Das beste Einfamilienhaus 2022 – Siegerprojekte

Der Architekturpreis «Das beste Einfamilienhaus 2022» liefert Inspirationen und Anschauungsbeispiele rund um die hochwertige Schweizer Baukultur. Wir stellen die Sieger und die weiteren nominierten Projekte vor.

Aus den 32 eingereichten Objekten für den Architekturpreis «Das beste Einfamilienhaus», der alle zwei Jahre von der Zeitschrift Das Ideale Heim ausgeschrieben wird, wurden jene ausgewählt, die das Potenzial des jeweiligen Ortes erkannt und Räume mit einer hohen Wohnlichkeit erschaffen haben. Räume, die nicht nur für die jetzige Nutzung bestimmt sind, sondern auch flexibel umgenutzt werden können.

Jurypreis: Einfamilienhaus «Jura libre» (Architekturbüro Yvonne Rütsche, Basel)

Das Haus, in der Typologie der Scheune gestaltet, richtet sich konsequent auf den dörflichen Kontext dieser strukturschwachen Region aus und wurde mit Unterstützung der Gemeinde erworben. Langfristig gedachte Nutzungsflexibilität ist ein zentrales Anliegen, und dabei soll das Gebäude nachhaltig als Wohnhaus, Ferienwohnung oder Seminarhaus genutzt werden. Ein grosser Wohnraum mit Blick bis unters Dach und hinaus in die Umgebung bildet das Herzstück. Dieser kontrastiert mit den eher kleinen Massen der Schlafzimmer und den zwei Bädern sowie mit dem Entree und der gefassten Küche. Die Galerie ist ebenfalls vielseitig bespielbar, zum Beispiel als Matratzenlager, Gymnastikraum oder Arbeitsfläche. Das Projekt hat sich bereits während der Bauphase als Katalysator für die Region verstanden und wurde ausschliesslich mit Handwerkern aus der nahen Umgebung gebaut.

 

 

Der Jurybericht der Jurypräsidentin Barbara Holzer

Das Projekt «Jura Libre» in der Gemeinde Lajoux positioniert sich mit einem konzeptionell eigenständigen, multifunktionalen Wohngebäude, das individuelle Lebensformen mit den komplexen Anforderungen im konkreten Kontext der strukturschwachen Region kongenial verknüpft. Durch die offen gestaltete Nutzungsvielfalt, die Atelier-, Veranstaltungs-, Ausstellungs- oder Wohnräumlichkeiten für grössere Gruppen bereitstellt, ohne dass die bauliche Substanz verändert werden muss, bietet das Projekt der Architektin Yvonne Rösch-Rütsche einen unschätzbaren Mehrwert – nicht zuletzt zur Aktivierung – für Gemeinde und Region. Zudem überzeugt das Projekt durch seine Haltung, ein Bauwerk als kollektives Werk zu verstehen und dabei regionale Gewerke einzubeziehen.

Fotos & Architekten: Architekturbüro Yvonne Rütsche

Publikumspreis: Ersatzneubau am Lago Maggiore (Armando Ruinelli Architetti, Soglio GR)

Das Projekt befasst sich mit dem Thema der Baulücke, und so entstand zwischen zwei bestehenden Gebäuden ein Ersatzneubau für ein Paar. Die Seeseite ist im Erdgeschoss mit kleinen Fenstern neu gestaltet, die den vorher vorhandenen Fenstern ähnlich sind. In den oberen Etagen befinden sich breitere, frei angeordnete Öffnungen. Das Steindach und die Mauern greifen die ursprünglich vorhandenen Bauarten wieder auf. Die Steinwände im Innern sind gemauert, der neue Treppen-Kamin-Block besteht aus selbstverdichtendem Beton und weitere Elemente aus Kastanienholz. Die Fenster und Türen sind aus Stahl. Das Niveau des Erdgeschosses befindet sich unter dem des Hofes und manchmal steigt der See bis auf diese Höhe an. Deshalb ist der Fussboden aus Beton und die Möbel der Küche aus Naturblech, die bodenfrei befestigt sind.

 

Fotos: Marcello Mariana

Architekten: Armando Ruinelli Architetti

 

Die weiteren nominierten Projekte

Wohnen im Garten (Althaus Architekten+, Bern)

Der Anbau ergänzt das bestehende Einfamilienhaus zum Mehrgenerationenhaus. Der nach Nordwesten stark abfallende Garten wird durch den Neubau in zwei voneinander unabhängige Bereiche geteilt. Das so entstandene Gartenzimmer auf dem unteren Garteniveau rückt in den Mittelpunkt, vor allem in den wärmeren Jahreszeiten. Die Übergänge von Wohn- und Gartenzimmer sind fliessend. Beim Schlafbereich hingegen schiebt sich das lange Holzregal zwischen Raum und Garten, wird hier zum Fenster mit bespielbarer Tiefe und schafft zusätzlich Privatsphäre. Es ist dieses von beiden Seiten bespielbare Regal, das die beiden Bereiche durch die schmale Bibliothek räumlich trennt, sie aber gleichzeitig miteinander verbindet. Das an den rohen Baustoffen reflektierte Sonnenlicht erzeugt in den Räumen eine wohnliche Wärme.

 

Fotos: Alexander Gempeler

Architekten: Althaus Architekten+

 

The Permanent Weekendhouse (Comte/Meuwly Architectes, Genf und Zürich)

Das üppig bewachsene Grundstück liegt in einem sehr heterogen strukturierten Quartier am Stadtrand von Genf. Mitten auf diesem langen und schmalen Grundstück steht ein altes, als Ferienhaus genutztes Chalet aus dem Jahr 1910. Dieses wurde nun ergänzt mit einem länglich geformten Pavillon, in dem alle häuslichen Aktivitäten untergebracht sind. Die Fenster können vollständig geöffnet werden, damit eine Art überdachter Raum im Grünen entsteht. Das Ineinanderfliessen von Innen und Aussen wird durch die Abfolge von Glas- und Aluminiumflächen in der Fassade verstärkt, die den Neubau durch Transparenz und Reflexion mit dem Garten verschmelzen. Während die ursprüngliche Typologie des alten Chalets lange sonnige Nachmittage im Garten begünstigt, soll das neue Haus das ganze Jahr über das Leben im Grünen in Stadtnähe ermöglichen.

 

Fotos & Architekten: Comte/Meuwly Architectes

 

Haus à «La Place» (Deschenaux Follonier, Fribourg)

Das Haus mit Blick auf den Weiler La Place in Ayent, Wallis, ist stark mit dem Ort verwurzelt, indem es die Atmosphäre und die Materialisierung der traditionellen Scheunenarchitektur aufnimmt. Wie die Scheunen in der Umgebung steht das Gebäude mitten auf einer Wiese. Das Gras kann rund um das Haus wachsen, und das Vieh in aller Seelenruhe grasen. Das Erbe der örtlichen Nutzbauten setzt sich in der Gestaltung der Fassaden fort. Sie zeigen einen Sockel, einen Hauptkörper aus Beton und ein Holzdach, das an beiden Giebelseiten geöffnet ist. Von der Terrasse unter dem Dach ist der Blick in die Berge atemberaubend. Die Halbgeschosse schmiegen sich an die Topografie und verbinden im Innern die verschiedenen Räume. Die sich ergebenden Öffnungen passen sich genau den Bedürfnissen der Innenräume an.

 

Fotos: Rasmus Norlander

Architekten: Deschenaux Follonier

 

Nur-Dach-Haus für eine Familie (Gus Wüstemann Architects, Zürich)

In Buchberg haben die Architekten ein Einfamilienhaus auf selbstverständliche Weise in die Dorfstruktur gefügt. Auf den ersten Blick nimmt sich das Gebäude zurück und ordnet sich in die Typologie der Häuser aus Stein und Holz ein, auf den zweiten Blick treten die Besonderheiten des Entwurfs zutage. Die Dachtypologie des Dorfs wurde übernommen, und ähnlich einer Scheune entstand ein grosser, offener Raum. Das Pavillondach ist mit einfachsten Mitteln und rohen Materialien erstellt und wurde gemäss Grenzabstand gestutzt. Auf dem Sockelgeschoss mit Garage und Zahnarztpraxis steht ein Betonskelett als tragende Struktur. Darauf sitzt das vorfabrizierte Holzdach mit den vier Schlafzimmern. Die überraschende räumliche Vielfalt und die starke Geschichte des Dachs machen das Haus einzigartig.

 

Fotos: Bruno Helbling

Architekten: Gus Wüstemann Architects

 

Zwei Häuser auf dem Mont Vully (Jomini Zimmermann Architekten, Zürich)

Das Projekt besteht aus zwei Wohnhäusern am Südhang des Mont Vully oberhalb des Murtensees und verfügt über eine eindrückliche Aussicht über die Rebberge, auf den Murtensee und in die Alpen. Das Gebäudeduo gehört zu jenem oberhalb der Strasse, in einem ehemaligen Sandsteinbruch gelegenen Atelierhaus mit Restaurant. Über einen kleinen, gemeinsamen Hof gelangt man jeweils zu den Eingängen. Das Haus West entwickelt sich auf zwei und das Haus Ost auf einer Etage. Dieses verfügt zudem über zwei verschiedene Raumhöhen. Die Baukörper wurden mit ökologischen und ressourcenschonenden Materialien realisiert. Die Innenwände bestehen aus ungebrannten Lehmsteinen, die Stützen und Decken aus Fichtenholz und die Fassade aus einem Einsteinmauerwerk, das Innen mit Lehm- und aussen mit Kalkputz eingekleidet ist.

 

Fotos: Dominique Plüss

Architekten: Jomini Zimmermann Architekten

 

Holzhaus im Wald (Lionel Ballmer, Architecte, Haute-Nendaz VS)

Das kleine Holzhaus und die dazugehörige Werkstatt sind eingebettet in ein Waldstück, welches vor 50 Jahren von den Vorfahren der Besitzer des benachbarten Chalets gepflanzt wurde. Der Architekt hat das Haus direkt neben ein bestehendes Haus gebaut und verdichtet einerseits das Grundstück in Haute-Nendaz und teilt andererseits dieses in zwei Teile. Durch die Verschiebung des Grundrisses von Haus und Werkstatt entsteht zwischen den Baukörpern ein intimer Gartensitzplatz, der trotz der Nähe zum elterlichen Chalet und dem benachbarten Sommerlagergebäude von der übrigen Welt abgeschnitten ist. Der Monolith aus Holz, vollständig mit einer Verkleidung aus rauen Lärchenholzstreifen aus der Region verkleidet, fügt sich auf selbstverständliche Weise in die üppig grüne Umgebung.

 

Fotos: Julie Masson

Architekten: Lionel Ballmer, Architecte

 

Wohnhaus (Nickisch Walder Architekten, Flims GR)

Ein Haus, so kompakt wie ein Schiff: Auf kleinster Fläche sind zwei Wohnungen gestapelt, die unterschiedlich kombiniert werden können. Das mittlere Geschoss mit den Schlafkojen und einem Bad lässt sich der unteren oder der oberen Wohnung zuschlagen. Das dreigeschossige Gebäude kann auch von einer Partei allein oder als Mehrgenerationenhaus benutzt werden. Die hohe Flexibilität gründet auf einer ebenso reduzierten wie raffinierten Tragstruktur in Beton. Im Gegensatz zur Tragstruktur aus Sichtbeton bestehen die nicht tragenden Teile aus Holz. Zu diesen zählen neben den inneren Einteilungen auch die Gebäudehülle. Wie bei einem Uhrwerk greifen die Holz- und Betonteile präzise ineinander. Je nach Licht und Abstand sind die Unterschiede zwischen den Holz- und Betonoberflächen kaum erkennbar.

 

Fotos: Ralph Feiner

Architekten: Nickisch Walder Architekten

 

Ersatzneubau Ferienhaus (Oliver Christen Architekten, Baden AG)

Das präzise am Ort situierte Gebäude schmiegt sich an den Hangfuss des Aulinakopfs und befindet sich am Ausläufer einer Hochebene. Von einem der letzten Gebäude der Streusiedlung aus ist der Blick frei über den Walensee und auf die Churfirsten. Der Ersatzneubau mit 53 m2 Wohnfläche ist ähnlich einer Schatulle konzipiert und fügt sich unaufgeregt in die Landschaft ein. Das Haus erscheint im verlassenen Zustand geschlossen, und einzig die Festverglasungen im Obergeschoss sind sichtbar. Ist das Haus bewohnt, öffnet sich die Fassade durch vorstehende Faltläden, und Blickbezüge finden statt. Das Innere zeichnet sich durch einen präzise detaillierten und hochwertigen Innenausbau aus Birken-Sperrholz aus. Im Erdgeschoss befinden sich Schlafkojen, Nasszelle, Entree und eine Arbeitsnische. Herzstück ist das Obergeschoss mit einem grosszügigen Raum für Küche, Essen und Wohnen.

 

Fotos: Rasmus Norlander

Architekten: Oliver Christen Architekten