Investoren sind gespalten

10.08.2020

Investoren sind gespalten

Investor

Die Börse trotzt dem wirtschaftlichen Abschwung und zeigt sich von der freundlichen Seite. Aber es gibt auch Zeichen, die zur Vorsicht mahnen.  

Die Berichtssaison ist zwar noch im Gang, die bereits publizierten Halbjahresergebnisse verraten aber: Die grossen Enttäuschungen sind ausgeblieben. Trotz teils massiven Gewinn- und Umsatzeinbrüchen hat sich die Börse auch während der Sommermonate bislang gut gehalten. Der Swiss Performance Index (SPI) tendierte im Juli seitwärts. Anleger hatten offensichtlich genügend Zeit sich damit abzufinden, dass 2020 ein schwaches Jahr wird. Dank positiven Konjunkturdaten verlief der Start in den August positiv, womit der breite Schweizer Markt seit Anfang Jahr noch rund 4 Prozent im Minus liegt. Unter der Berücksichtigung der Dividenden scheinen Investoren mit einem blauen Auge davonzukommen.

Haupttreiber für die Entwicklung an den Börsen sind die Zentralbanken. Sie halten die Zinsen niedrig und stützen die einzelnen Volkswirtschaften. Darauf sind diese auch angewiesen, denn es handelt sich um den stärksten Konjunktureinbruch seit dem zweiten Weltkrieg. In der Eurozone sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 12,1 Prozent - verglichen mit dem Vorjahr fiel es gar um 15 Prozent. Spanien verzeichnete mit -18,5 Prozent einen besonders starken Rückgang gegenüber dem Vorquartal. Dieser spiegelt sich auch in einem kräftigen Abschlag der spanischen Börse. Gegenüber Anfang Jahr notiert der spanische Leitindex IBEX 35 rund ein Viertel tiefer und gehört damit zu den schwächeren in Europa. 

Märkte beruhigen sich
Trotz dieser anhaltenden Unsicherheiten hat sich die Schwankungsbreite (Volatilität) der Börsen seit ihren Höchstwerten im März deutlich reduziert, was eine Beruhigung der Anleger unterstreicht. Dennoch befindet sich die Volatilität immer noch klar über dem langjährigen Durchschnitt. Unter Investoren macht sich zwar Entspannung breit, dennoch lässt sich unter ihnen eine Zweiteilung feststellen. Die Tatsache, dass sowohl die Aktienmärkte, als auch Edelmetalle wie Gold und Silber bei Anlegern gefragt sind, ist an sich atypisch. Während steigende Aktienmärkte in der Regel für einen konjunkturellen Aufschwung stehen, gilt Gold gemeinhin als sicherer Hafen und als Krisenwährung. Seit Anfang Jahr hat die Feinunze, gemessen in US-Dollar, über einen Drittel zugelegt und ist unlängst auf ein Allzeithoch geklettert. Eine ähnliche Bewegung hat Silber vollzogen und handelt um den Jahreshöchststand.

Die Zweifel der Investoren sind berechtigt. Die Wirtschaft befindet sich in der grössten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg. Die Arbeitslosigkeit ist angestiegen. Hinzu kommen die Unsicherheiten aufgrund der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen und den Spannungen im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Zudem sind August und September traditionell schwächere Börsenmonate. Und der wohl wichtigste Punkt in der aktuellen Situation, die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie, dürfte uns noch eine Weile beschäftigen und für Ungewissheit sorgen. 

Keine Alternative zu Aktien 
Da viele Unternehmen im Zuge der Corona-Krise ihren Ausblick ausgesetzt haben, waren die Erwartungen derart niedrig, dass Analysten nun ihren Ausblick erhöhen. Das wirkt positiv auf die Stimmung der Anleger. Nichtsdestotrotz sollten Investoren beachten, dass die Bewertungen aufgrund der reduzierten Gewinnerwartungen angestiegen sind. Je nach Region sind es rund 20 Prozent. Eine Ausnahme bildet die Schweiz. Vor allem der Swiss Market Index (SMI) ist aufgrund seiner defensiven Ausrichtung, weniger stark betroffen.   

Die steigenden Aktienkurse verdeutlichen, dass es an renditebringenden Anlagealternativen fehlt. Die Frankenzinsen sind seit Jahren negativ. In Europa und den USA befinden sich die Zinsen ebenfalls auf einem Tief. Das macht Aktien scheinbar attraktiv. Weil wir nicht mit einer raschen Erholung der Konjunktur rechnen, die Börsen eine solche aber einpreisen, ist mit Rückschlägen zu rechnen. Wir bleiben deshalb in Aktien leicht untergewichtet. Dagegen bevorzugen wir Gold, Schweizer Immobilien und eine erhöhte Liquiditätsquote.  

Marcel Crameri
Leiter Anlageberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen