Krisenbewältigung durch Produktinnovation

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Für die Firma Richnerstutz bedeutete die Pandemie: fast leere Auftragsbücher. Mit einem neuen Produkt verhinderte der Werbe-, Event- und Messespezialist massive Umsatzeinbussen. Erfahren Sie hier, wie sich das Unternehmen damit durch die Krise gerettet hat und welche Chancen für die Zukunft sich dadurch eröffnen.

 

Komplett leere Auftragsbücher

«Wir sind so gut ins Jahr gestartet», erinnert sich Co-CEO André Stutz. «Januar und Februar 2020 waren die wohl besten Monate unserer Unternehmensgeschichte.» Im März 2020 dann der Schlag: Wegen der Corona-Pandemie wurden europaweit alle Veranstaltungen abgesagt. Für Richnerstutz, Spezialist für Werbetechnik, Event-, Messe- und Ladenbau, hiess das zumindest für den Veranstaltungsbereich: komplett leere Auftragsbücher. «Der Umsatz lag mehr als 50 Prozent unter dem Budget. Messen und Events fanden überhaupt keine mehr statt, zudem waren unsere Kunden wegen der herrschenden Unsicherheit auch in praktisch jedem anderen Bereich ziemlich zurückhaltend mit Aufträgen», erklärt Co-CEO André Richner.

 

Die Massnahmen gegen die Krise

Im ersten Moment fühlten sich die beiden Unternehmer, als hätte man ihnen die Zügel aus der Hand genommen. Diese «Schockstarre», wie André Stutz es nennt, überwanden sie allerdings aussergewöhnlich schnell. Innert kürzester Zeit setzte das Schweizer Unternehmen drei Massnahmen um, um der Corona-Krise entgegenzuwirken:

 

1. Entwicklung eines komplett neuen Produkts

Zusammen mit der IT-Tochterfima Netvico entwickelte Richnerstutz CountMe – das Zählsystem, das an vielen Supermarkt-Eingängen die Personenströme überwacht und dafür sorgt, dass sich nicht zu viele Leute in einem Laden aufhalten.

«Der Chef unserer Digitalabteilung schrieb uns in den ersten Tagen nach dem Lockdown spätnachts eine Mail und bat um eine Sitzung», erzählt André Richner. «Als wir am nächsten Morgen zusammensassen, berichtete er, dass bei den Grossverteilern von Hand gezählt werde, wie viele Kunden sich im Laden aufhalten.» Sie waren sich einig, dass es dafür eine zeitgemässe technische Lösung geben müsse. Übers Wochenende entwickelten die verschiedenen Abteilungen von Richnerstutz den Prototyp eines digitalen Zählsystems für Personenströme.

Einen wichtigen Grundstein für das Projekt legte Richnerstutz – unbewusst – bereits zwei Jahre zuvor. Die Unternehmensgruppe übernahm 2018 die deutsche Softwarefirma Netvico. Von deren IT-Expertise profitierte Richnerstutz nun. Mittlerweile überwachen die Geräte insgesamt 5000 Geschäfte. Die Umsatzeinbussen 2020 reduzierte Richnerstutz dank CountMe auf etwa 20 Prozent gegenüber Budget.

Dass sich das neue System so rasch durchsetzte, ist auch einem Zufall zu verdanken, wie André Richner erzählt: «Der Chef eines Migros-Spin-offs besuchte unseren Firmensitz – in einem anderen Zusammenhang zwar, aber wir stellten ihm CountMe vor.» Das Konzept kam an, und noch in der gleichen Woche wurden die ersten Migros-Filialen ausgerüstet. Es folgten zahllose Anfragen aus der Schweiz und ganz Europa. Das freute die Firmenchefs zwar, brachte aber auch viele Fragen mit sich. André Stutz: «Wir haben gemerkt, dass wir da in etwas reingeraten waren, das Zukunft haben könnte. Das zwang uns aber auch zu Entscheidungen: Wie viel können und wollen wir investieren, um die Idee voranzubringen?» Denn wie ganz viele Schweizer Unternehmen kämpfte auch Richnerstutz mit Liquiditätssorgen.

 

2. Kurzarbeit und Personalmassnahmen

Daneben hat das Unternehmen aber auch an den bestehenden Kosten und Strukturen gearbeitet, um sich mehr Handlungsspielraum zu schaffen. Das heisst beispielsweise, dass Richnerstutz sofort Kurzarbeit anmeldete. Als sich keine rasche Besserung der Situation abzeichnete, wurden auch Entlassungen unumgänglich.

 

3. Umschulung von Mitarbeitenden

Richnerstutz legte aber alles daran, so viele ihrer Leute wie möglich weiterzubeschäftigen. «Wir konnten viele Mitarbeitende, die bisher beispielsweise im Messebau tätig waren, umschulen und beim Bau der CountMe-Stellen einsetzen», berichtet André Richner. Sowieso sehen die beiden Co-CEOs in ihren Mitarbeitenden einen der Hauptgründe für das erfolgreiche Navigieren durch die Corona-Krise. «Uns war wichtig, dass alle mit an Bord sind. Wir haben von Anfang an transparent informiert, einen positiven Spirit vorgelebt und im Gegenzug enorm viel Engagement und Dankbarkeit von unseren Mitarbeitenden zurückerhalten», sagt André Stutz.

 

Ein Projekt mit Zukunft

André Richner und André Stutz sind überzeugt, dass das Projekt CountMe nicht eine kurzfristige Massnahme ist, sondern der Beginn einer neuen, zukunftsträchtigen Entwicklung. Im Event- und Messebereich würden so oder so neue Zeiten anbrechen, wie André Richner erklärt: «Das Bedürfnis der Menschen, sich persönlich zu treffen, ist nicht einfach weg. Wenn Veranstaltungen weiterhin physisch stattfinden sollen, braucht es Sicherheitsvorkehrungen. Das Zählen von Besucherströmen ist eine davon.» Mit Investitionen in digitale Technologien im Allgemeinen und in CountMe im Besonderen hat sich Richnerstutz hier in die Poleposition gebracht.

Auch im Retail-Bereich sehen die CEOs noch weiteres Potenzial für ihre Neuentwicklung. André Richner: «Bislang messen die Geschäfte einfach, wie viele Menschen sich im Laden aufhalten. Mit unserer Technologie kann man aber auch aufzeichnen, an welchem Wochentag, zu welcher Uhrzeit die Frequenzen generell am höchsten sind oder wie lange sich die Kunden im Laden aufhalten – und dann mit Marketingmassnahmen oder Personalplanung darauf reagieren.» In diese neue Richtung hätte sich das Geschäftsfeld von Richnerstutz langfristig vielleicht ohnehin entwickelt. Für André Stutz steht aber fest: «Die Pandemie hat unsere digitale Transformation extrem gepusht.»

 

Mit fünf Tipps erfolgreich durch die Krise

Die Krise meistert man nicht nur mit Massnahmen, sondern auch mit einem passenden Mindset. Hier lesen Sie, mit welcher Haltung die Unternehmer die schwierige Situation angegangen sind, was sie aus der Krise gelernt haben und welche Tipps sie anderen Unternehmern geben.

  1. Den Blickwinkel ändern
    Es bringt nichts, gegen die Krise anzukämpfen. Besser man sucht im eigenen Betrieb nach Kompetenzen, die sich in der Krise nutzen lassen.
  2. Das eigene Beziehungsnetz spielen lassen
    Es kann sich lohnen, auch bei neuen Projekten auf bewährte Seilschaften zu setzen.
  3. Trotzdem über den Tellerrand hinausschauen
    «Das haben wir schon immer so gemacht» zählt nicht mehr. In der Krise gilt es, neuen Ideen eine Chance geben.
  4. Mutig sein
    Wer nicht von sich und seiner Idee überzeugt ist, kommt nicht weit. Man muss an die eigenen Stärken glauben.
  5. In die Mitarbeitenden vertrauen
    Ohne das Team steht der Unternehmer schnell im Abseits. Gerade während der Krise ist es unerlässlich, auf die Mitarbeitenden zu hören, sich um sie zu kümmern und das «Miteinander» betonen.
Richnerstutz, Spezialistin für Werbetechnik, Event-, Messe- und Ladenbau
Richnerstutz, Spezialistin für Werbetechnik, Event-, Messe- und Ladenbau

Richnerstutz wurde 2005 in Villmergen im Kanton Aargau gegründet. Die Firma mit 140 Mitarbeitenden entwickelt und produziert verschiedene Formen dreidimensionaler Kommunikation. Dazu gehören Werbetechnik, temporäre Architektur und Zeltbau, Event-, Messe- und Ladenbau, Aussenwerbung, Digital Signage und so vieles mehr. Zur Richnerstutz-Unternehmensgruppe gehören der Event- und Zeltspezialist India Zelt & Event AG, der Werbemittelspezialist Movingposter AG und die Softwarefirma Netvico GmbH.