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03.12.2020

Schweizer Wirtschaft 2021: Mehr Hoffen als Bangen

  • Raiffeisen rechnet 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent
  • Haushaltsdefizit dürfte bei verkraftbaren 3,7 Prozent liegen
  • Pharmabranche und Grosshandel wirken als Stabilisatoren
  • Zinserhöhung wird ausgeschlossen, Euro-Kurs bleibt unter 1,10 Franken

St.Gallen, 3. Dezember 2020. Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2021 wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden. Das prognostizierte Wachstum von 2,8 Prozent wird aber nicht ausreichen, den im laufenden Jahr erlittenen Rückschlag vollends wettzumachen. Auch kommendes Jahr hängt gemäss Prognosen von Raiffeisen Schweiz die Prosperität der Schweizer Wirtschaft von der Entwicklung rund um COVID-19 ab. Viele Hoffnungen beruhen auf den erfolgsversprechenden Impfstoffkandidaten, die nach rekordverdächtiger Entwicklungszeit kurz vor der Marktreife stehen.

Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, rechnet auch im kommenden Jahr 2021 mit einer unsteten Konjunkturentwicklung. Trotz vieler Unabwägbarkeiten überwiegen die Chancen aber die Risiken. Coronabedingte Rückschläge lassen sich dennoch nicht völlig ausschliessen. Die Prognoseunsicherheit bleibt daher ähnlich hoch wie sie es während des ganzen Jahres 2020 war. «Bis zur endgültigen Überwindung der Pandemie halten massive Konjunkturspritzen und die geldpolitische Rückendeckung die Wirtschaft über Wasser», sagt Martin Neff.

Raiffeisen prognostiziert unter diesen Prämissen für 2021 ein Wachstum der Schweizer Wirtschaft von 2,8 Prozent. Sämtliche verwendungsseitigen Komponenten – wie beispielsweise Konsum, Investitionen, Exporte und Importe – des Bruttoinlandproduktes (BIP) werden wieder in den positiven Bereich drehen. Mit Ausnahme des Staatskonsums wird aber keine dieser Komponenten bereits 2021 an das Vorkrisenniveau anknüpfen können. Die Arbeitslosigkeit wird in diesem Umfeld noch leicht zulegen. Raiffeisen rechnet im Jahresmittel 2021 mit einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent. «Insgesamt dürfte die Schweizer Wirtschaft damit vergleichsweise glimpflich durch die Krise kommen. Dies hat auch mit schweizerischen Eigenheiten zu tun», führt Martin Neff aus.

 

Helvetische Eigenheiten wirken stabilisierend

Neben den COVID-19 Krediten halfen der Schweiz auch gewisse Eigenheiten, 2020 wirtschaftlich besser zu überstehen als andere Industrieländer. Namentlich verhinderte der hohe Wertschöpfungsanteil der Pharmabranche, dass der negative Wachstumsbeitrag des verarbeitenden Gewerbes nicht noch höher ausfiel. Im Grosshandel, der gut 10 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung beiträgt, wirkte der Transithandel stabilisierend. Die Schweiz ist bekanntlich ein wichtiger Player im internationalen Handel mit Rohstoffen und anderen Gütern.

Nicht zuletzt verfügte der Staat zudem über die nötigen finanziellen Mittel für rasche Hilfsmassnahmen. Dies dank der Tatsache, dass die Schweiz im Gegensatz zu fast allen Ländern der Welt in den letzten 20 Jahren den Staatshaushalt konsolidiert hat. Bei einer Schuldenquote von deutlich unter 50 Prozent des BIP ist das voraussichtliche öffentliche Defizit von 3,7 Prozent im laufenden Jahr verkraftbar. Bedenklich sieht dagegen die Lage der öffentlichen Haushalte im Ausland aus. Dort bewegt sich die Verschuldung mit Werten von über 100 Prozent des BIP auf Werten wie nach dem ersten Weltkrieg.

In Ländern, in denen die Verschuldungsquote eher tief liegt, in China und Schwellen- oder Entwicklungsländern, steigt die Neuverschuldung ebenso markant an. «Dies allein ist schon ein triftiger Grund dafür, den Begriff der Zinswende allmählich aus unserem Vokabular zu streichen», hielt der Raiffeisen-Chefökonom fest.

 

Zinsen zementiert, Wechselkurs entspannt

Hinzu kommt, dass Corona das Tiefzinsumfeld weiter zementiert hat. Der geldpolitische Stimulus wird daher wohl noch länger anhalten. Eine Zinserhöhung 2021 schliesst Martin Neff deshalb aus. Auch am langen Ende der Zinskurve dürften die Vorzeichen weiter negativ bleiben. Die jüngste Entspannung an der Währungsfront ist vornehmlich der Impf-Euphorie der Märkte geschuldet. Sie hat den Risikoappetit der Investoren wieder ansteigen lassen, was die Frankenstärke etwas milderte. Auch die Schweizerische Nationalbank SNB konnte deshalb zuletzt etwas aufatmen, wird aber den Wechselkurs weiterhin im Auge behalten müssen. Gemäss Raiffeisen wird der Franken seine Stärke erhalten. Gegenüber dem Euro prognostizieren die Ökonomen von Raiffeisen einen Kurs von 1.09 EUR/CHF in zwölf Monaten, den US-Dollar sehen sie zu diesem Zeitpunkt bei 0.90 USD/CHF. Das entspricht lediglich einer leichten Entspannung an der Währungsfront.

 

KMU offenbar stärker betroffen

Der Blick auf die Gesamtwirtschaft blendet allerdings aus, dass vor allem in der Schweiz viele KMU 2020 als Schreckensjahr in Erinnerung behalten werden. Sowohl von der ersten als auch von der aktuell zweiten Welle wurden sie überdurchschnittlich in Mitleidenschaft gezogen. Der Raiffeisen KMU-PMI notierte schon mehrmals im laufenden Jahr 2020 gut 10 Punkte unter dem procure.ch PMI, der auch grössere Firmen und nicht nur KMU abdeckt. Aktuell ist dies erneut der Fall. Der Geschäftsgang vieler KMU gleicht folglich noch immer einer veritablen Berg- und Talfahrt. Die fehlende Planungssicherheit ist nach wie vor das grösste Problem.

 

Immobilienmarkt stabil

Dem Schweizer Immobilienmarkt konnte die Krise bisher faktisch nichts anhaben. Im Wohneigentumsmarkt bleibt die Angebotsknappheit der Treiber für weiter steigende Preise. Der Renditespread und der Anlagenotstand sorgen für eine rege Nachfrage nach Renditeliegenschaften. Im Wohnungsmarkt insgesamt scheint Corona die Marktaktivität eher noch weiter anzuregen. Offenbar überdenken etliche Haushalte nach ungewöhnlich langer, zu Hause verbrachter Zeit ihre momentane Wohnsituation und orten Optimierungspotenzial, indem sie sich neu ausrichten. Dass Corona den Markt für Dienstleistungsflächen in naher Zukunft negativ beeinträchtigt, schliessen die Raiffeisen-Ökonomen aus. Auf lange Sicht hingegen muss sich die Immobilienwirtschaft mit den Themen Homeoffice und Retailflächen auseinander setzen. Der gebeutelte stationäre Detailhandel ist längst nicht mehr zwingend der beste Kunde der Immobilienbranche.