Die finanzielle Lage der AHV (1. Säule) verschlechtert sich zusehends. Aufgrund des demographischen Wandels wächst die Zahl der Pensionierten, die dank höherer Lebenserwartung immer länger eine Rente beziehen. Zudem ist die Berufliche Vorsorge (2. Säule) durch die tiefen Zinsen seit längerem unter Druck. Die geplanten Reformen sollen Abhilfe schaffen.
Finanzierungslücke
Die Finanzierung der Altersvorsorge steht vor grossen Herausforderungen. Ohne Massnahmen wird sich die Finanzierungslücke des AHV-Fonds bis 2030 auf 26 Milliarden Franken erhöhen. Zudem verlangt der Schweizerische Versicherungsverband SVV seit Jahren die Stabilisierung der Altersvorsorge. Reformen sind daher dringend notwendig. Der erste Anlauf 2017 mit dem umfassenden Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» wurde vom Volk abgelehnt. Der Bundesrat reagierte darauf im Sommer 2019 mit der «Reform AHV 21» – aktuell wird über die Massnahmen im Parlament beraten. Im November 2020 folgte nun die Botschaft zur «Reform BVG 21». Voraussichtlich wird das Stimmvolk 2021 dazu seine Stimme abgeben können. Der ambitionierte Plan: die Änderungen sollen bereits 2022 in Kraft treten.
Wieso ist das Dreisäulensystem unter Druck?
Die Schweiz baut bei der Altersvorsorge auf das Dreisäulensystem aus AHV (1. Säule), Beruflicher (2. Säule, BVG) und Privater Vorsorge (3. Säule). Dabei soll die 1. Säule das Existenzminimum sichern. Sie funktioniert nach Umlageprinzip. Das heisst, die Arbeitnehmer finanzieren die AHV der Pensionierten. Die 2. Säule soll – zusammen mit der AHV – den gewohnten Lebensstandard im Alter sichern.
Das Problem: Durch die demographische Entwicklung befinden sich Einnahmen und Ausgaben der AHV nicht mehr im Gleichgewicht. Auch die BVG wird durch die «Überalterung» belastet. Zusätzlich verkomplizieren die anhaltend tiefen Zinsen die finanzielle Situation.
Heiss diskutiert: Erhöhung des Rentenalters für Frauen
Eine zufriedenstellende Lösung für alle «Beteiligten» zu finden, ist kaum möglich. Kompromisse müssen her – und einige Vorschläge aus den Reformen werden heiss diskutiert. Beispielsweise die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre. Erfahren Sie im Video, wie unser Vorsorgeexperten Tashi Gumbatshang den Vorschlag einschätzt und wie die Schweizer Bevölkerung darauf reagiert.
Ziele der Reformen «AHV 21» und «BVG 21»
Die Massnahmen der Reformen zielen insbesondere darauf ab
die Renten aus AHV und BVG zu sichern,
die Finanzen der AHV und BVG zu stabilisieren,
das aktuelle Rentenniveau zu erhalten,
sowie die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten – insbesondere Frauen – zu verbessern.
Die wichtigsten Änderungen für AHV & BVG im Überblick
Die Reform schlägt drei Hauptmassnahmen vor, um die AHV zu stabilisieren:
65 als neues Referenzalter für Frauen Das bisherige Referenzalter (Rentenalter) der Frauen (64 Jahre) wird an das der Männer (65 Jahre) angeglichen. Dies soll schrittweise über einen Zeitraum von vier Jahren erfolgen, sodass ab 2026 für alle das Referenzalter von 65 Jahren gilt. Für Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen (Jahrgang 1959 bis 1967), sind Ausgleichsmassnahmen geplant.
Der Zeitpunkt des Rentenbezug wird flexibler Die Rente kann – von Männer und Frauen – frühestens ab 62 und spätestens ab 70 Jahren bezogen werden. Zudem kann der Rentenbezug neu schrittweise erfolgen. Durch eine Arbeitstätigkeit über das Referenzalter 65 hinaus, kann zukünftig das durchschnittliche Jahreseinkommen, auf dem die AHV-Berechnung basiert, erhöht werden. Damit bietet der Bund Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit.
Zusatzfinanzierung durch Mehrwertsteuer-Erhöhung Der Bund erhöht die Mehrwertsteuer von 7,7 auf 8,4 %, damit der AHV-Fonds im Jahr 2030 einen ausreichenden Deckungsgrad erreicht.
Die wichtigsten Änderungen mit der BVG 21
Um die Finanzen der Beruflichen Vorsorge zu stabilisieren, sind vier Hauptmassnahmen vorgesehen:
Der Umwandlungssatz wird auf 6 % gesenkt Der Mindestumwandlungssatz, aus dem die jährliche Altersrente berechnet wird, liegt aktuell bei 6,8 %. Wird dieser auf 6 % gesenkt, ergeben sich aus einem angesparten Alterskapital von CHF 100'000.– statt CHF 6'800.– nur mehr CHF 6'000.– Rente pro Jahr.
Einführung eines Rentenzuschlags Künftig soll eine monatliche Zusatzrente die tieferen Renten infolge des niedrigeren Umwandlungssatzes abfedern. Die Höhe des Zuschlags ist für die ersten 15 Jahre nach Inkrafttreten der Reform festgehalten und jeweils für fünf Jahre gestaffelt: Die ersten fünf Neurentner-Jahrgänge erhalten CHF 200.–, danach beträgt der Zuschlag fünf Jahre lang CHF 150.– sowie weitere fünf Jahre CHF 100.–. Anschliessend legt der Bundesrat diesen jährlich neu fest – unabhängig von der Rentenhöhe der Pensionierten.
Absenkung des Koordinationsabzugs Der sogenannten «Koordinationsabzug» beschreibt diejenigen Lohnteile, die schon in der AHV versichert sind, und daher vom in der 2. Säule versicherten Lohn abgezogen werden. Um die Vorsorgesituation für Personen mit tieferem Einkommen – darunter insbesondere Frauen und Teilzeitbeschäftigte – zu verbessern, wird dieser Anteil aktuell CHF 24'885.– auf CHF 12'443.– halbiert. Das Ergebnis: Zukünftig wird ein höherer Lohn versichert.
Anpassung der Altersgutschriften Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden angepasst und im Vergleich zu heute weniger stark gestaffelt. Neu gilt im Alter von 25 bis 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9 % auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab Alter 45 beträgt die Altersgutschrift 14 %. Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt – was auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Wie steht es um meine Altersvorsorge?
Es bleibt spannend, ob und welche Vorschläge angenommen werden. Diese werden massgeblich dazu beitragen, wie sich auch Ihre Vorsorgesituation in den nächsten Jahren verändert. Warten Sie nicht ab und werden Sie selbst schon heute aktiv. Denn die Private Vorsorge (3. Säule) können Sie selbst gestalten und damit Ihre finanzielle Zukunft mitbestimmen.
Ausblick: Gemäss Planung des Bundesrats soll die Reform AHV21 am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Die Reform zur BVG21 soll im Verlauf des Jahres 2022 folgen.
25. November 2020: Der Bundesrat verabschiedet seine Botschaft zur Reform BVG 21 und überweist diese ans Parlament.
28. August 2019: Der Bundesrat verabschiedet seine Botschaft zur Reform AHV 21 und übergibt dieses ans Parlament.
19. Mai 2019: Das Volk nimmt die Reform der Unternehmenssteuer mit 66 % der Stimmen an und verbessert damit die finanzielle Lage der AHV.
20. Dezember 2017: Der Bundesrat beschliesst, die AHV und die berufliche Vorsorge getrennt voneinander zu reformieren und dabei die AHV zu priorisieren.
24. September 2017: Das umfassende Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» erhält ein Volks-Nein (52,7 % der Stimmen).