

Geringeres Budget, kleineres Grundstück
Werden Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und unsichere Wirtschaftsaussichten als Folge der Pandemie die Immobiliennachfrage dämpfen? Und sorgt ein geringeres Budget für eine Anpassung der Bauweise? Einschätzungen von Immobilienexperten.
«Es war eine starke Zurückhaltung auf Käufer- wie auf Verkäuferseite spürbar», zieht Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring von Wüest Partner AG, eine erste Bilanz zum Lockdown. Das Beratungsunternehmen beobachtet derzeit eine Normalisierung von Angebot und Nachfrage. Die Immobilienakteure rechnen allerdings damit, dass sich künftig Einbussen im Einkommen – etwa das Wegfallen eines Lohns in einem Haushalt mit Doppelverdienern – auf den Immobilienmarkt niederschlagen werden.
Wie wird sich die Pandemie auf den Immobilienmarkt auswirken? Während des Lockdowns wurde eine starke Zurückhaltung auf Käufer- und Verkäuferseite notiert.
Rückgang der Kaufkraft
Donato Sconamiglio, CEO des Immobiliendienstleisters IAZI, geht ebenfalls davon aus, dass ein Rückgang der Kaufkraft durch Kurzarbeit oder Entlassungen nicht ohne Auswirkungen auf den Immobilienmarkt bleiben wird: «Teurere Objekte werden es schwerer haben.» Bei Eigenheimen im mittleren und tieferen Preissegment seien hingegen kaum Korrekturen nach unten zu erwarten. Bei den Einfamilienhäusern würde etwas anderes als eine weiterhin stabile Preisentwicklung die Experten überraschen. «Wo Banken ihr Massengeschäft betreiben, ist kein Crash zu befürchten», prognostiziert Sconamiglio, rät aber zu sorgfältiger Tragbarkeitsrechnung und Einhaltung der Amortisation. «Wird aus einem Kurzzeitarbeitslosen mit Eigenheim ein Langzeitarbeitsloser, dann wird dies auch zum Problem für den Immobilienmarkt.»
Vorsorgeberatung wird wichtiger
Ein solches Szenario ist für den Raiffeisen-Immobilienexperten Pius Vogel nicht von der Hand zu weisen. «Wichtig ist hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen auf die Tragbarkeit, das Budget genau zu analysieren.» COVID-19 hat die Raiffeisenbanken gelehrt, dem Vorsorge-Thema mehr Beachtung zukommen zu lassen. «Der Hypothekarnehmer muss für längere Arbeitsausfälle abgesichert sein», ist Vogel überzeugt. Die Vorsorgeberatung, die auch das Thema «Burnout» einschliesse, gehört seines Erachtens in jede Finanzierungsanalyse.
Knackpunkt bleibt das Bauland
Für den Raiffeisen-Chefökonomen Martin Neff hat Corona an der grössten Herausforderung des Bauherren nichts geändert – und das ist das Bauland. Macht der Landpreis in ländlichen Regionen einen Drittel der Gesamtkosten aus, liegt er in Städten bei gut der Hälfte. «Die Verknappung des Angebots zwingt Bauherren, auf weniger Landfläche kleiner zu bauen», konnte Neff feststellen. Die aktuelle Studie eines unabhängigen Hypothekarspezialisten bestätigt, dass die Nettowohnfläche von Neubauten zurückgeht. Besonders ausgeprägt ist der Rückgang in der Zentralschweiz. Dass die Nachfrage stark vom Marktgebiet abhängt, kann Pius Vogel aus der Warte der Raiffeisenbank Cham-Steinhausen beobachten. Im Kanton Zug sei die Nachfrage nach wie vor hoch, das Angebot hingegen bescheiden. Für interessante Objekte stellen sich bis zu 50 Interessenten in die Warteschlange. Selbst eine Rezession würde Zugs besondere Liegenschaftensituation preislich kaum beeinträchtigen, erläutert Vogel. Er sieht im Vergleich, «dass manche Immobilienmakler die Angebote sogar noch deutlich höher bewerten als wir.»
Optimierung der Bauweise
Die Kluft zwischen Traum(haus) und Realität vergrössert sich weiter. Immobilienpreise sind in den letzten zehn Jahren über fünf Mal mehr gestiegen als das Durchschnittseinkommen. Donato Scognamiglio macht niemandem falsche Hoffnungen: «Eine junge Familie kann sich mit dem heutigen Einkommen einfach nicht die gleiche Baufläche leisten wie noch vor 20 Jahren.» Die Limitierung der Bauzonen führt zu einer Optimierung der Bauweise. «Der Grundriss wird diesen Bedingungen angepasst», folgert Martin Neff. So werde etwa die Küche enger und Übergangsräume platzsparend gestaltet. Die Kompromissbereitschaft der Bauherren steigt. «Mehr in die Höhe, weniger in die Breite» ist gemäss Pius Vogel die Zukunft, entsprechend dem Raumplanungsgesetz des Bundes. Allerdings dürfte das zur Verfügung stehende Budget sich nicht nur auf die Grösse des Baus, sondern auch auf dessen Qualität auswirken. Neff könnte sich vorstellen, dass die Fertigbaumethode vom Trend profitieren kann. Robert Weinert hat diese Feststellung bereits gemacht: «Bauen mit vorgefertigten Teilen wird immer stärker nachgefragt.»
Abstriche am falschen Ort?
Die günstigere Baumethode ist jedoch nicht in jedem Fall zu empfehlen (selbst wenn der Baupreisindex auf einen Anstieg der Baukosten hindeutet). Nach Scognamiglios Erfahrungen werden Objekte «gebaut und gekauft, die am meisten aus dem Grundstück herausholen – und das ist in der Regel nicht preisgünstiger Wohnbau.» Vogel ist ebenso skeptisch, basierend auf Erkenntnissen mit Fertigbauten: «Nicht jeder Baufirma geben wir den Kredit gleich gerne.» Er rät Bauherren dazu, ihr Haus auf ein solides Fundament zu stellen, denn «wer am Ausbaustandard spart, kann von der Bank nicht denselben Belehnungswert erwarten.»
Der Traum vom eigenen Haus ist zwar nach Corona nicht einfacher zu realisieren als vorher – ausgeträumt ist er aber weiterhin nicht. Viele Bauherren sind willens, auf das ideale Objekt hinzusparen. Das zeigen Pius Vogel die Nachfragen, die nach der Quarantäne eingehen: «Die Gartenfläche wird neuerdings als besonders wichtig eingeschätzt.»