«Mit Schocks kann der Markt umgehen»

Die Corona-Krise hat im Immobilienmarkt bislang eine Spur der Verunsicherung hinterlassen. Niemand kann derzeit sagen, wie es weiter geht. Prognosen sind schwierig. Chefökonom Martin Neff versucht das Ganze einzuordnen: «Der Immobilienmarkt wird nie dermassen unter die Räder kommen wie andere Bereiche unserer Wirtschaft.»

Die Corona-Pandemie wird am Eigenheimmarkt nach einem über 20 Jahre anhaltenden Boom Bremsspuren hinterlassen. Das ist unbestritten. Aufgrund der sehr hohen regulatorischen Tragbarkeits- und Eigenmittelanforderungen sind die Risiken im Schweizer Immobilienmarkt aber auch in der Krise äusserst gering. Denn dank Kurzarbeit und Erwerbsersatzentschädigungen sind die regelmässigen Einnahmen der meisten Eigenheimbesitzer gesichert. Die Unsicherheit bei Immobilienbesitzern aber bleibt. Es stellen sich einige Fragen. 

 

Chefökonom, Martin Neff, schätzt die Situation ein

Interview: Pius Schärli

 

Mit welchen weiteren Folgen rechnen Sie mittel- und langfristig für den Immobilienmarkt?

Martin Neff: Es wird eine Delle bei der Zuwanderung geben. Bau- und Immobilienwirtschaft müssen ihre Kapazitäten entsprechend anpassen. Auch Büroräume und Gewerbeflächen werden sich nicht über Nacht erholen. Denn dort sorgen exogene Schocks, wie man auch nach Lehman Brothers erlebt hat, meist für eine längere Phase der Zurückhaltung. Stellen sind auch in der Schweiz schneller abgebaut als geschaffen. Der strukturelle Leerstand wird höher liegen als vor Corona.

 

Es ist schon von rasantem Anstieg beim Leerstand oder von Notverkäufen die Rede: Ist das übertriebene Panikmache?

Ja, denn genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben nicht Hektik, sondern eher eine Art auffälliger Ruhe. Hinter den Kulissen brodelt es natürlich gewaltig und es gibt Sektoren wie den Tourismus, der völlig unter die Räder kommt. Das Immobiliengeschäft ist aber immer noch ein langfristiges. Schocks wie diesen kann der Markt nicht spurlos wegstecken, er kann insgesamt aber damit umgehen.

 

Gibt es auch positive Nachrichten vom Immobilienmarkt?

Aber sicher. Immobilien bleiben eine attraktive Anlage, der Eigenheimmarkt ist stabil. Im Mietwohnungsmarkt wird der steigende Leerstand zu einer gewissen Entspannung sorgen, zumal auch die Nachfrage schwächer ausfällt.  

 

Warum sind in der Corona-Krise die Hypothekarzinsen auf einmal gestiegen?

Wir hatten in der Spitze einen kleinen Finanzcrash, der die Märkte verrücktspielen liess und die Risikoprämien nach oben trieb. Aber wir müssen rational bleiben. Die Zinsen sind immer noch extrem tief.

 

Die Swap-Sätze bis 10 Jahre sind immer noch negativ, trotzdem wurden die Hypothekarzinsen erhöht. Bereichert sich Raiffeisen an ihren Kunden?

Das ist Unsinn. Für Raiffeisen hat sich die Refinanzierung ebenso verteuert, selbst Pfandbriefe wurden massiv teurer und das wurde in den neuen Sätzen entsprechend eingerechnet.

 

Wenn die Hypothekarzinsen steigen, müssten dann nicht auch die Zinsen auf den Sparkonti steigen?

In der Regel ja, aber die Banken warten in der Regel etwas ab, ob sich das neue erreichte Zinsniveau als nachhaltig stabil erweist, bevor sie höhere Zinsen an Sparer weitergeben.

 

Immobilienbesitzer fragen sich: Wie geht es an der Zinsfront weiter?

Weniger spektakulär als im März, da die Märke beginnen, sich mit dem Virus abzufinden und auf den Aufschwung danach zu hoffen. Ich rechne mit keiner markanten Veränderung mehr, eher sogar noch mal mit leichten Korrektur der Zinsen nach unten. Das Tiefzinsniveau an sich wurde durch Corona eher noch zementiert. Denn überall versuchen die Staaten mit Fiskalmassnahmen die Wirtschaft so gut es geht am Leben zu erhalten. Höhere Zinsen wären da Gift und die Geldhüter werden dafür sorgen, dass sie nicht gross steigen.  

Komme ich als Käufer jetzt zu einer Schnäppchenimmobilie dank der Krise?

Kaum, denn das Angebot ist nach wie vor zu knapp, als dass die Preise allzu stark sinken könnten. Das Angebot wird zudem eher nochmal nach unten angepasst.

 

Was empfehlen Sie Immobilienverkäufern: Sollen sie trotz Krise verkaufen oder zuwarten und diese aussitzen?

Wer heute kaufen oder verkaufen kann, wenn der Preis stimmt, der sollte das tun.   

 

Wie hat sich überhaupt die Anzahl der Kauf- und Verkaufszahlen von Immobilien in den letzten Wochen entwickelt? 

Es gibt hierzu keine verlässlichen Daten, aber die Transaktionen haben sicherlich deutlich abgenommen. Wir werden uns bis auf weiteres an eine etwas ruhigere Gangart gewöhnen müssen. 

 

Die nächste Einschätzung von unserem Chefökonom folgt in der quartalsweise erscheinenden Immobilienstudie. 

Zur Person

Martin Neff, der Chefökonom von Raiffeisen

Martin Neff, der Chefökonom von Raiffeisen

Martin Neff gehört zu den führenden Immobilienexperten in der Schweiz. Er ist seit Anfang 2013 bei Raiffeisen Schweiz. Neff studierte Volkswirtschaft an der Universität Konstanz. Von 1988 bis 1992 arbeitete er beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) in Zürich, bevor er in die CS eintrat, dort das «Schweiz Research» aufbaute und seit 2008 Chefökonom war.