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07.12.2020

Optimismus keimt

Finanz-Ecke

Reduzierte Risiken beflügeln die Börsen. Dank der Aussicht auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus schwindet die Verunsicherung der Anleger. Die Wirtschaft dürfte aber vorerst noch schrumpfen.  

Der November war ein Lichtblick - in mehreren Belangen. Mit der Aussicht auf einen Corona-Impfstoff scheint ein Ende der Pandemie in Reichweite. Eine Normalisierung des Alltags lockt. Die Börsen reagierten darauf entfesselt. Profitiert haben vor allem Märkte und Aktien, die von der Corona-Pandemie sehr stark getroffen wurden. So haben etwa die Aktienmärkte in Frankreich, Italien und Spanien im November mit einer Monatsperformance zwischen 20 Prozent und 25 Prozent sehr stark abgeschnitten und einen Grossteil ihrer diesjährigen Minusperformance aufgeholt. Demgegenüber hinkte der Schweizer Markt, der gemessen am SMI im November gut 9 Prozent zugelegt hat, hinterher. Seine defensiven Merkmale waren für einmal nicht gefragt.

Eine Sektorenrotation führte auch in der Schweiz zu deutlichen Performanceunterschieden. Am stärksten entwickelten sich Banken, Versicherungen und zyklische Unternehmen wie der Zementhersteller LafargeHolcim oder die Schmuck- und Uhrenhersteller Swatch Group und Richemont. Die meisten dieser Titel notieren jedoch weiterhin deutlich unter dem Niveau von Anfang Jahr.

US-Börsen auf Höchstständen
Neben den positiven Forschungsergebnissen bei drei verschiedenen Corona-Impfstoffen, lichtete sich mit dem Ausgang der US-Wahlen eine weitere Quelle der Unsicherheit. Joe Biden wird am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der USA vereidigt. Da der Senat aller Wahrscheinlichkeit nach republikanisch bleibt, scheint sich aus Sicht der Anleger wenig zu ändern. Allein diese Konstanz verhalf auch den Aktienmärkten jenseits des Atlantiks zu Höhenflügen. So kletterte der Dow-Jones Index erstmals über 30‘000 Punkte. Auch der technologielastige Nasdaq Composite Index schaffte es auf ein Allzeithoch. Beim breiteren S&P 500 mussten sich Anleger etwas länger gedulden. Der US-Leitindex erreichte erst Anfang Dezember einen neuen Höchststand. Auch in den USA büssten die viel gepriesenen Corona-Gewinner, etwa die grossen US-Technologiewerte, im November aber etwas an Dynamik ein. 

Die Aussicht auf einen Impfstoff betrachten auch wir als „Game-Changer“, weshalb wir nach Bekanntgabe der äusserst positiven Forschungsresultate unsere Aktienquote von Untergewichten auf Neutral angehoben haben. In Europa und den Schwellenländern sind wir gar leicht übergewichtet. In diesem Umfeld scheint die Angst der Anleger förmlich verflogen. Diese Entspannung lässt sich auch an der Volatilität ablesen. Sie ist im Monatsverlauf deutlich zurückgekommen und notiert beinahe auf Vorkrisenniveau. Gestützt werden die Märkte weiterhin von einer massiven Geldschwemme der Notenbanken und den niedrigen oder gar negativen Zinsen. Anleger, die Rendite suchen, kommen an Aktien fast nicht vorbei. 

Konjunktur erholt sich erst im kommenden Jahr
Wie rasch Investoren ihre Meinung ändern, zeigt sich auch am Goldpreis, der im November unter Druck geriet. Aus Diversifikationsüberlegungen und um ein Portfolio vor möglicher Inflation zu schützen, halten wir an unserem Übergewicht in Gold fest. Dasselbe gilt für Immobilienanlagen. Sie bieten im aktuellen Niedrigzins-Umfeld eine gute Alternative zu Anleihen und erwirtschaften eine stabile Rendite. Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage und den günstigen Finanzierungsmöglichkeiten ist auch bei den Preisen kein Einbruch zu erwarten.

Bis sich konjunkturell aber tatsächlich wieder eine gewisse Normalität einstellt, dürfte es noch etwas dauern. Um die Bevölkerung breitflächig zu impfen, dauert es wohl bis ins erste Halbjahr. Zudem befinden sich in Europa verschiedene Volkswirtschaften noch in einem vollständigen oder teilweisen Lockdown. Das belastet die konjunkturelle Erholung, die sich seit dem Sommer eingestellt hatte. Im vierten Quartal dürfte sich die Wirtschaft deshalb bescheiden entwickeln oder erneut schrumpfen. Die Börsen haben dieses Kapitel jedoch bereits abgehakt und blicken nach vorne. Auch das laufende Weihnachtsgeschäft versprüht einen gewissen Optimismus: Aufgrund der erhöhten Sparquote der vergangenen Monate ist Geld vorhanden. Wird es jetzt ausgegeben, würde dies helfen, die Wirtschaft anzukurbeln.  

Marcel Crameri
Leiter Anlageberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen