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Kampfzone Garten – wenn Nachbarn über Pflanzen streiten

Über Pflanzen streiten Nachbarn am häufigsten. Der eine lässt die Bäume in den Himmel wachsen, die andere die Brombeeren wild über die Grenze wuchern. Und was für Nachbar A eine schöne Naturwiese darstellt, ist für Nachbarin B eine Bedrohung für ihren englischen Rasen. Was kann man tun, wenn es der Nachbar mit dem Garten zu bunt treibt?

Beobachter Edition

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Dieser Ratgeber wurde zur Online-Publikation an Raiffeisen lizenziert.

Lärmbeispiele 
Beispiel 1
– Marco D.
Fluchend klettert Marco D. auf die Leiter, um seine Dachrinnen von den Nadeln der Libanonzedern im Nachbargarten zu befreien – wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr bleibt sein Garten im Schatten der Zedernäste kahl. Die Nachbarin lässt das kalt. Nadelfall in einem Wohnquartier sei normal. Schliesslich wendet sich Herr D. ans Gericht – und bekommt Recht. Die Immission durch die Zedernnadeln sei in diesem Quartier nicht ortskonform und deshalb übermässig. Die Nachbarin muss die Zedern fällen oder zumindest massiv zurückstutzen.
Beispiel 2
– André und Ursula E. 
Auch André und Ursula E. fühlen sich von den Bäumen im Nachbargarten gestört. Von den mächtigen Linden verfrachtet der Wind regelmässig Laub und Äste in ihren Garten. Weil der Nachbar sich weigert, etwas zu unternehmen, klagt das Ehepaar gegen ihn. Doch das Gericht weist die Klage ab. Die Immissionen durch die Linden entsprächen der Zonenlage, die Äste und das Laub verursachten keine Schäden. Herr und Frau E. müssen sich mit den Bäumen abfinden.

Fallen grössere Mengen an Laub, Nadeln, kleinen Ästen, Tannenzapfen, Früchten, Samen sowie tropfendes Harz auf Ihr Grundstück und verursachen Ihnen mehr Arbeit, müssen Sie das grundsätzlich dulden. Erst wenn ein solcher Anfall von Pflanzenbestandteilen das am Ort übliche Mass überschreitet oder wenn die Immissionen tatsächlich einen Schaden verursachen, kann Ihr Nachbar verpflichtet werden, Abhilfe zu schaffen. Denn Nachbarn sind nur verpflichtet, übermässige Immissionen auf umliegende Grundstücke zu unterlassen. Alles nicht Übermässige ist gemäss Art. 684 ZGB zulässig.

Gut zu wissen

Achtung

Auch wenn Ihre Situation ganz ähnlich ist wie die von Herrn D., heisst das noch nicht, dass Sie vor Gericht ebenfalls Recht bekommen würden. Die Gerichte haben einen grossen Ermessensspielraum, wenn es darum geht, ob eine Immission als übermässig einzustufen ist oder nicht. Zudem gilt dieselbe Belästigung, die in einem Stadtquartier übermässig wäre, auf dem Dorf möglicherweise als zumutbar. 

Nicht nur Pflanzenbestandteile, die im Übermass auf Ihr Grundstück fallen, können eine Immission sein – auch der Entzug von Sonne, Licht und Aussicht fällt darunter (negative Immission). Dies gilt aber nur in Ausnahmefällen als übermässig.

Ragen Äste vom Nachbargarten auf Ihr Grundstück und weigert sich der Nachbar, seinen Baum zurückzuschneiden, haben Sie unter Umständen ein Kapprecht. Das heisst aber nicht, dass Sie einfach die Äste an der Grenze absägen dürfen. Sie müssen sich an die Regeln halten.

Wuchern Äste oder Büsche vom Nachbargarten auf Ihr Grundstück, haben Sie unter Umständen ein Kapprecht.

Gut zu wissen

Anriesrecht

Stammen die überragenden Äste zum Beispiel von einem Zwetschgenbaum, haben Sie ein Anriesrecht. Sie dürfen also die Zwetschgen pflücken und selber essen. Eine Ausnahme besteht im Kanton Neuenburg, da dürfen Sie nur heruntergefallene Früchte nehmen. Und im Kanton Appenzell Innerrhoden haben Sie gar kein Anriesrecht.

 

Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung, ob Pflanzen zu tolerieren sind, spielen die kantonalen Abstandsvorschriften. Sind diese Vorschriften eingehalten, wird es meist schwierig, etwas gegen die Pflanzen zu unternehmen. Pflanzt hingegen Ihre Nachbarin einen neuen Baum zu nahe an die Grenze, können Sie die Entfernung verlangen – auch ohne eine übermässige Immission nachzuweisen. Sie müssen aber rasch reagieren, bevor eine allfällige Verjährungsfrist abgelaufen ist. Diese Frist ist je nach Kanton unterschiedlich; im Kanton Zürich sind es beispielsweise fünf Jahre, im Kanton Uri ein Jahr für Sträucher und fünf Jahre für Bäume, im Kanton Solothurn haben Sie drei Jahre Zeit. Die Abstandsvorschriften und die Regeln zur Verjährung finden Sie in den meisten Kantonen im Einführungsgesetz zum ZGB (EG ZGB).

 

Tipp: Suchen Sie das konstruktive Gespräch mit dem Nachbarn – bevor Sie ihm mit dem Gericht drohen. Lassen Sie nichts unversucht, das Problem einvernehmlich zu lösen. Vermutlich werden Sie noch viele Jahre Grundstück an Grundstück mit ihm wohnen. Wertvolle Unterstützung finden Sie bei Mediatorinnen und Mediatoren. Welche Klagemöglichkeiten Sie haben, wenn alles nichts nützt, sehen Sie im Infoblatt Klagemöglichkeit.

Spezialfälle: Pflanzen auf der Grenze und Hecken

Für Grenzpflanzen gelten andere Regeln als für Pflanzen, die ganz auf dem einen oder dem anderen Grundstück stehen. Ein Baum ist eine Grenzpflanze, wenn der Querschnitt des Stamms oder des Wurzelstocks von der Grenzlinie geschnitten wird. Sträucher gelten als Grenzpflanzen, wenn die Äste beidseits der Grenze aus dem Boden spriessen. Bei Grenzpflanzen gibt es weder ein Kapprecht noch kann man sich gegen übermässige Immissionen wehren. Die Pflanzen stehen im Miteigentum der Nachbarn, und diese müssen gemeinsam darüber bestimmen. Am besten vereinbaren sie schriftlich, wer solche Pflanzen wann und wie pflegen muss.

 

Von einer Hecke spricht man, wenn mindestens drei gleichartig wachsende Bäume oder Sträucher dicht nebeneinander in einer Linie stehen, sodass der Eindruck einer Wand entsteht (Dichtschluss). Für solche Hecken enthalten die kantonalen Gesetze Spezialbestimmungen. Hecken müssen zum Beispiel oft nicht dieselben Grenzabstände einhalten wie andere Pflanzen.

 

Infoblätter

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