heuhaufen. Zudem gehen ein konzentriertes Portfolio und Selbstüberschätzung von Investoren vielfach Hand in Hand und sind deshalb oft der Grund einer unterdurchschnittlichen Rendite. 

Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob ein Investment in den Weltaktienindex MSCI All Country World zielführend ist oder nicht. Einerseits macht man mit einer solchen Anlage alles richtig. Man investiert mit einer Transaktion in 2'900 Unternehmen aus 47 Ländern. Dabei werden auch Schwellenländer berücksichtigt, genauso wie sämtliche Sektoren. Es ist gewissermassen das Schweizer Taschenmesser. Für alle Situationen gewappnet. Man könnte aber auch argumentieren, dass der Anleger mit einer solchen Investition zu wenig fokussiert ist und keine Schwerpunkte setzt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

 

Unsystematische Risiken lassen sich minimieren

Sicher ist: Mit einem solchen Aktieninvestment lassen sich die unsystematischen, also titelspezifischen Risiken eliminieren. Dazu reichen bereits 15 bis 30 Einzelaktien. Das Markt- oder systematische Risiko bleibt bestehen. Allerdings muss dabei auf eine breite Sektorallokation geachtet werden. Betrachtet man die Schweizer Börse, wird klar, weshalb es empfehlenswert ist, als Anleger über den Tellerrand hinauszuschauen. Der Swiss Market Index (SMI) umfasst zwar 20 Werte, verfügt aber über ein Übergewicht im Gesundheitssektor. Gleichzeitig ist die Technologiebranche im internationalen Vergleich deutlich untergewichtet.  

Zusammenhang von Risiko und Anzahl Titel

Quelle: Raiffeisen Schweiz CIO Office

Um die Diversifikation auch innerhalb von weniger stark gewichteten Anlageklassen aufrechtzuerhalten, werden diese über Kollektivanlagen umgesetzt. In der Praxis wird ein Portfolio deshalb oft mit einem Mix aus Einzel- und Kollektivanlagen umgesetzt. Der Jackpot wird durch ein diversifiziertes Portfolio zwar nicht geknackt. Die Wahrscheinlichkeit einer langfristig stabilen und positiven Entwicklung des Portfolios steigt aber stark an.

 

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Oft werde ich nach einem heissen Aktientipp gefragt. Mal abgesehen davon, dass niemand im Besitz einer Kristallkugel ist, halte ich wenig von Einzeltitel-Spekulationen. Natürlich kann eine solche Wette mal aufgehen.

Wer beispielsweise Anfang Jahr die Aktien des Chip-Produzenten Nvidia kaufte, konnte sein Vermögen fast verdoppeln. Pech hatte hingegen, wer sein Geld auf das Solarunternehmen Meyer Burger setzte. Dessen Valoren büssten seit Jahresbeginn 65% an Wert ein. Wer sein Vermögen langfristig mehren will, sollte breit diversifiziert in Aktien investieren. John Templeton hat dies einst wie folgt auf den Punkt gebracht: «Der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist der, der immer richtig liegt.» Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz