Die Welt im Würgegriff eines Virus – Auswirkungen auf Konjunktur und Finanzmärkte

Das Coronavirus hat die Welt fest im Würgegriff und die negativen konjunkturellen Auswirkungen sind massiv. Notenbanken und Regierungen versuchen mit nie dagewesenen Stimulusmassnahmen die Wirtschaft sowie die Finanzmärkte zu stabilisieren. Damit legen sie den Grundstein für eine rasche Erholung sobald die Pandemie vorüber ist.

Wann kommt der «Corona-Peak»? – China und Südkorea machen Hoffnung

Leere Strassen, ausgestorbene Quartiere, geschlossene Restaurants und Bars – es scheint, als sei die Welt zum Stillstand gekommen. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Lungenkrankheit Covid-19 zur Pandemie erklärt hat und die Neuinfektionen weltweit weiter exponentiell zunehmen, haben die Regierungen in Asien, Europa und den USA drastische Massnahmen umgesetzt. Auch in der Schweiz gilt aktuell eine sogenannte ausserordentliche Lage. Die Hoffnung ist, dass sich so das exponentielle Wachstum bei den Neuansteckungen abbremsen lässt. Grund zur Zuversicht geben die Daten aus China und Südkorea. In diesen Ländern ist eine deutliche Abflachung der Kurve sichtbar.

China und Südkorea machen Hoffnung

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Der Preis von «Shutdowns» – Vorlaufindikatoren im freien Fall

Selbstverständlich haben all diese Massnahmen ihren Preis. Die Daten aus China zeigen, was auf uns zukommt: Die Konjunktur hat im Februar einen deutlichen Einbruch erlitten. So ist etwa die Industrieproduktion um -13.5% gefallen. Noch stärker wurde der Konsum beeinträchtigt, was sich in einem Rückgang der Detailhandelsumsätze um über 20% manifestierte. In Europa und den USA zeichnet sich eine sehr ähnliche Entwicklung ab. Die Ende März publizierten Einkaufmanagerindizes, welche als sehr zuverlässige Vorlaufindikatoren für die Konjunkturentwicklung gelten, sind förmlich abgestürzt und deutlich unter die 50-Punkte-Grenze gefallen.

Vorlaufindikatoren im freien Fall

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Werte über 50 deuten auf eine Expansion der Wirtschaft hin, Werte unter 50 auf eine Kontraktion. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mittlerweile für Europa und die Schweiz mit einer technischen Rezession im ersten Halbjahr. Konkret bedeutet dies, dass die Wirtschaft sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal schrumpfen wird. Auch die USA werden im zweiten Quartal einen massiven Wachstumseinbruch verkraften müssen. Die grosse Frage ist, wie es danach weitergeht. In unserem Hauptszenario rechnen wir damit, dass sich die Pandemie bis im Sommer eindämmen lässt und danach Schritt für Schritt wieder Normalität einkehrt. In diesem Fall dürfte sich die globale Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte relativ rasch wieder erholen. Doch selbst in diesem Szenario rechnen wir in der Schweiz mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2.0% im laufenden Jahr. In Europa dürfte die Wirtschaft 2020 gar um 3.5% schrumpfen. 

Spekulieren auf (Lombard-)Kredit – Rekordhohe offene Lombardkredite wirken als Brandbeschleuniger

Damit es nicht zu einem noch deutlicheren Konjunktureinbruch kommt, haben sowohl die Notenbanken als auch die Regierungen mit massiven Stützungsmassnahmen und Hilfspaketen reagiert. Denn das Risiko einer Abwärtsspirale ist nicht zu unterschätzen. Zwar wird sich die Pandemie früher oder später wieder abschwächen. Wie lange dies aber dauert, steht in den Sternen. Viele Geschäfte, Restaurants, Kultureinrichtungen wurden (behördlich angeordnet) geschlossen und auch der Tourismus ist de facto zum Erliegen gekommen. Bei einem solchen «Shutdown» fallen praktisch sämtliche Einnahmen und Erträge auf einen Schlag weg. Da aber gleichzeitig noch Löhne, Mieten, Steuern und Zinsen bezahlt werden müssen, kommt es relativ rasch zu einem Liquiditätsproblem. Und Illiquidität führt zu Konkursen sowie einem sehr raschen Anstieg der Arbeitslosenzahlen.

Insofern geht es nun darum, mit allen Mitteln diese temporären Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Die Notenbanken haben entsprechend schnell Massnahmen implementiert. Mit Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen für die Geschäftsbanken soll dafür gesorgt werden, dass der Kredithahn für die Unternehmen offen bleibt. Unterstützung erhalten haben die Notenbanken auch von den Regierungen. Mit fiskalpolitischen Massnahmen versuchen die Staaten ihrerseits die Wirtschaft zu stabilisieren. In den USA wurde ein Fiskalpaket in der gigantischen Höhe von 2 Billionen US-Dollar – was fast 10% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht – lanciert. Dagegen scheinen die vom Bundesrat beschlossenen Sofortmassnahmen in der Grössenordnung von 42 Milliarden Franken auf den ersten Blick ein Klacks zu sein. Im Verhältnis zum BIP beläuft sich das Hilfspaket aber auch hierzulande auf stolze 6%. Die wohl wirkungsvollsten Massnahmen sind dabei Überbrückungskredite für betroffene Firmen und KMU sowie Unterstützung von Kurzarbeit.

Lombardkredite in Milliarden US-Dollar

Quellen: FINRA, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Die Welt befindet sich bis auf Weiteres im Würgegriff des Coronavirus und Prognosen über den exakten Verlauf der Pandemie sind rein spekulativer Natur. Klar ist aber auch, dass diese Episode irgendwann vorüber sein wird. Ob sich die Welt nach Corona wirklich nachhaltig verändern wird, bleibt offen. Zu hoffen ist aber, dass in der Finanzwelt ein radikales Umdenken stattfinden wird. Auf x-fach gehebelte Hedge Funds, lombardkreditfinanzierte Spekulanten und einen hyperaktiven Hochfrequenzhandel kann in Zukunft getrost verzichtet werden. Diese erzeugen weder einen volkswirtschaftlichen Nutzen noch einen ökonomischen Mehrwert, dienen aber als hochgefährlicher Brandbeschleuniger in Krisensituationen. Spätestens nachdem die Scherben zusammengewischt worden sind, ist der Regulator entsprechend gefordert, korrigierend einzugreifen. 

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Die Coronavirus-Pandemie ist für die Anleger ein «perfekter Sturm». Noch im Februar erreichten die Aktienmärkte neue Allzeithöchst – seither wurde auf dem Papier weltweit eine Marktkapitalisierung von fast 20 Billionen US-Dollar vernichtet und die wichtigsten Aktienindizes liegen seit Jahresanfang zwischen 25% und 30% im Minus. Deutlich besser konnte sich bisher der als defensiv geltende Schweizer Aktienmarkt aus der Affäre ziehen. Doch auch hier ist das Minus von fast 15% happig. Trotz diesem raschen und heftigen Kursverlust sollten Anleger nun Ruhe bewahren und an der langfristigen Anlagestrategie festhalten. Die Notenbanken und Regierungen versuchen alles, um die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu stabilisieren. Sobald die Pandemie hinter uns liegt werden die Aktienmärkte wieder (deutlich) zulegen. 

  

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz