Ende der Euphorie – Die Internet-Giganten im Visier der Kartellbehörden

Die Technologiekonzerne Apple, Alphabet (Google), Amazon sowie Facebook, gehören zu den höchstbewerteten Firmen der Welt. Diese Konzerne verdienen ihr Geld unter anderem mit unseren (gratis) zur Verfügung gestellten Daten. Die Datenschutzproblematik sowie die teilweise marktdominierende Stellung rufen nun allerdings die Wettbewerbshüter auf den Plan. Im schlimmsten Fall droht eine Aufspaltung der Internet-Giganten.

Die FAAG-Aktien lassen alle hinter sich

Wir kommunizieren per E-Mail und informieren uns online, vergleichen Preise und Produkte im Netz und kaufen in E-Shops ein. Längst ist das Internet nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Alles begann mit der Erfindung des World Wide Web im Jahre 1991. Die Interneteuphorie Ende der 90-er Jahre führte zu einem raschen Anstieg von Firmengründungen und einem entsprechenden Börsenhype, bevor 2001 der grosse Crash folgte. Der Nasdaq 100-Index, das Barometer für die grössten Technologieaktien in den USA, fiel innerhalb weniger Monate von 4'800 auf 800 Punkte. Die Anleger wurden jäh auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Seither sind gut 18 Jahre vergangen und erst jetzt zeigt sich, welche Geschäftsmodelle und Firmen langfristige Erfolge feiern: Es sind die Technologiekonzerne Apple, Alphabet (Google), Amazon sowie Facebook, die heute zu den höchstbewerteten Firmen der Welt gehören. Zusammen bringen es diese vier Unternehmen auf eine Marktkapitalisierung von 3'249 Milliarden US-Dollar. Dies ist inzwischen deutlich mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Frankreich (USD 2'583 Mrd.) oder das der ASEAN-Staaten Singapur, Thailand, Malaysia, Philippinen, Indonesien, Vietnam, Kambodscha, Laos, Myanmar und Brunei (USD 2'766 Mrd.). Während die ASEAN-Staaten eine Bevölkerungszahl von rund 650 Millionen aufweisen, beschäftigen die vier Internet-Giganten zusammen gerade einmal 872'000 Mitarbeiter. Was sind die Gründe für diesen Erfolg, welcher derart hohe Bewertungen rechtfertigt?

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist der sogenannte Netzwerkeffekt. Eine Plattform wie Facebook ist relativ schnell und kostengünstig aufgebaut. Einmal bereitgestellt, kann ein solches Netzwerk eine unlimitierte Zahl von Nutzern bedienen. Wert und Nutzen der Plattformen steigen exponentiell zur Anzahl der User. Anbieter, welche die kritische Masse an Nutzern nicht erreichen, verschwinden vom Markt. Daher folgen die erfolgreichen Firmen dem sogenannten «the winner takes it all»-Prinzip. Neben Facebook gehört auch Alphabet (Google) zu den Gewinnern: Im Bereich der Internetsuchdienste steht der Konzern mit grossem Abstand an der Spitze. Um Ihre Stellung zu sichern, setzen die so erfolgreich gewordenen Firmen zudem auf eine sehr aggressive Akquisitionsstrategie. Innovative Start-ups werden – teilweise für viel Geld – aufgekauft und deren Technologien und Ideen integriert, was die Position der Grossen weiter stärkt und Konkurrenten fernhält. Google wird deshalb bereits wenig schmeichelhaft als «Start-up-Staubsauger» betitelt. Und auch Facebook hat seine Marktstellung mit dem Kauf von Instagram sowie WhatsApp weiter ausgebaut. Der Erfolg dieser Strategie widerspiegelt sich entsprechend auch in der Entwicklung der Aktienkurse.

Die FAAG-Aktien lassen alle hinter sich, das zeigt die deutiche Outperformance in den letzten Jahren.

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Google hält eine Monopol-Stellung

Bei Suchmaschienen ist niemand grösser, Google hält eine Monopolstellung.

Quellen: statcounter.com, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Facebook und Google erwirtschaften mittlerweile satte Gewinne, obwohl ihre Dienste kostenlos sind. Aber womit verdienen die Firmen so viel Geld? Offenkundig durch Werbeeinnahmen: Mit rund 2.3 Milliarden Nutzern bietet Facebook eine ideale Plattform dafür. Auch bei Google, welches mit deutlich über 5 Milliarden Suchanfragen pro Tag einen Marktanteil von 92% erreicht, stehen Werbekunden Schlange. Weniger offensichtliche Einnahmequellen, die aber zunehmend an Bedeutung gewinnen, sind die Auswertung (und der Weiterverkauf) von Daten. Internetfirmen profitieren davon, dass wir ihnen unsere Daten und die Kontrolle darüber kostenlos überlassen. Dieser Aspekt ist vielen nicht bewusst. Er birgt jedoch ernstzunehmende Risiken wie fehlenden Datenschutz und unzureichende Datensicherheit.

Die Tech-Giganten geraten unter politischen Druck

Bei Apple und Amazon geht es vor allem um ihre marktdominierende Stellung. Apple erhält zwar im Kernsegment der Mobiltelefone vermehrt Konkurrenz aus Asien (Samsung, Huawei), verfügt aber mit dem eigenen und geschlossenen Betriebssystem iOS über ein starkes Alleinstellungsmerkmal. Amazon hat sich vom «Buchladen» zum weltweit grössten Onlineversandhändler entwickelt und ist insbesondere in den USA der alles bestimmende Spieler mit dem höchsten Marktanteil. Zudem ist der Konzern in neue Geschäftsfelder wie Cloud Computing, Zahlungsdienste (Amazon Pay) und Unterhaltungsindustrie (Amazon Music, Amazon Prime) eingestiegen.

Die Macht der Tech-Giganten wird deshalb immer mehr auch zu einem politischen Thema. So hat der US-Kongress Anfang Juni 2019 weitgehende Untersuchungen gegen die vier Konzerne Apple, Amazon, Facebook und Google angekündigt. Das Justizministerium sowie die Kartellbehörde überprüfen nun, ob diese ihre monopolartigen Marktstellungen ungerechtfertigt ausnutzen und ob sie die Daten ihrer Kunden missbräuchlich nutzen. Wie weit die Macht der Datenkraken geht hat der Skandal im Fall Cambridge Analytica aufgezeigt: Mittels Zugriff auf zehntausende Facebook-Profile wurde erheblicher Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahlen 2016 genommen. Die Veruntreuung der Daten kam Facebook nun teuer zu stehen – Ende Juli einigte man sich mit der US-Aufsichtsbehörde auf einen Vergleich in der Höhe von 5 Milliarden USDollar. Die Ultima Ratio der Sanktionsmöglichkeiten wäre eine verordnete Aufspaltung der Konzerne.

Unangefochtener Marktführer: Amazon dominiert den (Online-)Handel.

Quellen: eMarketer, Statista, Raiffeisen Schweiz CIO Office

In der Wirtschaftsgeschichte gibt es dazu einige Referenzfälle. So wurde 1911 der Öl-Gigant Standard Oil wegen Verstössen gegen den «Sherman Antitrust Act» zu einer Entflechtung und Aufspaltung in 34 Einzelunternehmen verpflichtet. Ähnlich erging es dem Telekom-Giganten AT&T. Nach einem mehrjährigen Kartellverfahren wurde der Monopolist 1984 in sieben unabhängige regionale Telekomunternehmen (sogenannte «Baby Bells») zerlegt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass den Internet-Konzernen etwas Ähnliches blühen könnte. Google scheint sich auf ein solches Szenario schon vorbereitet zu haben. Bereits Ende 2015 wurde der Konzern neu strukturiert und in Alphabet umfirmiert. Der Name ist Programm: Einzelne Geschäftsbereiche wurden analog dem Alphabet aufgeteilt und erhielten deutlich mehr Autonomie. Eine mögliche Entflechtung wäre somit wohl relativ rasch umsetzbar. Ob es eine Aufspaltung der grossen Technologiekonzerne tatsächlich braucht ist umstritten. Unbestritten dürfte aber sein, dass im Bereich des Datenschutzes, der Datensicherheit und bei Fragen zum Wert und Preis von Daten an und für sich ein grosser Nachhol- beziehungsweise Verbesserungsbedarf besteht. An diesen Punkten entscheidet sich letztlich, ob das Internet zum Segen oder zum Fluch für die Gesellschaft wird.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Ähnlich wie Nestlé, Novartis und Roche in der Schweiz dominieren die Technologiekonzerne Apple, Alphabet (Google), Amazon sowie Facebook den Aktienmarkt in den USA. Die relativ starke Performance des US-Aktienmarktes gegenüber den übrigen Regionen ist zu einem wesentlichen Teil auf die hohe Gewichtung und positive Entwicklung dieser Werte zurückzuführen. Nun gibt es aber von Seiten der Wettbewerbs- und Kartellbehörden Gegenwind. «Die marktdominierenden Stellungen werden unter die Lupe genommen und als Ultima Ratio droht eine Aufspaltung der Internet-Giganten», weiss Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz. «Für Anleger bringt dies kurzfristige Risiken und wird für eine erhöhte Volatilität bei den Aktien der betroffenen Firmen sorgen. Sollte es tatsächlich so weit kommen, könnte auch die langjährige «Outperformance» der US-Technologieaktien ein abruptes Ende finden.»