Nachgefragt beim Bundesamt für Energie – Energiestrategie 2050

In der Schweiz fallen rund 45% des Energieverbrauchs und ca. 30 % der klimaschädlichen CO2-Emissionen im Gebäudebereich an. Daher verwundert es nicht, dass die Gebäude bei den vom Bundesamt für Energie (BFE) ausgearbeiteten Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ganz oben auf der nationalen Agenda stehen. Erfahren Sie mehr über die Schwerpunkte und Vision des Bundesamtes für Energie (BFE) im Rahmen der Energiestrategie 2050.

Die Schweiz verfügt heute über eine sichere und kostengünstige Energieversorgung. Wirtschaftliche und technologische Entwicklungen sowie politische Entscheide im In- und Ausland führen derzeit jedoch zu grundlegenden Veränderungen der Energiemärkte. Um die Schweiz darauf vorzubereiten, hat der Bundesrat die «Energiestrategie 2050» entwickelt. Im Mai 2017 nahm das Stimmvolk das neue Energiegesetz mit 58.2% der Stimmen an; das Energiegesetz ist per 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Eine gute Gelegenheit, die Vision des Bundesamtes für Energie (BFE) im Rahmen der «Energiestrategie 2050» und den Gebäudepark Schweiz etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Lesen Sie im Interview, wie das BFE die Lage rund ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Energiegesetzes einschätzt, und wo noch Handlungsbedarf besteht.   

 

Energieexperte Daniel Büchel, BFE im Interview

 

In der Schweiz ist in den letzten Jahren öfters von Sanierungsstau die Rede gewesen. Wann würden Sie von einem Sanierungsstau sprechen?

Von Sanierungsstau kann man sprechen, wenn Bauteile und Anlagen weit über ihre eigentliche Lebensdauer (siehe Lebensdauertabelle) hinaus nicht erneuert oder immer wieder notdürftig repariert werden. Insbesondere bei Aussenwänden oder Heizungen ist dies besonders oft der Fall.

 

Den Angaben auf «Das Gebäudeprogramm» zufolge sind mehr als 1 Million Häuser nicht oder kaum gedämmt und damit energetisch dringend sanierungsbedürftig, drei Viertel der Gebäude werden heute noch immer fossil oder direkt elektrisch beheizt. Wie gross ist der Sanierungsstau in der Schweiz?

Der Sanierungsstau besteht insbesondere bei den opaken, d. h. nicht lichtdurchlässigen Bauteilen wie Dächer, Decken und Wände gegen aussen. Fenster und Dächer werden bereits heute vermehrt saniert, wobei sie energetisch nicht immer auf ein wünschbares Niveau gebracht werden. Auch ineffiziente Heizungen werden oft durch eine Teilreparatur, z. B. einem Brennerersatz, noch lange weiterbetrieben, anstatt rechtzeitig einen Ersatz durch erneuerbare Energien zu planen. Mit besserer Planung könnte vermieden werden, dass bei einem Ausfall nicht wieder – aus Zeitmangel – das gleiche System installiert wird. Leider werden hier viele Chancen vergeben. 

 

Die Nationalfondsstudie 2018 stellt fest, dass insbesondere Babyboomer in Häuser wohnten, die viel zu viel Energie verbrauchten. Wie sehen Sie dies?

Diese Generation erwarb zu einer Zeit Eigentum, als die energetischen Vorschriften erst langsam zu greifen begannen: So war der Baustandard Ende des letzten Jahrtausends noch nicht so weit, wie er es heute ist. Dies hat mit den Babyboomern direkt nichts zu tun. Auch Babyboomer hätten nachhaltiger gebaut, wenn der damalige Standard besser gewesen wäre. Es ist zudem verständlich, dass die heute älteren Personen dieser Generation den Aufwand einer Gebäudeerneuerung nicht mehr zwingend auf sich nehmen, bzw. dies der nächsten Generation überlassen wollen.

 

Gibt es neben ökologischen Überlegungen weitere Gründe, gegen den Sanierungsstau vorzugehen?

Ja, natürlich. Eine Gebäudesanierung ist immer auch eine Chance ein Gebäude neu zu erfinden, die Raumaufteilung zu modernisieren und dem Gebäude neuen Charme einzuhauchen. Es geht weiter ebenfalls um Werterhaltung und um das Schaffen von attraktivem Wohnraum. Eine Alternative bildet ein Ersatzneubau: Dieser ermöglicht es, neben der Optimierung des Gebäudes, das Grundstück besser auszunutzen. Einerseits wird die Rendite des Grundstückes klar optimiert und andererseits entspricht dies der Forderung nach verdichtetem Bauen.

 

Welches sind die aus Ihrer Sicht dringlichsten Schritte, die bei heutigen Sanierungen unternommen werden müssen?

Es ist wichtig, dass nicht mehr zeitgemässe Technologien wie etwa reine Elektroheizungen, fossile Heizungen oder Glühbirnen aus den Häusern verschwinden und durch neue, effizientere Technologien ersetzt werden. Wichtig ist, dass man rechtzeitig plant, damit nicht unter Zeitdruck Lösungen gesucht werden müssen. Der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK®) liefert die nötigen Grundlagen für eine umfassende und langfristig ausgerichtete Sanierungsstrategie.

Was ist der GEAK® Plus?

Der offizielle Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK®) dient seit 2009 schweizweit einheitlich zur energetischen Klassifizierung von Gebäuden. Der klassische Energieausweis umfasst eine vierseitige Ist-Analyse. Das Dokument gibt Ihnen Auskunft über den energetischen Ist-Zustand Ihres Gebäudes und informiert Sie zur Energieeffizienz in Bezug auf die Gebäudehülle, die Technik und die elektrischen Einrichtungen.

 

Ergänzend dazu gibt es das Angebot GEAK® Plus, welches einen Massnahmenkatalog mit konkreten Sanierungsvorschlägen enthält.

Seit 2013 arbeitet der Bund an der Energiestrategie 2050, und seit 1. Januar 2018 ist nun das neue Energiegesetz in Kraft. Wie beurteilen Sie die politischen Fortschritte im Bereich der energetischen Sanierungen in den letzten Jahren, sind wir auf Kurs?

Für den Gebäudebereich sind primär die Kantone verantwortlich. Dort beobachten wir, dass die Umsetzung der kantonalen Mustervorschriften (MuKEn 2014) mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, insbesondere wenn es darum geht, auch für bestehenden Bauten Vorschriften zu erlassen. Die Umsetzung der MuKEn 2014 ist aber ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele der Schweiz, da sie den Stand der Technik nachschreiben. Je schleppender die kantonale Gesetzgebung den Stand der Technik nachvollzieht, umso strikter werden dann wohl kommende Massnahmen ausfallen müssen, will man die Zielsetzungen erreichen.

Positiv stimmen uns die unzähligen Initiativen der Wirtschaft und von Privaten. Immer mehr Firmen und auch die Öffentliche Hand engagieren sich freiwillig für mehr Energieeffizienz und den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien.

 

Welche Massnahmen wurden seitens des Bundes und der Kantone getroffen um die nötigen Fortschritte im Bereich Energieeffizienz bis 2035 zu erreichen?

Da gibt es unzählige Beispiele: einerseits wurden und werden die Rahmenbedingungen stetig verbessert, u.a. mit Förderbeiträgen an energetische Gebäudemassnahmen (www.dasgebaeudeprogramm.ch), an die Produktion erneuerbarer Energien (Kostendeckende Einspeisevergütung, Einmalvergütung) sowie Stromeffizienzmassnahmen (Wettbewerbliche Ausschreibungen). Daneben werden im Rahmen des Programms EnergieSchweiz jährlich mehrere hundert Projekte in den Bereichen Gebäude, Gemeinden, erneuerbare Energien, Industrie, Gewerbe, Elektrogeräte, Mobilität etc. unterstützt.

Ausserdem besteht mit «Energie-Vorbild Bund» ein Programm, mit welchen der Bund sowie weitere bundesnahe Betriebe aufzeigen, dass sich Investitionen in energetische Massnahmen längerfristig auszahlen.

 

Wo sehen Sie die grössten Erfolge bisher in der Umsetzung der Energiestrategie 2050 im Bereich Energieeffizienz?

Das neue Energiegesetz ist erst seit Anfang 2018 in Kraft. Es bildet den bisher grössten Erfolg. Es muss sich zeigen, welche Wirkung die Massnahmen nun entfalten. Dies werden wir mit einem Monitoring verfolgen. Einspeisevergütung und das Gebäudeprogramm zeigen Erfolge. Weitere Schritte sind bereits geplant, u.a. mit der Revision des Stromversorgungsgesetzes.

 

 

Sind weitere Subventionen oder gesetzliche Erleichterungen (z.B. auch auf Seiten der Steuergesetze) geplant für die nähere Zukunft?

Mit der Inkraftsetzung des neuen Energiegesetzes auf den 1. Januar 2018 wurden u.a. das Gebäudeprogramm gestärkt, aber auch Anpassungen im Steuerrecht auf den 1. Januar 2020 vorgenommen.

Investitionen in energetische Gebäudesanierungen können bereits heute von den Einkommenssteuern abgezogen werden. Ab 2020 sind auch die Rückbaukosten für einen Ersatzneubau abzugsfähig. Weiter können sowohl diese, als auch die energetischen Investitionskosten, ab 2020 ebenfalls in den zwei nachfolgenden Steuerperioden abgezogen werden, wenn sie im Jahr, in dem sie angefallen sind, steuerlich nicht vollständig berücksichtigt werden können.

Es sind auf Bundesebene keine weiteren Subventionen oder gesetzliche Erleichterungen geplant.

Aber auch hier gilt: Für Massnahmen im Gebäudebereich sind vor allem die Kantone zuständig. Es kann sein, dass einzelne Kantone über zusätzliche Massnahmen verfügen oder diese planen. Es ist aus diesem Grund immer wichtig, dass sich die Hausbesitzer an die kantonale Energiefachstelle oder Energieberatungsstellen wenden. Diese kennen die Situation vor Ort am besten. Auf der Webseite www.energie-experten.ch kann gezielt nach Förderprogrammen gesucht werden.

 

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Die Hauptgründe für Investitionen in Photovoltaik, Wärmepumpen und auch Elektroautos sind Klimaschutz und der Wunsch nach Unabhängigkeit. Letzteres ist auch der wichtigste Treiber für die Anschaffung von Batteriespeichern. Befragt, welche Technologie sie zuerst anschaffen würden, ist die Reihenfolge klar: Solaranlage (über 80%), Wärmepumpe (70%), Elektroauto (knapp 30%) und Batteriespeicher (20%). 

Beinahe 90 Prozent der Hausbesitzerinnen und -besitzer, die an der Kombination verschiedener Energietechnologien (Photovoltaik, erneuerbare Heizsysteme, Elektromobilität und Speicherung) interessiert sind («early electrifiers»), geben zudem an, dass die meisten Menschen in ihrem Umfeld eine positive Einstellung zu diesen Technologien haben. Beim definitiven Kaufentscheid für eine Solaranlage bestimmt in drei von vier Fällen der Partner mit. 

  

Zur Person

Seit dem 1. April 2011 ist Daniel Büchel Vizedirektor des Bundesamtes für Energie BFE und Leiter der Abteilung Energieeffizienz und erneuerbare Energien. 

Zudem ist er als Programmleiter von EnergieSchweiz für die strategische Ausrichtung des Programms verantwortlich. Das Programm unterstützt freiwillige Massnahmen zur Erhöhung des Anteils erneuerbare Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz. 

 

Der Gebäudepark Schweiz in Schätzwerten

Der gesamte Wert des Gebäudeparks erreichte per 2015 CHF 2'500 Milliarden. Alleine die jährlichen Investitionen in Errichtung und Sanierung von Gebäuden betragen jährlich CHF 40 Milliarden, davon CHF 27 Milliarden für Neubauten und CHF 13 Milliarden für Sanierungen. 15% werden dabei von der öffentlichen Hand finanziert, 85% der Investitionen stammen aus privater Hand.

 

Der Gebäudepark verbraucht etwa 100 TWh oder rund 45% des Energiebedarfs der Schweiz. 75% von diesen 100 TWh entfallen auf die Heizung. Heizöl ist weiterhin der wichtigste Energieträger. Es stellt mehr als 50% der Energieversorgung des Gebäudeparks sicher, gefolgt von Erdgas. Die Energiestrategie 2050 sieht für den Schweizerischen Gebäudepark einen Verbrauch von 55 TWh im Jahr 2050 vor - dies entspricht einer Reduktion um knapp 50%!