Nachhaltige Herausforderungen – Globale Lösungen sind gefragt

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Obwohl das Thema viel umfassender ist, steht seit einiger Zeit vor allem ein Begriff im medialen Fokus: der Klimawandel. Der globale CO2-Ausstoss steigt weiter an und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Um die Pariser Klimaziele für 2050 zu erreichen braucht es rasche und globale Lösungen. Auch die Finanzindustrie ist gefordert.

Ein klarer Trend – Das Thema Nachhaltigkeit wird verstärkt «gegoogelt»

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Bisweilen wird der Begriff geradezu inflationär gebraucht. Egal welche Entwicklung man beschreiben will – mit dem Prädikat «nachhaltig» tönt es sofort noch viel überzeugender. Kein Wunder also, dass das Thema auch im Internet auf kontinuierlich wachsendes Interesse stösst.

Beliebtheit des Suchbegriffs «Nachhaltigkeit» in der Schweiz

Quellen: Google Trends, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Nachhaltig ist etwas, was über eine längere Zeit anhält oder im Idealfall beständig bleibt. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und geht auf Hans Carl von Carlowitz zurück. In seinem 1713 erschienen Buch «Sylvicultura oeconomica» forderte er einen respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Rohstoffen und kritisierte die auf einen kurzfristigen Gewinn ausgerichtete Abholzung der Wälder. Sein Fazit tönt aus heutiger Sicht banal: Man soll nur so viel Holz schlagen, wie jeweils wieder nachwächst.

Über 300 Jahre später wird der Begriff deutlich breiter angewandt. Nachhaltigkeit umfasst die drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese drei Aspekte sollten bei jeder Massnahme gleichermassen berücksichtigt werden, was die Sache nicht immer einfacher macht – Zielkonflikte sind vorprogrammiert. 

In Sachen Nachhaltigkeit stehen heute die «Sustainable Development Goals» der UNO im Fokus. Diese umfassen 17 ambitionierte Hauptziele, welche bis 2030 weltweit umgesetzt werden sollen. Dazu gehören wirtschaftliche Ziele wie die Armutsbekämpfung oder die Verbesserung des Gesundheits- und Bildungswesens, aber auch ökologische Ziele wie Klimaschutz, Wasserversorgung oder der Ausbau von erneuerbaren Energien. 

Obwohl das Thema «Nachhaltigkeit» also sehr viel umfassender ist, steht seit einiger Zeit vor allem ein Begriff im medialen Fokus: der Klimawandel. Die Debatte um diesen wird mitunter hitzig und emotional geführt. Zwar besteht hinsichtlich den Herausforderungen weitgehend Einigkeit – die Lösungen sind aber alles andere als trivial, sind doch die Probleme erstens global und zweitens hochkomplex. Dies musste am 13. Juni 2021 auch der Bundesrat und das Parlament in der Schweiz schmerzlich zur Kenntnis nehmen, als die Schweizer Stimmbevölkerung die Revision zum CO2-Gesetz mit einer knappen Mehrheit ablehnte. 51.6% stimmten gegen die vollgepackte Vorlage und erteilten damit dem von der Regierung und dem Parlament vorgeschlagenen Weg in der Schweizer Klimapolitik eine Abfuhr. Damit muss nun zeitnah eine neue, mehrheitsfähigere Vorlage ausgearbeitet werden.

Keine Trendwende – Weltweit steigende CO2-Emissionen

Derweil steigt der globale CO2-Ausstoss weiter an. 2019 erreichte er mit 36.4 Milliarden Tonnen einen neuen Rekord. Corona-bedingt sind die Emissionen 2020 zwar rückläufig gewesen – von einer Trendwende kann aber nicht gesprochen werden. Insgesamt sind die Emissionen zwischen 1990 und 2019 um durchschnittlich 2.2% pro Jahr angestiegen, wobei China das mit Abstand grösste Wachstum verzeichnete. Das Reich der Mitte ist heute mit über 10 Milliarden Tonnen für rund 28% des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich und liegt deutlich vor dem zweitgrössten «Klimasünder», den USA mit 14.5%. 

CO2-Emissionen in Milliarden Tonnen

Quellen: Our World in Data, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Im Vergleich dazu liegt der jährliche CO2-Ausstoss in der Schweiz bei rund 38 Millionen Tonnen. Dies entspricht gerade einmal 0.1% der weltweiten Emissionen und zeigt, dass sich das Problem nur global lösen lässt. Selbst wenn die Schweiz ihren CO2-Ausstoss morgen auf null reduzieren würde, wäre dies nicht einmal ein Tropfen auf den heissen Stein, denn allein in China wachsen die Emissionen um weit über 100 Millionen Tonnen pro Jahr an. Hinzu kommt, dass die Weltbevölkerung weiter stark wächst und damit auch deren Ressourcen- und Energiehunger. 

CO2-Emissionen in Milliarden Tonnen

Quellen: Statista, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Erneuerbare Energien liegen (noch) weit zurück

Auf globaler Ebene tut man sich mit raschen Lösungen weiterhin schwer. Das Pariser Klimaabkommen ist zwar mittlerweile in Kraft gesetzt und auch die USA sind unter Präsident Joe Biden wieder beigetreten, bei der Umsetzung harzt es allerdings. Die Ziele umfassen folgende drei Punkte: Begrenzung des Temperaturanstiegs auf maximal 1.5 Grad Celsius (bis 2050), Förderung von Klimaresistenz sowie eine Vereinbarkeit der Finanzströme mit Klimazielen. Das Abkommen hat allerdings zwei grosse Mängel: Erstens fehlen konkrete Massnahmen, wie die Ziele erreicht werden sollen und zweitens ist das Abkommen völkerrechtlich zwar bindend, sieht aber keinerlei Sanktionsmöglichkeiten vor.

Geht es um konkrete Massnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstosses, steht eine Verschiebung des Energiemix in Richtung erneuerbare Energien im Fokus. Selbstverständlich gibt es in diesem Zusammenhang noch viel Potenzial, liegt doch der Anteil der nicht-fossilen Energiequellen erst bei rund 16%. Vor allem der Wind- und Solarenergie wird ein grosses Wachstumspotenzial zugetraut. Aber selbst mit einem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien wird der Anteil der fossilen Energieträger hoch bleiben. Für die Schweiz und Deutschland kommt eine zusätzliche Herausforderung hinzu: Mit der beschlossenen Abschaltung sämtlicher Atomkraftwerke nimmt man eine C02-freie Energiequelle aus dem Mix, welche zusätzlich ersetzt werden muss. Andere Staaten gehen diesbezüglich einen entgegengesetzten Weg (siehe «Alternative Anlagen» in dieser Ausgabe). Die Veränderung des Energiemix geht zudem nicht ohne Kostenfolgen vonstatten: In Deutschland – dem Vorreiter im Bereich der Förderung von erneuerbaren Energieträgern – haben sich die durchschnittlichen Strompreise seit der Jahrtausendwende von knapp unter 14 Eurocent auf aktuell fast 32 Cent pro Kilowattstunde mehr als verdoppelt – Spitzenwert in Europa. 

Primärenergie-Konsum weltweit 2019

Quellen: BP Statistical Review of World Energy 2020, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Auch die Idee, als Pionier im Bereich der Solarindustrie eine zukunftsträchtige neue Exportbranche aufzubauen, hat sich in Luft aufgelöst. Praktisch alle deutschen Solarunternehmen sind trotz massiver Subventionen bankrott gegangen oder wurden aufgekauft – heute dominieren chinesische Solarunternehmen den Weltmarkt. 

Der Weg zur Erreichung des Klimaziels bleibt also äusserst steinig. Lösungen wie eine globale CO2-Abgabe und ein entsprechender Zertifikatehandel scheiterten bisher an nationalen Widerständen. Ein spannender Ansatz ist das Konzept des globalen Kohlenstoffanreizes (GKA). Jedes Land, das mehr als den weltweiten Durchschnitt pro Kopf freisetzt, würde dabei jährlich in einen globalen Anreizfonds einzahlen, wobei sich der zu zahlende Betrag aus den überschüssigen Pro-Kopf-Emissionen multipliziert mit der Bevölkerungszahl und dem GKA ergäbe. Länder, bei denen die Pro-Kopf-Emission darunter liegt, würden entsprechende Zahlungen aus dem Topf erhalten. Alle Länder hätten damit denselben Anreiz ihre Emissionen, unabhängig von der Ausgangslage, zu senken. Um solche Lösungen zu implementieren, bräuchte es aber eine globale Zusammenarbeit ganz nach dem Motto: Globale Probleme, globale Lösungen.  

Ein weiteres Ziel des Pariser Abkommens ist die Vereinbarkeit der Finanzströme mit den Klimazielen. Dieses hat auch Auswirkungen auf die Kreditvergaben und das Anlagegeschäft der Banken. Die Entwicklung in Richtung «nachhaltiges» Anlegen schreitet rasant voran. Was auf den ersten Blick «revolutionär» tönt, ist aber gar nicht so neu. Bei nachhaltigen Geldanlagen werden zu den klassischen finanziellen Bewertungskriterien noch die drei Aspekte Umwelt («Environmental»), Gesellschaft («Social») und Unternehmensführung («Governance») – kurz ESG – analysiert und bewertet.

Ganzheitlich denkende Finanzanalysten haben solche Faktoren schon seit jeher in ihre Aktieneinschätzungen miteinbezogen. Neu ist, dass diese Faktoren systematisch und umfassend in der Analyse mitberücksichtigt werden. Dabei gibt es verschiedene Ansätze. Der einfachste ist das sogenannte Ausschlussverfahren: Dabei werden beispielsweise Aktien von Waffenproduzenten, Tabakfirmen oder Erdölkonzernen aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen. Eine weitere Möglichkeit ist die Integration von ESG-Kriterien nach einem «Best-in-Class-Ansatz». Dabei werden in jedem Sektor diejenigen Titel ausgesucht, welche über die besten Werte in Bezug auf die drei Nachhaltigkeitsaspekte verfügen. Noch einen Schritt weiter geht ein Ansatz, bei dem der Vermögensverwalter (oder Aktionär) im direkten Kontakt mit dem Management einer Unternehmung (und mit seinem Stimmverhalten an den Generalversammlungen) auf eine Verbesserung der ESG-Faktoren hinwirkt (sogenanntes «Engagement»). Die grösste nachhaltige Wirkung können Anleger mit einem «Impact Investing» erzielen. Dabei wird Geld direkt in kotierte Firmen oder auch Start-ups investiert, die aufgrund ihres Unternehmenszwecks auf die Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele hinarbeiten. Beispiele dafür sind Solaranlagenbetreiber, Mikrofinanzanbieter oder Recyclingunternehmen. Beim letztgenannten Ansatz gehört eine Portion Idealismus dazu, welche zulasten der Rendite gehen kann. Für welchen Ansatz sich eine Anlegerin oder ein Anleger letztlich entscheidet, ist eine individuelle Angelegenheit. Die Aufgabe der Regulierung und der involvierten Banken ist es, diesbezüglich grösstmögliche Transparenz und globale Standards zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die geforderte Vereinbarkeit der Finanzströme mit den Klimazielen erreicht und ein sogenanntes «Greenwashing» verhindert werden kann. So oder so, der Weg in eine «nachhaltigere», zukunftsfähige Welt bleibt in vielerlei Hinsicht herausfordernd.              

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Nachhaltiges Anlegen ist im Trend. Doch was bedeutet und bringt diese Entwicklung den Anlegerinnen und Anlegern? In der traditionellen Finanzanalyse und Portfoliokonstruktion geht es primär um die Optimierung des Verhältnisses zwischen Rendite und Risiko. 

Bei nachhaltigen Geldanlagen werden zu den klassischen finanziellen Bewertungskriterien noch die drei Aspekte Umwelt, Soziales sowie die Unternehmensführung analysiert und bewertet. Der Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien erlaubt also eine noch vertieftere Analyse einer Unternehmung und führt so zu einem besseren Verständnis der Geschäfts- und Reputationsrisiken. Mit dem Herausfiltern von «faulen Eiern» geht eine Reduktion der potenziellen (Anlage-)Risiken einher. Ein konsequenter Nachhaltigkeitsansatz trägt damit im Portfoliokontext dazu bei, das längerfristige Rendite-Risiko-Profil zu optimieren. Unter dem Label «Futura» hat Raiffeisen bereits vor über 20 Jahren auf nachhaltige Geldanlagen gesetzt und damit den aktuellen Trend vorgezeichnet. 

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz