Kulturelle Eigenheiten – Darauf müssen Anleger in Asien achten

Aberglaube in China, starke Nerven in Indien, Trittsicherheit in Japan: Will man in Asien investieren, muss man auch Geschichte und Kultur der jeweiligen Länder kennen. Das sagte der Asien-Experte Urs Schoettli am Raiffeisen-Forum Zürich.

Asien gewinnt wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Viele Finanzexperten schauen gebannt Richtung Osten. Welche Märkte bieten interessante Anlagemöglichkeiten? Wo lauern Risiken, wo bieten sich Chancen? Urs Schoettli, Asien-Experte und langjähriger Korrespondent der NZZ, sagt: «Asiens Finanzmärkte sind sicherer als früher. Aber: Sie sind nach wie vor volatil und es gibt grosse Unterschiede in den Entwicklungsstufen.» So seien zum Beispiel die Märkte in Singapur und Hongkong sehr weit fortgeschritten und auch Indien sei auf gutem Weg.

Bei global ausgerichteten Portfolios spielen Anlagen in Asien eine wichtige Rolle. Um auf diesen Märkten erfolgreich zu sein, reiche es aber nicht, nur die Wirtschaftsdaten zu analysieren. «Man muss die Besonderheiten der jeweiligen Länder kennen», betont Schoettli. «Kulturelle und soziale Rahmenbedingungen und Traditionen sind zentrale Kriterien für eine kompetente Beurteilung der Risiken und Chancen.» 

 

Urs Schoettli lebt je ein Drittel des Jahres in Indien, China und Japan. Zwischen 1983 und 2012 war er, mit Unterbruch, Asienkorrespondent der NZZ. Seit 2012 ist Herr Schoettli unabhängiger Asienberater und hat mehrere Bücher zu den sozio-ökonomischen Entwicklungen in Indien, China, Japan und Südostasien veröffentlicht. 

Aberglaube in China

Asien ist bei weitem der vielfältigste Kontinent der Erde und jeder der verschiedenen Kulturräume hat eine eigenständige Identität. Das zeigte Schoettli am Beispiel Chinas: Dort sei ein mit Zahlen verbundener Aberglaube sowie eine Faszination für Glücksspiel weit verbreitet. Die Zahl Acht etwa steht für Gelingen, Wohlstand und Macht. Diese Zahlenmystik führe immer wieder zu hohen Schwankungen an den chinesischen Börsen. Es sei also nicht ungerechtfertigt, wenn ausländische Beobachter diese mit einem Kasino vergleichen würden, sagt Schoettli.

Das chinesische System sei zudem schwer zu durchschauen. Diese mangelnde Transparenz, auch des Finanzsektors, sei eine weitere Gefahr für ausländische Anleger: «Sie schwebt wie eine dunkle Wolke über dem chinesischen Markt.» 

 

Nur Verlierer im Handelsstreit zwischen USA und China

Verstärkt werden diese kulturellen Risiken derzeit durch das politische Geschehen. Investoren verfolgen besorgt die Entwicklung des Handelsstreits zwischen China und den USA. «Zurzeit ist man in Washington der Meinung, dass man den Chinesen zeigen muss, wer der Meister ist. Das birgt grosses Eskalationspotenzial», warnt Schoettli. «Im Endeffekt werden beide Seiten verlieren: nicht nur China, sondern auch die amerikanischen Konsumenten und die Industrie.»

Trotz all dieser Gefahren sieht der Experte in China aber auch Chancen: In einem Land mit einer so hochpragmatischen, ambitionierten und talentierten Bevölkerung seien die Auftriebskräfte naturgemäss sehr stark. Sein Fazit ist dennoch eher negativ: «Bei allem Respekt für die tiefgreifende Modernisierung Chinas ­– es ist grosse Aufmerksamkeit für strukturelle und politische Hindernisse geboten, denn Finanzmärkte reagieren auf Ungewissheiten besonders sensibel.»

 

Abgeschottetes Japan

Ähnlich ambivalent wie China beurteilt der Experte Japan. «Es gibt bei Finanzexperten eine Tendenz, Japan entweder hochzujubeln oder abzuschreiben», sagt Schoettli. Beides sei nicht nötig. Auf der negativen Seite stehe die Abgeschlossenheit: «Als Ausländer in Japan Fuss zu fassen, ist schwierig.»

Er glaube aber, dass Ministerpräsident Shinzō Abe das Land künftig etwas öffnen werde. Für Anleger sei Japan hochinteressant: Innovativ in Technik, Industrie und Dienstleistungen sowie sozial ausserordentlich stabil mit einem starken nationalen Zusammenhalt. 

 

Gute Chancen in Indien

Der Kolonialismus brachte Indien neben der englischen Sprache auch ein für Europäer verständliches Justizwesen sowie das Prinzip der Privatwirtschaft. Dennoch sagt Schoettli: «Indien ist wegen seiner Komplexität kein einfaches Pflaster – man braucht hier starke Nerven.» Staatssektor und Bürokratie hätten einen tiefen Standard und das Rechtssystem sei zwar transparent, aber ineffizient.

Für Investoren ist das Schwellenland trotzdem interessant. Denn es gebe «Inseln der ersten Welt». Spitzenplayer in der Privatwirtschaft stünden jenen in den westlichen Staaten um nichts nach. Wer sich also die Mühe mache, jene Firmen zu bestimmen, die mit den bei uns üblichen Kriterien von Transparenz agieren, könne mit hohen Erträgen rechnen.  

Potential: Asiens neue Mittelschicht

Der intra-asiatische Austausch von Gütern und Investitionen steigt. «Es gilt zu beobachten, welche Firmen davon profitieren.» Weiter sei es wichtig zu erkennen, welche Ziele die neue Mittelschicht verfolge.

Auch Geldanlagen in Singapur und Hongkong könne man erwägen. Wobei man bei Singapur bedenken müsse, dass Verwerfungen an den Aktienmärkten der Nachbarn Malaysia und Indonesien auch den kleinen Stadtstaat belasten können. «Auf Hongkong hingegen könnte das Geschehen in Festlandchina Auswirkungen haben.» Aktuell sieht Schoettli die Erfolgschancen in Indien am grössten – sofern die Regierung von Premierminister Narendra Modi im Amt bestätigt wird. 

 

 

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