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07.07.2022

Anlageausblick zweites Halbjahr 2022: Im Griff des Bären

  • Raiffeisen rechnet für 2022 mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. 
  • Die Notenbanken werden ihren restriktiven geldpolitischen Kurs fortsetzen und die Leitzinsen weiter erhöhen. Die Rezessionsrisiken haben deutlich zugenommen. 
  • Die Aktienmarktkorrektur dürfte noch nicht abgeschlossen sein. Derweil haben Anleihen an Attraktivität gewonnen.

 

St.Gallen, 7. Juli 2022. Das erste Halbjahr verlief aus Anlegersicht enttäuschend. Mit Ausnahme von Gold und Rohstoffen haben sämtliche Anlageklassen deutlich an Wert eingebüsst. «Selbst mit einer sehr defensiven Anlagetaktik liessen sich breite Verluste im aktuell herrschenden Marktumfeld nicht verhindern», sagt Matthias Geissbühler, Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz. Der Krieg in der Ukraine hat die bereits hohen Rohstoffpreise weiter nach oben getrieben. Hinzu kam die strikte Null-Covid-Strategie in China, welche unter anderem zu einem wochenlangen Lockdown in der Wirtschaftsmetropole Shanghai geführt hat. In der Folge sind die Inflationsraten im ersten Halbjahr weiter in die Höhe geschossen und haben teilweise Niveaus erreicht, welche zuletzt in den 1980er-Jahren gemessen wurden. Auch die Notenbanken wurden von diesen Entwicklungen auf dem falschen Fuss erwischt. Sie sahen sich gezwungen deutlich schneller und stärker auf die Bremse zu treten. Insbesondere die US-Notenbank Fed hat eine rigorose geldpolitische Trendwende eingeläutet. Die Leitzinsen wurden insgesamt bereits um 1,50 Prozent erhöht und im Juni hat der Abbau der auf fast neun Billionen US-Dollar angeschwollenen Notenbankbilanz begonnen. Im Juni überraschte zudem die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte – dem ersten seit 15 Jahren. «Die stark steigenden Zinsen führten zu einer allgemeinen Bewertungskorrektur an den Finanzmärkten. Hinzu kamen Sorgen vor einer harten Landung der Wirtschaft», erklärt Matthias Geissbühler.

 

Steigende Rezessionsrisiken

Raiffeisen Schweiz hat ihre Wachstumsprognosen im Verlauf des ersten Halbjahres nach unten revidiert. Für die Weltwirtschaft rechnen die Ökonomen in diesem Jahr mit einem Wachstum von 2,5 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Schweiz dürfte um 2,2 Prozent steigen. «In Bezug auf die Weltwirtschaft befinden wir uns aktuell in einem stagflationären Umfeld», so Matthias Geissbühler. Da ein unmittelbarer Rückgang der Inflation nicht absehbar ist, dürften die Notenbanken ihre restriktive Geldpolitik vorerst fortsetzen. «Diese Zinserhöhungen erfolgen nicht in einem Umfeld einer brummenden Konjunktur, sondern zu einem Zeitpunkt, wo sich die Weltwirtschaft bereits deutlich abkühlt. Damit ist der Grat, auf dem sich die Notenbanken bewegen, extrem schmal», so Geissbühler. Die Rezessionsrisiken haben zugenommen.

Aktienmarktkorrektur noch nicht vorüber

Nach der starken Korrektur an den Börsen sind die Bewertungen optisch wieder attraktiver geworden. Allerdings sind die Gewinnschätzungen vieler Unternehmen für das laufende Fiskaljahr sehr optimistisch und entsprechend mit Vorsicht zu geniessen. Die rekordhohen Gewinnmargen dürften sich im laufenden Jahr kaum weiter ausweiten. «Stark gestiegene Produzentenpreise, anhaltende Lieferengpässe sowie höhere Finanzierungskosten dürften für Margendruck sorgen. Die Gewinnerwartungen sind zu hoch und müssen nach unten revidiert werden», meint Matthias Geissbühler. Raiffeisen Schweiz rechnet in den kommenden Monaten entsprechend mit einer anhaltend hohen Volatilität an den Aktienmärkten. Unverändert empfehlen die Anlagestrategen den Fokus auf Aktien von Unternehmen zu legen, die über solide Bilanzen und eine starke Marktstellung verfügen. Dazu gehören Firmen, welche die steigenden Inputkosten via Preiserhöhungen an die Endkunden weitergeben und so ihre Gewinnmargen verteidigen können. Aufgrund dieses Fokus wird weiterhin der Schweizer Aktienmarkt gegenüber den übrigen Regionen favorisiert. 

 

Chancen bei (Staats-)Anleihen

Bei den Obligationen hat die Zinswende dazu geführt, dass die Verfallrenditen deutlich gestiegen sind. Selbst sichere Staatsanleihen werfen wieder eine positive (nominelle) Rendite ab. Wie ein Phönix aus der Asche kehrt damit eine lange Zeit verschmähte Anlageklasse als valable Anlagealternative zurück. Dies eröffnet gemäss Matthias Geissbühler Chancen: «Die Notenbanken werden zwar noch weiter an der Zinsschraube drehen, die langfristigen Zinsen dürften aber den grössten Teil des Zinsanstieges bereits hinter sich haben. Sollte das Rezessionsszenario Realität werden, sind Staatsanleihen auf den aktuellen Renditeniveaus kaufenswert». Bei den Unternehmensanleihen empfiehlt Raiffeisen Schweiz den Fokus auf qualitativ gut bewertete Schuldner zu legen. Vorsicht ist hingegen bei Hochzinsanleihen angezeigt, denn die Kreditrisikoaufschläge dürften im Falle einer Rezession deutlich steigen. Aus Diversifikationsgründen empfiehlt Raiffeisen Schweiz zudem weiterhin ein Übergewicht in Gold.