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09.02.2023

Schweizer Eigenheimmarkt hebt sich vom Ausland ab

  • Dank einer Fülle an Stabilisatoren trotzt der Schweizer Eigenheimmarkt im Unterschied zu vielen ausländischen Märkten dem Zinsanstieg weiterhin.
  • Das Schweizer Steuersystem schwächt den Kosteneffekt steigender Zinsen spürbar ab.
  • Die Zahl der ausgeschriebenen Wohnungen bricht weiter ein, so dass stark steigende Marktmieten nur noch eine Frage der Zeit sind.
  • Von der 2023 anstehenden erstmaligen Erhöhung des hypothekarischen Referenzzinssatzes sind rund 45 Prozent der Mieterinnen und Mieter unmittelbar betroffen.

St.Gallen, 9. Februar 2023. Die global steigenden Zinsen dämpfen die Nachfrage nach Wohneigentum im Ausland spürbar. Länder wie Schweden und Neuseeland vermeldeten zuletzt Rückgänge bei den Immobilienpreisen im zweistelligen Prozentbereich. In der Schweiz zeigen sich die Immobilienpreise dagegen insbesondere wegen der vergleichsweise tiefen Inflation weiterhin kaum beeindruckt vom Zinsanstieg. Zudem bieten Freiheiten bei der Produktwahl Hypothekenschuldnerinnen und -schuldnern die Möglichkeit, mit Geldmarkthypotheken Zinsspitzen bei Festhypotheken zu brechen. Auch die Tragbarkeitsregeln bei der Hypothekarvergabe immunisieren den hiesigen Markt, da sie mit kalkulatorischen Zinsen rechnen, die selbst beim nun herrschenden Zinsniveau noch in weiter Ferne liegen. «Die einzigartigen Eigenschaften der eidgenössischen Wirtschaft und ihres Immobilienmarktes mit zahlreichen Stabilisatoren dürften dafür sorgen, dass wir auch diese Krise viel besser meistern werden als andere Länder», ist Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, überzeugt.

Dank der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen schlagen sich Zinserhöhungen hierzulande nur gedämpft auf das Budget der Haushalte nieder. Bei einem theoretischen Anstieg der Hypothekarzinsen von einem Prozent auf drei Prozent könnte bei einer durchschnittlichen Eigentumswohnung mehr als ein Viertel des effektiven Zinskostenanstiegs durch Steuerersparnisse kompensiert werden. «Unser Steuerregime übt einen stabilisierenden Effekt auf den Eigenheimmarkt aus. Die jüngsten Zinsanstiege wären ansonsten noch deutlich schmerzhafter für neue und bestehende Eigentümerinnen und Eigentümer ausgefallen», so Martin Neff.

 

Knappheit überlagert Zinseffekt

Obwohl die ein hohes Bevölkerungswachstum aufweist, ist die Wohnbau-Projektpipeline hierzulande eine der dünnsten. Die ohnehin schon allgegenwärtige Knappheit im Schweizer Immobilienmarkt hat sich zuletzt noch einmal deutlich akzentuiert. Das zeigt sich derzeit vor allem am Mietwohnungsmarkt, wo die Zahl der ausgeschriebenen Wohnungen weiter markant abnimmt. Gleichzeitig lässt ein spürbarer zusätzlicher Zuwanderungsimpuls die Nachfrage nach Wohnraum weiter in die Höhe schnellen und es sind weiterhin keine Anzeichen einer Angebotsausweitung auszumachen. Die Leerstände schmelzen entsprechend weiter im Rekordtempo dahin. «Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Marktmieten stark anziehen», ist Neff überzeugt.

 

Asymmetrien im Mietwohnungsmarkt

Keinen sprunghaften Anstieg wird es dagegen bei den mietrechtlich geschützten Bestandsmieten geben. Zwar wird der hypothekarische Referenzzinssatz, an dem sich die Mietzinsen orientieren, 2023 voraussichtlich erstmals in seiner bald 13-jährigen Geschichte steigen, aber von der ersten Erhöhung dürften Schätzungen zufolge «nur» rund 45 Prozent der Mieterinnen und Mieter betroffen sein. Grund dafür ist, dass ein Grossteil der Haushalte in der Phase sinkender Referenzzinssätze nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, Mietzinssenkungen einzufordern. «Von der erstmaligen Erhöhung des Referenzzinssatzes unmittelbar betroffen sind vorerst lediglich die rund 18 Prozent der Mieterhaushalte, welche die letzte Referenzzinssatzsenkung eingefordert haben, sowie die insgesamt rund 27 Prozent der Haushalte, die seit der Senkung umgezogen sind oder neu gegründet wurden», erklärt Martin Neff.

Mangels Erfahrungen mit einem steigendem Referenzzins ist schwer abschätzbar, wie viele Vermieterinnen und Vermieter auch tatsächlich Mietzinserhöhungen durchsetzen werden. Wie bei Referenzzinssatzsenkungen gibt es auch in die Gegenrichtung keinen Automatismus bei der Weitergabe höherer Mietzinsen. Von einer gewissen Asymmetrie ist jedoch auszugehen, da Vermieterinnen und Vermieter in der Regel besser über die Mechanismen und Spielregeln im Markt informiert und professioneller organisiert sind. Gerade institutionelle Investorinnen und Investoren sind ihren Kundinnen und Kunden gegenüber verpflichtet, eine renditeorientierte Bewirtschaftung ihrer Immobilienportfolios vorzunehmen. «Auf Kulanz der Vermieterinnen und Vermieter können deshalb nur die wenigsten betroffenen Mieterinnen und Mieter hoffen», so Neff.

 

Robuste Verkaufsflächenmärkte

Trotz des durch die Pandemie beschleunigten Strukturwandels hin zu mehr Onlinehandel zeigt sich der Schweizer Markt für Verkaufsflächen äusserst stabil. Mit dem rückläufigen Wohnungsbau nimmt derzeit automatisch auch das zusätzliche Angebot an Verkaufsflächen ab. Denn viele Retailflächen werden vor allem aufgrund mancherorts bestehender Bau- und Zonenordnung, die den öffentlichen Raum belebende Erdgeschossnutzungen vorschreibt, erstellt. Neben dieser angebotsseitigen Verknappung stützt eine überraschend rege Nachfrage den Markt. Die Zahl der neugegründeten Firmen im Retailsegement übersteigt die Zahl der Konkurse weiterhin deutlich. «Zudem sorgen eigentlich branchenfremde Abnehmer, die vorwiegend persönliche Dienstleistungen anbieten, für sinkende Leerstände und damit stabile Mieten im Markt, auf den schon länger ein Abgesang stattfindet», erklärt Neff.

 

Die Studie «Immobilien Schweiz» bietet jedes Quartal eine ausführliche Lagebeurteilung des Schweizer Immobilienmarkts. Die aktuelle Studie sowie weitere Informationen gibt es auf raiffeisen.ch/casa.