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  • Unternehmertum
04.08.2025

Zollhammer trifft die Schweizer Wirtschaft

  • Die Aussichten auf ein akzeptables Verhandlungsergebnis haben sich mit der Bekanntgabe eines US-Importzollsatzes von 39 Prozent für die Schweiz dramatisch verschlechtert
  • Raiffeisen bestätigt ihre bereits im April von 1,3 Prozent auf 0,9 Prozent gesenkte BIP-Prognose für das laufende Jahr. Die Abwärtsrisiken haben sich nach dem Zollschock jedoch erhöht
  • Die unverhoffte Verschärfung der US-Handelspolitik gegenüber der Schweiz macht Negativzinsen wahrscheinlicher

St.Gallen, 4. August 2025. Der Schock in der Schweiz über die angekündigten Importzölle in Höhe von 39 Prozent sitzt tief. Ein einigermassen akzeptables Verhandlungsergebnis über einen tieferen Zollsatz scheint kaum noch möglich. Anstatt wie erhofft zügig ein Abkommen mit Zugeständnissen zu verhandeln, läuft die Schweiz nun Gefahr, mit dem Näherrücken von Sektorzöllen auf Pharmaprodukte zusätzlich in unruhiges Fahrwasser zu geraten. «Die Schweiz hat das optimale Zeitfenster verpasst, denn aufgrund der grossen Bedeutung der Pharmaexporte für das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber der Schweiz, präsentiert sich unser Land als ideales Ziel, um den Widerstand des Pharmasektors gegen eine Reduktion der Medikamentenpreise in den USA zu brechen. Der Schweiz droht daher, mit einem ungemütlich hohen US-Zollsatz Vorlieb nehmen zu müssen», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Das Land muss sich entsprechend auf ein geringeres BIP-Wachstum einstellen, zumal sich die Schweiz auch einen schmerzhaften Wettbewerbsnachteil gegenüber den Ländern der EU und Grossbritannien eingehandelt hat. Nach der Verkündung der «reziproken» Zölle am 2. April haben die Ökonomen von Raiffeisen Schweiz ihre BIP-Prognose für die Schweiz für das laufende Jahr von 1,3 Prozent auf 0,9 Prozent revidiert. «Im Wissen darum, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, haben wir diese Prognose trotz der zwischenzeitlichen Entspannung beibehalten. Diese Einschätzung bedarf aufgrund der jüngsten Ernüchterung vorderhand keiner weiteren Anpassung nach unten», so Hasenmaile weiter. Eine solche droht jedoch, sollte in Form der Auferlegung von Sektorzöllen auf die Pharmaindustrie eine weitere Hiobsbotschaft folgen, welche die Schweiz zusätzlich treffen würde.

 

Höheres Risiko von Negativzinsen

Der jüngste Zollhammer hat auch Auswirkungen auf die Geldpolitik, denn die Schweiz steht an der Schwelle zu Negativzinsen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist sich der möglichen Nebenwirkungen von Negativzinsen bewusst und hat bei ihrer letzten geldpolitischen Lagebeurteilung klar gemacht, dass die Hürden für die Einführung von Negativzinsen höher liegen als bei früheren Leitzinssatzsenkungen. Daher dürfte sie diesen Schritt nur dann in Erwägung ziehen, wenn sich der Konjunkturausblick deutlich eintrübt, die Deflationsgefahr steigt oder sich der Schweizer Franken spürbar aufwertet. «Mit der Aussicht auf eine moderate Zollbelastung war der Handlungsdruck auf die Nationalbank bis vor kurzem nicht akut. Mit der höchsten Zollbelastung in Europa wächst aber das Risiko, dass die Nationalbank letztlich doch nicht um Negativzinsen herumkommt. Die Konfrontation mit den USA hat nämlich auch den Spielraum für Devisenmarktinterventionen reduziert, da diese das Risiko bergen, noch mehr ins Fadenkreuz der US-Machtpolitik zu geraten», so Hasenmaile.