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15.08.2024

Eigenheimmarkt hat Zinsschock überwunden

  • Trendwende am Eigenheimmarkt: Die Nachfrage nach Wohneigentum zieht wieder an
  • Neu erstellte Wohnungen werden immer kleiner und bieten weniger Menschen Platz
  • Das Konzept der Wohnrente bietet älteren Eigentümerinnen und Eigentümern eine Alternative zu Verkauf oder Weitergabe ihrer Immobilie

St.Gallen, 15. August 2024. Dank der im Zaum gehaltenen Inflation, der robusten Wirtschaftsentwicklung und der entschlossenen Leitzinssenkungen der Nationalbank, löst sich am Schweizer Eigenheimmarkt allmählich die Furcht vor grösseren Verwerfungen auf. «Die Nachfrage nach Wohneigentum hat sich nach ihrem Einbruch infolge des markanten Zinsanstieges wieder weitgehend erholt. Neben der Rückkehr des Wohnkostenvorteils gegenüber der Miete im Zuge der wieder sinkenden Zinsen, schwappt neu auch eine Überschussnachfrage aus dem Mietwohnungsmarkt auf den Eigenheimmarkt über», erläutert Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Der gesteigerten Wohneigentumsnachfrage steht aktuell jedoch auch ein wieder höheres Wohnungsangebot gegenüber, was die Preisdynamik weiterhin bremst. Das grössere Angebot speist sich jedoch nicht aus dem Neubau, sondern nur aus dem Bestand, weshalb die Knappheit nur kurzfristig gemildert werden dürfte. «Das flüssigere Angebot sowie die wieder zuversichtlicheren Käuferinnen und Käufer beginnen sich in einer höheren Zahl von Handänderungen niederzuschlagen. Dabei können die Verkäufer ihre Preisvorstellungen mehrheitlich durchdrücken. Wir rechnen daher mittelfristig wieder mit einem etwas höheren Preiswachstum», prognostiziert Fredy Hasenmaile.

 

Kaum Anzeichen eines höheren Wohnungsangebotes

Dem wieder sinkenden Zinsniveau und der gestoppten Bauteuerung zum Trotz sind in der Schweiz weiterhin kaum Anzeichen eines steigenden Wohnungsangebots auszumachen. Im vergangenen Jahr wurden so wenig neue Wohnungen bewilligt wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen vor 20 Jahren. Erschwerend kommt hinzu, dass es aufgrund des gebotenen Verdichtungsprozesses für den Bau neuer Wohnhäuser zu immer mehr Abbrüchen von bestehenden Objekten kommt. Zudem entsteht spürbar weniger Wohnraum pro neuer Wohnung, da die heutigen Neubauwohnungen deutlich kleiner sind als diejenigen vergangener Bauperioden. «Vieles deutet am Schweizer Mietwohnungsmarkt weiterhin auf eine deutlich zunehmende Knappheit hin. Wie stark diese bereits ist, zeigt sich exemplarisch an der schweizweiten Leerstandziffer, die schon bald unter die psychologisch wichtige Marke von einem Prozent sinken dürfte. Das stärkste Knappheitssignal senden aber die Angebotsmieten, deren Jahreswachstum im zweiten Quartal 2024 auf 6,4 Prozent angestiegen ist», erklärt Hasenmaile.

 

Das Eigenheim als Einkommensquelle

Wohneigentümerinnen und -eigentümer in der Schweiz sind im Durchschnitt über 60 Jahre alt und in knapp 40 Prozent der Eigentümerhaushalte befindet sich mindestens eine Person bereits im Rentenalter. Dank der dynamischen Preisentwicklung der letzten 20 Jahre sitzen viele ältere Immobilienbesitzerinnen und -besitzer auf einem sehr grossen, in der eigenen Liegenschaft gebundenen Kapitalstock. Aufgrund der im Alter oft nur schwer stemmbaren Tragbarkeitshürde, können viele auf dieses Kapital aber nicht zugreifen. So hat ein beispielhaftes, durchschnittliches Einfamilienhaus, welches 1985 für 470'000 Franken gekauft und werthaltig instandgehalten wurde, heute einen geschätzten Marktwert von 1,3 Millionen Franken. Unter der Annahme, dass dieses Haus mit einer Belehnung von 80 Prozent erworben und die Hypothek alle zehn Jahre für werterhaltende Investitionen um rund 80'000 Franken aufgestockt wurde, hat sich der Eigenkapitalanteil heute auf rund 745'000 Franken erhöht. Somit hat sich das Nettoimmobilienvermögen der Besitzer dieses Objektes durch die Wertsteigerung fast versiebenfacht. Diese gebundenen Mittel könnten gerade im Alter benötigt werden, um etwa Liquiditätsengpässe aufgrund einer Pflegebedürftigkeit des Lebenspartners oder -partnerin zu bewältigen, Nachkommen mittels Erbvorbezug zu unterstützen oder um die Rente aufzubessern.

Seit einigen Jahren verbreitet sich in der Westschweiz unter dem Begriff «Viager» (zu Deutsch: Wohnrente) eine Möglichkeit, um vorzeitig sein Immobilienvermögen zu beziehen und dennoch im eigenen Wohnhaus verbleiben zu können. Die Auszahlung kann dabei wahlweise als direkter Kapitalbezug, als lebenslange Rente oder auch als Mischform erfolgen. Im Prinzip tauschen Eigentümer den Besitz der eigenen Immobilie und damit den Anspruch auf alle allfälligen künftigen Wertzuwächse gegen finanzielle Sicherheit und Planbarkeit. Sowohl für die verkaufende als auch die kaufende Partei kann eine solche Transaktion viele Vorteile bieten. «Im Endeffekt läuft eine solche Vereinbarung aber immer auf eine Wette über die Lebensdauer der ehemaligen Besitzerinnen und Besitzer hinaus. Diese Form des Immobilienverkaufs bietet neben dem klassischen Verkauf oder der Weitergabe der Liegenschaft zu Lebzeiten an die Nachkommen eine zusätzliche Option, um den vielfältigen Herausforderungen des Wohneigentums im Alter zu begegnen. Aufgrund der Vielfalt, Komplexität und Tragweite einer solchen Entscheidung sind die Vertragsparteien aber gut beraten, die Folgen genau abzuwägen und sich unabhängigen Expertenrat einzuholen», hält Fredy Hasenmaile fest.