Anlageklasse des Monats: Obligationen

Nach acht Jahren tritt Mario Draghi vom Chefsessel der Europäischen Zentralbank(EZB) ab. Unter seiner Ägide wurde deren geldpolitischer Werkzeugkastenmassiv erweitert – das (fragwürdige) 2%-Inflationsziel wurde dennoch verfehlt.

«Whatever it takes»

Schon kurz nach dem Beginn seiner Amtszeit musste Mario Draghi erstmals zum Feuerlöscher greifen: Die Zinserhöhungen seines Vorgängers Jean-Claude Trichet entpuppten sich als verheerender geldpolitischer Fehler. Draghi reagierte – wie so oft in den Folgejahren – beherzt und korrigierte den Fauxpas mittels schneller Zinssenkungen. Schon bald war die Eurokrise auf ihrem Höhepunkt. Auch dieser begegnete der Italiener mit Verve und dem alles Entscheidenden «whatever it takes» («was immer es koste»). Was folgte waren immer neue und noch einfallsreichere geldpolitische Instrumente: Langfristkredite für die Banken, Negativzinsen, milliardenschwere Wertpapierkäufe. Und nicht zu vergessen die möglichst direkte Kommunikation mit dem Finanzmarkt, auch «forward guidance» genannt. Den Krisenmodus hat die europäische Geldpolitik bis heute nicht verlassen …

Die Bilanz nach acht Jahren Draghi hat – wie die Euro-Münze – zwei Seiten. Ohne Übertreibung kann man konstatieren, dass der scheidende EZB-Präsident den Euro «gerettet» hat. Und nicht nur dies – die Zustimmung zur Einheitswährung ist in den vergangenen Jahren sogar zusehends gestiegen. Dies sicherlich auch, weil die Eurozone als Ganzes unter Draghi prosperierte. Die Arbeitslosigkeit ist auf den tiefsten Stand seit einer Dekade gesunken und mehr als 11 Millionen neue Stellen wurden geschaffen. Das Problemkind Italien kann sich heute günstiger refinanzieren denn je und selbst Griechenland konnte sich zuletzt praktisch kostenlos Geld leihen (wenn auch sehr kurzfristig). Letzteres kann als versteckte Staatsfinanzierung durch die Hintertür der Notenbank auch durchaus kritisch gesehen werden. Doch dies vielleicht mal an anderer Stelle …

Ziel verfehlt

Ein Ziel hat «Super-Mario» indes aber auf jeden Fall verfehlt: Das EZB-Mandat der Preisstabilität, definiert als Teuerung nahe, aber unter 2%. Über Sinn und Zweck dieses Ziels kann man ebenfalls durchaus streiten. Tatsache ist aber, dass die 2% trotz aller Geldspritzen heute mehr denn je in unerreichbarer Ferne scheinen. Während seine Vorgänger – ob mit eigenem Zutun oder nicht – für «stabile» Preise sorgten, versagte Draghi bei diesem Thema auf ganzer Linie. Inzwischen glauben die Währungshüter in Frankfurt am Main scheinbar selbst nicht mehr an ihre Magie. Die EZB-Prognosen für 2020 und 2021 sehen jedenfalls nicht vor, dass die 2% in Reichweite kommen. Auch wir gehen von weiterhin tiefen Inflationsraten aus. In einem solchen Umfeld dürften die Renditen von Anleihen trotz weiterer Normalisierung in den kommenden Monaten nicht in den Himmel wachsen. Auf attraktive Coupons dürfte man am Obligationenmarkt daher noch lange warten.

Grafik: 2%-Inflationsziel und tatsächlich realisierte Inflation unter den bisherigen EZB-Präsidenten

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office