

«Wir sind Europameister bei privaten Schulden»
März 2021: Anfang Jahr ist wieder etwas Bewegung in die geplante Abschaffung des Eigenmietwerts gekommen. Die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Ausgaben (WAK-S) hat die Beratung der Vorlage wieder aufgenommen.
Die WAK-S hat am 19. Januar 2021 der Bundesverwaltung den Auftrag erteilt, die Folgen der fünf Modelle zum Abzug der Schuldzinsen darzulegen. Pirmin Bischof ist Mitglied der 13-köpfigen WAK-S und ein Verfechter der Abschaffung des Eigenmietwerts. Der Solothurner CVP-Ständerat ist noch immer zuversichtlich und glaubt, dass die Chancen für den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung intakt sind. Lesen Sie im Interview, worauf seine Zuversicht begründet.
Eigenmietwert-Newsletter
Mit unserem Newsletter bleiben Sie jederzeit über die neusten Entwicklungen in Bundesbern zum Thema «Eigenmietwert» informiert.
Ständerat und Mitglied der WAK-S Pirmin Bischof im Interview
Interview: Pius Schärli
Hand aufs Herz, wie hoch schätzen Sie aktuell die Chancen auf Abschaffung des Eigenmietwerts?
Pirmin Bischof: Die Zuversicht ist bei mir noch nicht gewichen, die Chancen sind nach wie vor intakt. Wir sind uns aber bewusst, dass in den letzten 30 Jahren alle Anläufe gescheitert sind. Es war und ist ein schwieriges Projekt, keine Frage.
Wo stehen wir hinsichtlich Chancen beim Systemwechsel in der Skala 1 (chancenlos) bis 10 (sehr gute Chancen)?
Ich bleibe zuversichtlich, nenne 7.
Was stört Sie denn am Eigenmietwert?
Die private Verschuldung ist – im Gegensatz zur öffentlichen – im letzten Jahr noch einmal und in den letzten zehn Jahren stärker denn je gestiegen. Wir sind diesbezüglich Europameister. Das ist eine besorgniserregende Situation, findet auch die Finanzmarktaufsicht. Und für den einzelnen Hauseigentümer bedeutet dies, ein Einkommen zu versteuern, das er gar nicht hat. Ein Unding.
Was ist der Eigenmietwert?
Beim Eigenmietwert (eigentlich: «Mietwert für selbstgenutzte Liegenschaften»), einem Begriff aus dem Schweizer Steuerrecht, werden Miet- oder Pachteinnahmen angenommen, die theoretisch erzielt würden, würde die Immobilie statt selbst bewohnt extern vermietet oder verpachtet. Diese angenommenen Einnahmen unterliegen der Einkommenssteuer. Gleichzeitig können im Gegenzug Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten für Wohneigentum von den Steuern in Abzug gebracht werden.
Der Eigenmietwert beträgt etwa 60% bis 70% des Betrages, den ein Mieter für das betroffene Wohnobjekt als Miete bezahlen müsste. Zusätzliche Informationen erhalten Sie beim Gemeindesteueramt der jeweiligen Liegenschaftsgemeinde.
Wie könnte denn eine Lösung aussehen?
Trotz Verzögerungen wegen Covid-19 ist hinter den Kulissen in den letzten Monaten viel gelaufen. Wir müssen ein Paket schnüren, das für alle Beteiligten akzeptabel ist: für die Mieter- und Bankenseite, aber auch fürs Baugewerbe und den Fiskus. Ich gehe davon aus, dass es am Schluss eine Volksabstimmung geben wird.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie «Als Präsident der WAK (der Sie von 2017-2019 waren) treibe ich dieses Geschäft voran». Viel Dynamik ist aber nicht mehr drin oder täuscht der Eindruck?
Es geht um ein Sachgeschäft, für welches wir am Schluss eine Mehrheit benötigen. Und es geht um die Einsicht, dass wir bei den stets steigenden privaten Schulden einen enormen Handlungsbedarf haben. Die Politik muss ein Interesse daran haben, dass die Immobilienwirtschaft stabil bleibt.
Nüchtern und realistisch betrachtet dürfte auch dieser vierte Versuch scheitern, weil die Mehrheit des Nationalrats in der neuen Zusammensetzung die Initiative wahrscheinlich ablehnen wird.
Das ist schwierig abzuschätzen. Die Diskussion läuft schon über 30 Jahre. Die Mehrheiten wechseln im Nationalrat stärker als im grundsätzlich stabileren Ständerat. Ich gebe Ihnen aber Recht: es ist nicht gewährleistet, dass wir im Nationalrat eine Mehrheit für die Abschaffung des Eigenmietwerts erzielen können.
Warum verzichtete die WAK-S im November 2019 darauf, eine konkrete Gesetzesvorlage zuhanden des Ständerats zu verabschieden?
Wir mussten damals wichtige Teilfragen zusätzlich abklären lassen, insbesondere die Frage nach dem Schuldzinsabzug. Dies entpuppte sich als komplexer als wir ursprünglich angenommen haben. Wir gingen mit fünf verschiedenen Varianten in die Vernehmlassung, ein Entscheid ist diesbezüglich noch nicht gefällt.
Auch der HEV Schweiz hat die WAK-S fast aufgefordert, nach dreijähriger Debatte eine Gesetzesvorlage zu verabschieden…
Ich gehe davon aus, dass wir die Gesetzesvorlage im Ständerat als Erstrat in der Sitzung im Mai behandeln können.
Die WAK-S hat die Verwaltung am 19.1.21 zum zweiten Mal mit zusätzlichen Abklärungen beauftragt: Entpuppt sich die Initiative zur Abschaffung nicht zunehmend als Flickwerk?
Das Projekt ist komplex, aber kein Flickwerk. Wir hätten theoretisch die komplette Systemumstellung anstreben können, indem sämtliche Unterhaltsabzüge abgeschafft werden. Dies wäre eine klare, konsequente Lösung gewesen.
Warum haben Sie sich dann nicht für diese einfache Lösung entschieden?
Sie wäre politisch kaum sachgerecht. Das Volk hat ja mit der Energiestrategie 2050 erst vor kurzem Abzüge für Klima-, Umwelt- und Energiemassnahmen beschlossen, die wir nicht einfach wieder streichen können.
Zur Person
Pirmin Bischof vertritt – nach zuvor vier Jahren im Nationalrat - seit 2011 die CVP im Ständerat.
Der 60-jährige Rechtsanwalt ist Mitglied der Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK-S), welche einen Entwurf der Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts erarbeitet hat.