Auf Messers Schneide – Trump oder Biden?

Donald Trump oder Joe Biden – das ist hier die Frage. Der US-Präsidentschaftswahlkampf kommt in die entscheidende Phase und der Ausgang ist, trotz aktuellem Vorsprung des demokratischen Kandidaten in den Meinungsumfragen, bis zum Schluss offen. Die Wahl wird auch die Finanzmärkte beeinflussen. Wir rechnen mit einer hohen Volatilität rund um den Wahltermin.

Klarer Fall? – Die Buchmacher setzen klar auf Joe Biden

Der Countdown läuft. Noch 67 Tage bis zur US-Präsidentschaftswahl am 3. November. Eines ist jetzt schon klar: Bei den 59. Präsidentschaftswahlen seit der Gründung der Vereinigten Staaten wird es nur einen Gewinner geben: Donald Trump oder Joe Biden. Bezieht man sich auf die jüngsten Meinungsumfragen, scheint der Ausgang bereits eine ausgemachte Sache zu sein und im Weissen Haus wird es ab Januar 2021 einen neuen Hausherrn geben. 

Allerdings sagten die Umfragen bereits vor vier Jahren eine herbe Niederlage von Donald Trump voraus. Und obwohl Hillary Clinton absolut gesehen mehr Stimmen als Trump erhielt, war das Verdikt am Ende doch überraschend deutlich. Der Republikaner Trump konnte 306 Wahlmännerstimmen (Electoral College) auf sich vereinigen, während sich Clinton mit 232 Elektorenstimmen begnügen musste. Die Überraschung war perfekt.

Wetteinsatz auf Wahlerfolg (in US-Cents)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Auch in diesem Jahr bleibt das Rennen wohl bis ganz zum Schluss offen. Entschieden wird die Wahl (wie so oft) in den sogenannten «Swing States». Dies sind Bundesstaaten, welche stark umkämpft sind und mal demokratisch, mal republikanisch wählen. Da in den USA das Prinzip des «the winner takes it all» gilt, sind diese Schlüsselstaaten wahlentscheidend. Vor vier Jahren gewann Donald Trump überraschend die Elektorenstimmen in Ohio, Georgia, North Carolina und Iowa. Zudem hatte er die Nase in Florida, Arizona und Pennsylvania vorne. Genug, um die absolute Mehrheit zu erreichen. Genau diese Wechselstaaten dürften auch im November über Sieg oder Niederlage entscheiden. 

Neben der Präsidentschaftswahl werden auch im Kongress die Weichen neu gestellt. Je nachdem, wie sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat beziehungsweise im Repräsentantenhaus verschieben, könnte sich die US-Politik in den kommenden vier Jahren massgeblich verändern – oder eben auch nicht. 

Trump's Bilanz – Aktienmarkt und Staatsverschuldung gehen durch die Decke

Aus Anlegersicht interessieren natürlich vor allem auch die möglichen Auswirkungen und Konsequenzen für die Finanzmärkte. In dieser Hinsicht geben die Wirtschaftsprogramme der beiden Kandidaten eine erste Indikation. Unter einer erneuten Trump-Präsidentschaft dürfte sich wenig ändern. Trump hat sein Wahlversprechen einer umfassenden Steuerreform rasch umgesetzt. Die Unternehmenssteuern wurden von 35% auf 21% gesenkt und auch die Privathaushalte kamen in den Genuss von tieferen Steuern. Die Konsequenz davon: sprudelnde Konzerngewinne (und steigende Börsenkurse) gepaart mit einem deutlichen Anstieg der Staatsverschuldung.

Aktienmarkt und Staatsverschuldung gehen durch die Decke

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Auch verschiedene Deregulierungen wurden in die Wege geleitet. Die heimische Industrie wurde zudem durch die Implementierung von neuen Import- und Strafzöllen geschützt. Dabei hatte Trump vor allem (aber nicht nur) den Erzfeind China im Visier. Besonders gefördert wurde auch die US-Schieferölindustrie mit dem Ziel einer möglichst grossen Unabhängigkeit von Erdölimporten aus dem mittleren Osten. Unter Trump dürften die Sektoren Energie und Rüstung besonders profitieren. Zudem ist weiterhin mit niedrigen Steuern und einer harten Gangart gegenüber den Handelspartnern zu rechnen. 

Gewinnmargen unter Druck – Neben Corona dürfte auch Biden für Margendruck sorgen

Deutlich anders sieht das Wirtschaftsprogramm von Joe Biden aus. Er beabsichtigt unter anderem einen Teil der Unternehmenssteuersenkungen von Trump rückgängig zu machen. Zudem hat er eine Verdoppelung des Mindestlohns von 7.50 US-Dollar auf 15 US-Dollar pro Stunde in Aussicht gestellt. Auch wenn beide Präsidentschaftskandidaten die Corona-geschädigte Wirtschaft grundsätzlich mit zusätzlichen Infrastrukturprogrammen ankurbeln wollen, ist der Fokus dabei ein anderer. Bei Joe Biden stehen vor allem auch Investitionen in nachhaltige Energien im Zentrum – eine Forderung des progressiven Flügels seiner Partei. Sollte Biden das Ruder übernehmen, werden deshalb wohl vor allem Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sowie Infrastrukturwerte zu den strukturellen Gewinnern gehören. Auch Konsumwerte dürften profitieren. Mehr Gegenwind könnte es hingegen für die Pharmabranche sowie den Finanzsektor geben.

Gewinnmargen US-Unternehmen (S&P 500)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Generell dürfte der Aktienmarkt bei einer Wahl Bidens kurzfristig etwas Federn lassen – die Aussicht auf höhere Steuern und Mindestlöhne sowie zusätzliche Regulierungen werden die rekordhohen Gewinnmargen von «Corporate America» tendenziell unter Druck setzen. Es ist anzunehmen, dass Joe Biden aussenpolitisch wieder auf eine stärkere Zusammenarbeit mit den (NATO-)Bündnispartnern setzen würde. Wenig Hoffnung sollten sich die Anleger allerdings auf eine grössere Kehrtwende bei den angespannten Beziehungen zu China machen. Eine harte Linie gegenüber dem Reich der Mitte findet nämlich auch bei den Demokraten (und der Gesamtbevölkerung) eine breite Unterstützung.

Kurzfristig dürfte der Wahlausgang für eine erhöhte Volatilität an den Börsen sorgen und gewisse Branchentrends verstärken. Langfristig betrachtet gilt aber auch für die diesjährige US-Präsidentschaftswahl das altbekannte Sprichwort: Politische Börsen haben kurze Beine. 

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Politische Börsen haben kurze Beine. Diese Börsenweisheit besagt, dass politische Ereignisse in der Regel nur eine kurzfristige Wirkung auf die Finanzmärkte haben und deren Einfluss entsprechend systematisch überschätzt wird. Dies dürfte sich letztlich auch bei den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen bestätigen. Dennoch rechnen wir kurzfristig mit einer sehr hohen Volatilität. Langfristig orientierte Anleger sollten sich davon allerdings nicht irritieren lassen und an ihrer Anlagestrategie festhalten. Auch eine breite Diversifikation bleibt wichtig. Denn egal wie die Wahlen ausgehen werden, es wird sowohl Gewinner als auch Verlierer geben. 

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz