Erfolgreich anlegen – Ein Marathon, kein Sprint

Wie wichtig es ist, seiner Strategie langfristig zu folgen, zeigt das aktuelle Jahr. Trotz starker Schwankungen halten sich die Verluste bei Anlegern, die emotionslos und konsequent ihre Anlagestrategie umgesetzt haben, in Grenzen. Wer zudem sein Vermögen auf verschiedene Anlageklassen verteilt hat, profitierte vom Diversifikationseffekt, der die Portfolioschwankungen zusätzlich reduzierte.

Der Schweizer Aktienmarkt kennt nur eine Richtung

Was haben der Laufsport und Börsengeschäfte gemeinsam? Beides boomt. Die Corona-Krise förderte nicht nur das Bewusstsein, sich körperlich und mental fit zu halten, sondern auch an der Börse aktiv zu werden. Obwohl die niedrigen Zinsen, die hohe Volatilität und ein ungewisser Ausblick Anleger verunsichern, wagen gerade Kleinsparer den Schritt an die Börse. Mit der Aussicht auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus mehren sich die positiven Zeichen auf die Zeit nach der Pandemie. Wer Investieren mit einem Marathon vergleicht, dem bieten sich immer Einstiegschancen, schliesslich kann auch jederzeit mit dem Lauftraining begonnen werden. Und auch in einem Anlagemarathon gehören Rücksetzer dazu. Bleibende Ereignisse dieser Art waren die Finanzkrise 2008/09 oder das Platzen der Technologieblase Anfang des Jahrtausends. Solche Geschehnisse sind rückblickend oft nur noch als kleine Taucher zu erkennen.

SMIC (SMI inkl. Dividenden) seit 1995

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Gerade antizyklisch orientierte Anleger versuchen solche Chancen zu nutzen. Sie kaufen, wenn Mitinvestoren in Panik geraten. Das ist nicht ungefährlich, kann aber mit hohen Renditen belohnt werden. Der Bankier Carl Mayer von Rothschild fasste diese Strategie vor rund 200 Jahren in einem Sprichwort zusammen: «Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.» Ein Läufer würde wohl versuchen, seine Mitstreiter am Berg abzuhängen, wenn diese Schwäche zeigen.

Eine längerfristig ausgerichtete Anlagestrategie ist das zentrale Element, um erfolgreich zu investieren. Sie bestimmt das Risiko, das Anleger einzugehen bereit sind und ermöglicht Renditeerwartungen abzustecken. Die Frage lautet also: Welche Schwankungen können und wollen Anleger auf sich nehmen? Die Anlagestrategie entspricht somit dem Trainingsplan des Läufers. Es geht darum, welches Ziel mit welchem Trainingsaufwand erreicht werden soll. Will der Sportler fünfmal die Woche trainieren, um eine Chance zu haben, den Marathon in 3 Stunden 30 Minuten zu absolvieren? Oder reichen drei Trainings pro Woche, weil es nur darum geht, durchzukommen?

In einem Portfolio wird das Ausmass der Schwankungen massgeblich von der Aktienquote bestimmt. Als Faustregel für den Aktienanteil gilt: 100 abzüglich des Alters des Investors ergibt die Aktienquote in Prozent. Weil jüngere Anleger über einen längeren Anlagehorizont verfügen, können sie höhere Risiken eingehen. Denn mit zunehmendem Zeithorizont steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Verluste wieder aufgefangen werden. Genauso erhöht eine ausreichend lange Vorbereitung die Wahrscheinlichkeit, dass am Renntag beim Marathon alles glatt läuft. 

Um Verletzungen vorzubeugen, ist auf einen guten Mix aus Training, Regeneration und Ernährung zu achten. Anleger sollten ihre Risiken ebenfalls verteilen, zum Beispiel über verschiedene Anlageklassen, Regionen, Sektoren und Währungen. Für die Aktienquote heisst das, mehrere Aktien zu halten oder die Aktienquote mit Fonds umzusetzen. Wer am Schweizer Markt investiert, hält mit Nestlé, Novartis und Roche Aktien von weltweit führenden Nahrungsmittel- und Pharmaunternehmen. Es fehlt jedoch ein Anteil am Technologiesektor. Ein Bereich, der mit Unternehmen wie Apple, Alphabet und Microsoft auch als Corona-Gewinner gilt, da er die Digitalisierung beschleunigt. Anleger können zum Beispiel ein Engagement in den technologielastigen Nasdaq 100 in Betracht ziehen. Über einen Exchange Traded Fund (ETF) positionieren sie sich in den USA, im US-Dollar und dem wachstumsstarken Technologiesektor und stellen ein durchschnittliches Schweizer Portfolio dadurch deutlich breiter auf.

Gold als sicherer Hafen im Vergleich zum Aktienmarkt

Es geht also darum, nicht monoton immer dieselbe Runde zu laufen, sondern Zwischensprints und Bergläufe einzubauen, einmal schwimmen zu gehen oder sich aufs Fahrrad zu setzen. Einseitiges Training soll ebenso vermieden werden, wie eine einseitige Anlagepolitik. Solche Trainings fordern andere Bewegungsabläufe, andere Muskelgruppen. Diese Aufgabe übernehmen im Portfolio andere Anlageklassen. Gold etwa, wird als sicherer Hafen eingesetzt und soll das Vermögen vor Schwankungen schützen. Man spricht dabei von einer negativen oder schwachen Korrelation. Das heisst, wenn Aktien fallen, legt Gold zu oder verliert zumindest weniger. Als Realwert schützt das Edelmetall aber auch vor Inflation. Diese ist aktuell zwar kein Thema, könnte aufgrund der massiven geldpolitischen Massnahmen der Zentralbanken künftig aber eines werden. Gefährlich kann es werden, wenn Investoren etwa emotional an Gold hängen.

Legende: Gold und S&P 500 seit Anfang Jahr

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Europäische Banken schwächeln schon seit Jahren

Überhaupt sollten Emotionen weitgehend aus dem Spiel gelassen werden. Das ist wie ein Training früh am Morgen bei Schneefall oder ein 3-Stunden-Lauf in brütender Hitze. Das braucht Überwindung. Auch beim Investieren läuft nicht immer alles rosig. Ein schwieriges Thema sind Portfolio-Bereinigungen. Investitionen mit Verlust zu verkaufen schmerzt oft stärker als jeder Muskelkater. Aus Anlagesicht kann es sich aber lohnen, sich von schwachen Investitionen zu trennen und auf solche mit besseren Aussichten zu setzen. Der Bankensektor war in den vergangenen Jahren so ein Beispiel. 

Trotz allgemein gültiger Handlungsempfehlungen bleibt Investieren eine individuelle Angelegenheit. Investitionen müssen zum Anleger passen. Der Laufschuh des Weltmeisters ist nicht jedermann bequem. Und überhaupt, es muss nicht jeder ein Marathonläufer sein. Die Schuhe binden und an die frische Luft gehen, tut immer gut. Vielleicht ist also gerade jetzt Zeit, sich ein paar Aktien zu kaufen.

Stoxx 600 Banks und Stoxx 600 im Vergleich

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

2020 war für viele Anleger ein Lackmustest. Der Corona-bedingte Crash im März und die fast ebenso rasche Markterholung haben die Nerven strapaziert. Wer sich von seinen Emotionen hat leiten lassen, in Panik geriet und seine Anlagen im Frühjahr verkaufte, wird sich heute ärgern. Erfolgreich war derjenige, welcher stoisch an seiner Anlagestrategie festhielt. Dies zeigt, wie wichtig eine klar definierte, langfristig ausgerichtete Anlagestrategie ist.

Diese definiert sich aus der Risikofähigkeit sowie der Risikobereitschaft eines jeden Anlegers. Einmal festgelegt, gilt es auch in turbulenten Zeiten daran festzuhalten. Wer aber im März in Panik geriet, sollte nun, nachdem sich die Wogen geglättet haben, nochmals über die Bücher. Dabei geht es vor allem darum, die effektive Risikobereitschaft nochmals zu hinterfragen. Vielleicht ist diese in Realität tiefer als ursprünglich gedacht? Ist dies der Fall, sollte die Anlagestrategie adjustiert werden (wobei Sie von unseren Anlageberaterinnen und Anlageberatern sehr gerne unterstützt werden). In allen anderen Fällen gilt: Weiterhin an der Strategie festhalten und die Zeit für sich arbeiten lassen.

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz