Ausblick 2020 – Was erwartet uns im neuen Jahr?

Das Anlagejahr 2020 wird von politischen Unsicherheiten und einer erhöhten Volatilität geprägt sein. Anleger sollten sich zudem – nach dem extrem starken Börsenjahr 2019 – auf tiefere Gesamtrenditen einstellen. Im Vordergrund stehen eine breite Diversifikation sowie eine aktive Anlagetaktik.

Japan-Szenario für Europa immer wahrscheinlicher

Zum Jahreswechsel haben Horoskope Hochkonjunktur. Schon in vorchristlicher Zeit beschäftigten sich die Menschen mit der Astrologie und dem Ziel, aus Gestirnskonstellationen auf irdische Vorgänge zu schliessen. Auch heutzutage wird mit Interesse gelesen, was uns die Sterne für 2020 vorhersagen. Im vorliegenden Anlageguide beschäftigen wir uns ebenfalls mit der Zukunft und wagen einen Ausblick auf das neue Jahr. Wie wird sich die globale Wirtschaft entwickeln? Welche (geo)politischen Themen stehen im Fokus? Wie entwickelt sich die Geldpolitik und was bedeutet das alles für die einzelnen Anlageklassen? Auch wir haben keine Kristallkugel – dennoch zeichnen sich gewisse Entwicklungen relativ deutlich ab und auf diesen sowie unseren internen Bewertungsmodellen stützt sich unser Basisszenario ab.

Das Jahr 2020 steht im Zeichen der Präsidentschaftswahl in den USA. Donald Trump (und seine Tweets) dürften uns also auch in den kommenden Monaten beschäftigen und auf Trab halten. Aufgrund des innenpolitischen Drucks (unter anderem wegen dem laufenden Amtsenthebungsverfahren) wird der Präsident die Karte «Handelskonflikt» nicht so rasch aus der Hand geben – daher ist auch ein baldiges Ende der Streitigkeiten mit China aus unserer Sicht nicht zu erwarten. Der Wahlkampf selbst wird spätestens ab dem Sommer in den Fokus rücken. Wer auch immer als demokratische(r) Kandidatin oder Kandidat antreten wird; es dürfte erneut ein sehr enges Kopf­ an­ Kopf­ Rennen geben. Da die Märkte Unsicherheit scheuen, dürfte die Volatilität entsprechend besonders in den Sommermonaten und auch im Herbst hoch sein.

Von der Konjunkturseite erwarten wir wenig positive Impulse. Die chinesische Wirtschaft befindet sich in einer strukturellen Wachstumsverlangsamung, welche in den kommenden Jahren anhalten wird. Auch in den USA erwarten wir mit 1.6 % im kommenden Jahr ein deutlich tieferes Wachstum als in den Vorjahren. Erste Stabilisierungstendenzen sehen wir dafür bei den konjunkturellen Vorlaufindikatoren in Europa. Unter dem Strich rechnen wir 2020 mit einem moderaten Wachstum der Weltwirtschaft von rund 3 %. Auch die Inflationsraten dürften sich (vorerst) auf tiefen Niveaus – zumindest klar unter der 2 % ­Zielgrösse der Notenbanken – bewegen. Dies ermöglicht es den Zentralbanken die expansive Geldpolitik fortzusetzen und die Zinsen auf sehr tiefen Niveaus zu belassen. Von Seiten der Europäischen Zentralbank (EZB) aber auch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erwarten wir keine grösseren Veränderungen der Leitzinsen. Klar ist: Zinserhöhungen wird es in diesem Jahr keine geben. Die Tief-­ beziehungsweise Negativzinsen werden uns also noch eine längere Zeit begleiten und ein Japan­ Szenario wird in Europa und der Schweiz immer wahrscheinlicher. Gleichzeitig sind wir aber auch der Meinung, dass der Spielraum der Notenbanken zunehmend ausgereizt ist.

Leitzinsen Japan sowie Europa und Schweiz (zeitlich verschoben)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Wir sehen in weiteren Lockerungsmassnahmen keinen signifikanten Effekt mehr auf die Konjunktur. Im Gegenteil: Die Kosten der enorm expansiven Geldpolitik sowie der Negativzinsen überwiegen die Vorteile mittlerweile klar. Ganz offensichtlich kommen auch die Notenbanker zunehmend selbst zu diesem Schluss. Nur so lassen sich die Appelle von Mario Draghi kurz vor seinem Amtsende erklären, in welchen er die Regierungen Europas zu fiskalpolitischen Unterstützungsmassnahmen aufrief.

Die Risiken werden nur noch ungenügend entschädigt

Der Anlagenotstand und damit die Suche nach Rendite bleiben also auch 2020 bestehen. Die Anleihemärkte erachten wir generell als wenig attraktiv. Aufgrund der negativen Verfallsrendi­ten bei den Schweizer Staatsanleihen empfehlen wir weiterhin eine Untergewichtung in diesem Segment. Auch bei den qualitativ soliden Unternehmensanleihen ist renditemässig wenig zu holen. Da mittlerweile viele Anleger im Obligationenbereich in den High­-Yield-­Bereich (Junk Bonds) oder auf Schwellenländeranleihen ausgewichen sind, fielen auch dort die Risikoprämien zuletzt deutlich und sind zunehmend unattraktiv.

Entwicklung der Risikoprämien bei Hochzinsanleihen

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Relativ zu Obligationen erscheinen uns vor allem Anlagen mit Sachwertcharakter interessant. Von Seiten der institutionellen Anleger (Pensionskassen, Versicherungen) dürfte auch 2020 weiterhin viel Geld in den Schweizer Immobilienmarkt fliessen und dadurch die Preise von Renditeliegenschaften stützen. Somit rechnen wir in den kommenden Monaten mit einer relativ stabilen Entwicklung am Immobilienmarkt. Zusammen mit der attraktiven Ausschüttungsrendite von rund 2.6 % erachten wir deshalb Schweizer Immobilienfonds weiterhin als interessante Beimischung.

Auch bei den Aktien spricht nicht zuletzt der Dividendenertrag für eine nachhaltige Rendite und relative Attraktivität der Anlageklasse. Im Gegensatz zu den Immobilienfonds ist allerdings die Volatilität bei den Aktien deutlich höher. Zudem befinden sich die Bewertungen mittlerweile am oberen Ende der historischen Bandbreite, was eine weitere Bewertungsausweitung unwahrscheinlich macht.

Somit dürfte sich die Gesamtrendite 2020 aus der Summe der Dividendenrenditen und dem Gewinnwachstum zusammensetzen. Die aktuellen Gewinnschätzungen erachten wir vor dem Hintergrund unserer Konjunkturprognosen sowie der bereits rekordhohen Gewinnmargen einmal mehr als zu ambitioniert. Das Gewinnwachstum 2020 dürfte sich zwischen 0 und 5 % bewegen. Daraus resultiert eine realistische Gesamtrendite für Aktien in der Grössenordnung von 4 bis 6 %. Insofern bleiben wir für die Aktienmärkte verhalten positiv – die Renditen vom sehr starken 2019 liegen aber klar ausser Reichweite.

Gold bleibt aus unserer Sicht aus Diversifikationsgründen ebenfalls interessant. Die Korrelationen zu den übrigen Anlageklassen sind sehr tief, ja teilweise sogar negativ. Zudem fallen bei den aktuellen Negativzinsen die Opportunitätskosten nicht nur weg, sondern verkehren sich sogar in «Opportunitätsgewinne».

Zusammengefasst rechnen wir mit einem anspruchsvollen und volatilen Börsenjahr, welches einmal mehr von politischen Unsicherheiten geprägt sein wird. Das globale Wachstum wird zwar bescheiden aber insgesamt positiv ausfallen – eine Rezession erachten wir 2020 als sehr unwahrscheinlich. Aufgrund der weiterhin expansiven Geldpolitik und der anhaltend tiefen Zinsen bleibt der Anlagenotstand latent. Davon sollten Immobilien, Aktien, aber auch Gold profitieren können. Wichtig sind weiterhin eine breite Diversifikation sowie eine aktive Anlagetaktik.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Prognosen sind immer mit Unsicherheit behaftet. Auch unser Ausblick 2020 beruht auf diversen Annahmen, welche sich im Jahresverlauf ändern oder als falsch herausstellen können. Ziemlich sicher sind wir aber in einem Punkt: Die Leitzinsen in Europa und der Schweiz werden noch für eine lange Zeit im negativen Bereich bleiben.

Anleger, welche ihr Vermögen bei Nullzinsen auf dem Sparkonto liegen lassen, werden somit nach Abzug der Inflation Jahr für Jahr eine Kaufkrafteinbusse verkraften müssen. Wer also langfristig sein Kapital vermehren will, kommt um das Thema Anlegen nicht herum. Dabei stehen eine auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Anlagestrategie sowie eine breite Diversifikation über sämtliche Anlageklassen im Vordergrund. So sollten sich auch in Zukunft positive Renditen erwirtschaften lassen – auch wenn wir im Vergleich zum vergangenen Jahr im 2020 mit einer höheren Volatilität und tieferen Erträgen rechnen.

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz