Wohnen auf Achse oder auf dem Campingplatz. Geht das?

Aufgrund der neuen Remote-Work-Modelle, welche in Folge der Corona-Pandemie immer geläufiger sind, haben sich die Kriterien für die Standortwahl des Wohnortes verändert. Wer also beispielsweise bereit ist, auf räumliche Flexibilität zu verzichten und zudem Kosten einsparen möchte, kann sich auf einem Campingplatz einmieten. Lesen Sie hier mehr dazu.

Infolge der Corona-Pandemie haben sich in vielen Firmen moderne und flexible Arbeitsmodelle nachhaltig etabliert. Viele Arbeitnehmer können künftig teilweise oder sogar gänzlich frei wählen, an welchem Ort sie ihre Arbeit verrichten. Bei der Auswahl des Wohnortes ergeben sich damit angesichts des geringeren Pendelbedarfs für so manchen völlig neue Freiheitsgrade. Gleichzeitig sind günstige Mietwohnungen in gut erschlossenen Gemeinden in der Schweiz seit eher Mangelware.

 

«Die rekordhohen Eigentumspreise erschweren den Wechsel in den finanziell attraktiveren Eigentumsmarkt aufgrund der unüberwindbaren Eigenkapital- und Tragbarkeitsanforderungen bei der Hypothekarkreditvergabe.» Francis Schwartz

 

Der Traum vom Eigenheim steht für einige nicht mehr an oberster Stelle

Der Traum vom Eigenheim steht für einige nicht mehr an oberster Stelle

Warum also nicht die neue Freiheit nutzen und in ein günstiges Zuhause in der Peripherie ziehen? Solche Ideen kamen im Zuge von Covid-19 denn auch relativ bald einmal auf. Zwar sind bisher noch keine grösseren Zügelströme aufs Land zu beobachten, aber tatsächlich zeigen sich in den harten Zahlen bereits erste Zeichen dieser neuen Wohnpräferenzen.

 

Neue Wohntrends durch Remote-Work-Modelle

Die räumliche Flexibilität der neuen Remote-Work-Welt noch exzessiver nutzen und dabei noch mehr Wohnkosten sparen könnte man aber, indem man statt in eine klassische Wohnung «weg vum Schuss» gar nicht erst in eine Immobilie zieht, sondern sich das neue Zuhause in einem Wohnwagen oder Wohnmobil einrichtet: Jeden Tag an einem anderen Ort aufwachen, wo immer man möchte. Arbeiten mit Urlaubsfeeling. Freiheit pur. Und dabei sogar noch bares Geld sparen, da man sich die teure Stadtmietwohnung nun sparen kann.

Soweit die Theorie. Die Umsetzung dieses Ideals in die Praxis gestaltet sich aber gar nicht so einfach. Angefangen damit, dass man ausserhalb von Campingplätzen nur an wenigen Orten in der Schweiz einfach ein Mobil abstellen und dort übernachten darf. Grundsätzlich verboten ist das Wildcampieren in der Schweiz zwar nicht, zuständig dafür sind aber die Kantone und Gemeinden. Entsprechend herrscht hier ein guteidgenössischer Flickenteppich mit unterschiedlichsten Vorgaben. Die meisten Kantone und Gemeinden sind jedoch, was Wildcamping angeht, sehr restriktiv. Wo Campieren nicht generell verboten ist, finden sich umso mehr behördliche Verbotsschilder an den (un-)möglichen Abstellplätzen. Faktisch sind die öffentlichen Übernachtungsmöglichkeiten fast überall auf meist wenig idyllische kostenlose Parkplätze, kostenpflichtige Stellplätze und noch teurere Campingplätze beschränkt. In einigen Kantonen kann man zudem mit dem Einverständnis von privaten Grundeigentümern auf deren Grundstücken übernachten. Günstige Stellplätze mit Stromanschluss finden sich zwar schon für 10 CHF pro Nacht, aber dafür bekommt man dann meist auch wirklich das, wofür man bezahlt. Und das ist meist keine Aussicht auf ein schönes Bergpanorama oder einen See, sondern eher die Sicht auf Asphalt und Fassaden von Industriegebäuden. Für mehr Komfort und schönere Umgebung muss man dann doch mindestens alle paar Tage einen offiziellen Campingplatz mit seinen Annehmlichkeiten wie Waschmaschine, Sanitäranlagen und Abwasserentsorgungsstation ansteuern. Und das hat dann seinen Preis.

 

«Wer bereit ist, auf räumliche Flexibilität zu verzichten, Kosten einsparen möchte und das Camping-Feeling mag, kann sich fix auf einem Campingplatz einmieten.» Francis Schwartz

 

Ein kleiner Bus in der Natur kann bereits Camping-Feeling auslösen

Ein kleiner Bus in der Natur kann bereits Camping-Feeling auslösen

Wenn man denn einen dieser Plätze, für die es oft lange Wartelisten gibt, ergattern kann. Im Jahr 2020 waren 31’283 Dauerstellplätze auf den Schweizer Campingplätzen vorhanden. Diese Zahl ist seit Jahren stabil. Die grosse Mehrheit dieser Dauerstellplätze wird von deren Mietern lediglich als «Ferienwohnung» genutzt. Auch wenn es dazu keine verlässlichen Zahlen gibt, lässt sich sagen, dass nur sehr wenige dieser Plätze durchgehend bewohnt sind. Dies einerseits, weil viele Gemeinden dies explizit in ihren Reglementen verbieten. Andererseits sind solche Hauptwohnsitznehmer aber auch bei Campingplatzbetreibern oft nicht gern gesehen, sodass sie das Dauercamping auf ihrem Platz häufig selbst verbieten. Nichtsdestotrotz gibt es aber durchaus einige Plätze, auf denen man durchgehend und ganzjährig sein Quartier aufschlagen darf. In einigen Gemeinden ist es sogar möglich, den offiziellen Wohnsitz auf einem Campingplatz anzumelden. In der Praxis dulden andere Gemeinden manchmal auch eine Anmeldung an einer «Briefkastenadresse» bei Verwandten oder Bekannten. Wie viele Dauercamper ohne Wissen des Einwohneramtes fest auf Campingplätzen wohnen, ist natürlich nicht bekannt.

 

Überschätzung Wohnmobilkosten

Um an den gewählten Stellplätzen überhaupt etwas aufstellen zu können, wird nun nur noch das passende Mobil benötigt. Die Kosten für ein winterfestes Modell dürfen dabei nicht unterschätzt werden. Gleiches gilt für die Heizkosten, um mit warmen Füssen durch den Winter zu kommen – dies insbesondere in Zeiten explodierender Gaspreise. Klar ist aber: Unter Inkaufnahme von Komfort-Einbussen liesse sich im Vergleich zu einer klassischen immobilen Wohnung mit dem Wohnen auf vier Rädern tatsächlich sehr viel Geld einsparen. Die Tatsache, dass nur sehr wenige den Schritt ins auf den ersten Blick attraktive Dauercamping wagen, ist aber ein starkes Indiz dafür, dass Herrn und Frau Schweizer der Komfort einer Immobilie ihr Preis auch angesichts von hohen Miet- und Kaufpreisen immer noch wert ist. Und so wird Dauercamping wohl auch im «neuen Normal» weiterhin eine Nische bleiben.

 

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Über den Autor

Francis Schwartz

Francis Schwartz

Francis Schwartz ist Immobilienmarktanalyst bei Raiffeisen Schweiz. Er ist seit 2018 im Raiffeisen Economic Research tätig und analysiert Entwicklungen und Trends im Schweizer Immobilienmarkt. Francis Schwartz studierte an der Universität Zürich und war vor seiner Tätigkeit bei Raiffeisen für die Graubündner Kantonalbank in Chur und am Swiss Real Estate Institut der Hochschule für Wirtschaft in Zürich tätig.