Familientandem

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Jeder Neuanfang in einem fremden Land ist schwierig. Soziale Kontakte, Sprache und Informationen zum täglichen Leben sind wichtig, um in der neuen Heimat anzukommen. Hier möchte das Projekt «Familientandem» niederschwellige Unterstützung bieten. Seit rund zwei Jahren treffen sich im Rahmen des Projekts migrierte und ansässige Familien regelmässig. Die Familien gehen zum Beispiel spazieren, besuchen ein kinderfreundliches Angebot oder kochen ein gemeinsames Abendessen. Mittlerweile konnten durch das Projekt bereits 28 Familien aus Seebach, Altstetten und Schlieren vernetzt werden.
 

Drei Familien erzählen

Drei Familien haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt, so auch Amira (Name geändert). Sie kommt aus Afghanistan und lebt mit ihrem Mann und Sohn in Schlieren. Amira hatte zwar Bekanntschaften mit afghanischen Frauen, fühlte sich aber isoliert und wünschte sich den Kontakt zu einer Familie aus der Schweiz. «Ich war immer auf mein Zuhause konzentriert und es war für mich sehr wichtig zu erfahren, was draussen passiert. Ich wollte leben, Spass haben, die Freizeit geniessen und Lösungen für meine Probleme finden. Ich wollte auch, dass mein Kind Kontakt hat mit anderen Kindern und von ihnen lernen kann.»

Seit November trifft sie mit ihrem Sohn regelmässig Charlotte und deren Tochter. Charlotte war gleich fasziniert von der Idee des Projekts. Sie interessiert sich für verschiedene Kulturen und hat schon länger darüber nachgedacht, sich freiwillig zu engagieren. Das Familientandem bietet ihr diese Möglichkeit: «Da die Treffen tagsüber stattfinden und die Kinder dabei sind, kann ich dieses Engagement nun unkompliziert in meinen Alltag integrieren.» Vom Familientandem wünscht sie sich «einen Einblick in eine andere Kultur aus dem Blickwinkel des Familienlebens.»

Häufig treffen sich die beiden Familien auf dem Spielplatz, gehen spazieren oder ins Hallenbad. Für Amira war das schönste Treffen aber das gemeinsame Kochen eines afghanischen Gerichtes. Auch die Kinder verstehen sich gut, wie uns Charlotte erzählt: «Schlussendlich gibt es in allen Kulturen die gleichen Herausforderungen, wenn ein Kind in das Leben tritt. Wie wird man dem Kind gerecht und bleibt sich selbst treu? Wie klappt die Beziehung zum Partner oder zu der Partnerin? Diese Fragen verbinden Eltern über die Kulturkreise hinweg.»

Genau diese Fragen sind es, die Amira stark beschäftigen. Seit sie sich mir Charlotte trifft, habe sich Einiges verändert in ihrem Leben: «Seit ich Charlotte treffe, kann ich beobachten, wie sie mit den Kindern spielt, redet und zuhört. Davon kann ich viel lernen, und das ist sehr wichtig für mich. Ich hatte immer so viele Fragen dazu, wie Familien hier leben und ihren Alltag mit den Kindern meistern. Über das Familientandem habe ich jetzt die Möglichkeit, offen Fragen zu stellen und einfach zu beobachten. Ich sehe auch, wenn sie das kann, dann kann ich das auch. Es hat sich viel verändert durch diese Treffen mit der Tandemfamilie."

 

Gemeinsamkeiten verbinden

Das Projekt bietet aber auch den freiwilligen Familien lehrreiche Erfahrungen. Antonella aus Altstetten trifft sich mit ihrer Familie seit einigen Monaten mit einer Familie aus Indien. Antonella hat italienische Wurzeln und weiss selbst, wie es sich anfühlt, in einer anderen Kultur mit einer anderen Sprache zu leben. Sie hat beobachtet, dass sich sprachliche oder kulturelle Barrieren am besten überwinden lassen, wenn Gemeinsamkeiten gesucht werden. So kochen die beiden Familien zum Beispiel gerne zusammen und lernen dabei indische und italienische Gerichte kennen.

Charlotte und Antonella sind sich einig, dass ihre Mitwirkung beim Familientandem auch für ihre Kinder eine wertvolle Erfahrung ist. «Als Vorbild ist es mir ein Anliegen, meinen Kindern zu zeigen, dass wir den Menschen mit Neugier und Respekt begegnen.»

 

Bereichernder Austausch für die Teilnehmenden

Für die Qualität des Projekts ist eine sorgfältige Begleitung der Tandems durch den VSJF sehr wichtig. Damit die Teilnehmenden ihr Wissen rund um die Themen Migration, Flucht und transkulturelle Kompetenzen laufend erweitern können, bieten wir regelmässig Weiterbildungen an. Auch der Austausch zwischen den Tandems ist uns sehr wichtig. Deswegen freuen wir uns schon sehr auf das erste grosse Tandemfest für alle teilnehmenden Familien im Oktober.