Langfristig anlegen – mit Geduld zum Erfolg

Volatile Börsen und sinkende Kurse trüben die Stimmung der Anleger. In einem solchen Umfeld sind starke Nerven und Weitsicht gefragt. Denn nur wer an seiner Anlagestrategie und seinem Anlagehorizont festhält und investiert bleibt, profitiert auch von sich erholenden Märkten.

Langfristig investieren lohnt sich

Die Welt steht Kopf. Für die Jahreszeit ganz unüblich kicken die Fussballer ab Ende November bis kurz vor Weihnachten in Katar um den Weltmeistertitel. Energiesparmassnahmen führen zu reduzierten Temperaturen in Hallenbädern sowie gedimmten oder ausgeschalteten Weihnachtsbeleuchtungen. Immerhin: Der Ski-Weltcup begann, wie er aufgehört hatte: mit einem Sieg im Riesenslalom durch Marco Odermatt.

Auch konjunkturell scheint die Welt aus den Fugen geraten zu sein. So sorgt der Krieg in der Ukraine für anhaltende Unsicherheit. Die Nachwehen der Null- und Negativzinsen haben die Inflationszahlen explodieren lassen. Die Zinsen sind in die Höhe geschnellt und die Börsen zeigen sich von ihrer volatilen Seite.

Der Rat, an der Anlagestrategie festzuhalten, klingt zunächst nach einer «leeren» Durchhalteparole. Allerdings zeigt ein Perspektivenwechsel, weshalb dieser so wichtig ist und warum Investoren ihren langfristigen Anlageerfolg nicht von kurzfristigen Schwankungen zunichtemachen lassen sollten. Seit 1988, als der Swiss Performance Index (SPI) in seiner heutigen Form entstand, gab es lediglich 4 Jahre mit einer schwächeren Entwicklung als der aktuellen. Viel wichtiger scheint die Tatsache, dass auf die negativen Jahre meist Jahre folgten, in denen zweistellige Kursgewinne verbucht werden konnten. So betrachtet könnte die aktuelle Schwäche gar zum schrittweisen Portfolioaufbau genutzt werden. 

Rendite bei einer Investition in Schweizer Aktien über einen Anlagehorizont von 10 Jahren

Quelle: Banque Pictet & Cie SA, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Obwohl ein schwaches 2022 kein Garant für ein starkes 2023 ist, so bedeutet ein Verkauf während einem schwachen Börsenjahr, dass Buchverluste realisiert werden und sich der Anleger damit jegliche Möglichkeit nimmt, an einer Erholung zu partizipieren. Dabei wäre gerade das beim langfristigen Anlegen wichtig. Wer in den vergangenen fast 100 Jahren sein Geld für 10 Jahre in Schweizer Aktien investierte, verbuchte immer eine positive annualisierte Rendite – ausser er kaufte Ende der 1920er Jahre, kurz vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise.

Hauptsache investiert bleiben

Ein weiterer psychologischer Stolperstein ergibt sich bei einem Panikverkauf daraus, dass der Wiedereinstieg schwierig wird. Wer sich aus Angst von seinen Positionen trennt, bekundet in der Regel Mühe, wieder einzusteigen. Wie wichtig ein langfristiges Engagement ist, zeigt der Performanceunterschied, wenn Anleger seit Anfang 2000 lediglich die 10 oder 20 besten Börsentage verpasst haben. Es geht dabei nicht um einige Prozent, sondern um den Faktor zwei oder drei.

Entwicklung einer Investition von CHF 10’000 in den SPI, die durch Verpassen der… resultiert

Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Anlegerverhalten im Börsenverlauf

Einfach an seiner Anlagestrategie festhalten, klingt vorerst simpel, aber die Psychologie droht dem Investor ein Bein zu stellen. Denn nach einer 20%-Korrektur hinterfragen viele Anleger ihren Anlagehorizont und ihr Risikoprofil. Wer erst in den vergangenen zwei Jahren begonnen hat, sein Geld an der Börse zu investieren, sollte jetzt auf keinen Fall alles über den Haufen werfen. Das wäre falsch. Wer nämlich vor zwei Jahren einen Anlagehorizont von 10 Jahren definiert hat, dem verbleiben noch 8 Jahre. Denn die wichtigen Fragen wurden bereits vor dem Investieren beantwortet. Sie lauten: «Kann ich wirklich für 10 Jahre auf das Geld verzichten? Wie wird sich mein Leben bis dahin verändern? Welche Ausgaben kommen in dieser Zeit auf mich zu? Wo im Leben sehe ich mich zu diesem Zeitpunkt?» In der Regel ändert sich an den Antworten während einer Börsenkorrektur nichts. 

Wer die psychologischen Stolpersteine kennt, kann sie umgehen

Quellen: Raiffeisen Schweiz CIO Office

Ähnliches gilt für die Anlagestrategie. Sie wird oft von der aktuellen Börsenlage beeinflusst. In einem Aufwärtstrend wird die Risikofähigkeit überschätzt, in einer Korrektur unterschätzt. Um Enttäuschungen zu vermeiden, sollte die Frage nach dem Verlust, den man zu tragen bereit ist, quantifiziert werden. Ein Verlust von 15% ist dabei wenig fassbar. Bei einem Vermögen von 500'000 Franken wäre das ein Minus von 75'000 Franken. Darunter kann man sich etwas vorstellen. Ein Wohnmobil, eine Solaranlage auf dem Dach oder das Ferienbudget für viele Jahre. Ist die Risikotoleranz immer noch dieselbe?

Obwohl Risikofähigkeit und Risikobereitschaft aus der Sicht eines Anlegers hinlänglich untersucht wurden, verdienen sie ein besonderes Augenmerk. Die vermeintlich objektiv bestimmbare Risikofähigkeit hängt vom Vermögen einer Person ab. Wer reich ist, kann höhere Risiken eingehen, weil höhere Verluste leichter weggesteckt werden können. Stärkere Beachtung sollte aber der individuellen Risikobereitschaft geschenkt werden. Denn von den eigenen Präferenzen hängt letztlich ab, ob jemand mit seiner Anlagestrategie glücklich wird oder nicht. Zu aggressives Investieren birgt im Abwärtstrend grosses Enttäuschungspotenzial.        

Langfristigkeit und das Festhalten an der gewählten Anlagestrategie sind deshalb weit mehr als Durchhalteparolen. Auch der weltbekannte Investor Warren Buffett wurde nicht über Nacht zu einem der reichsten Menschen. Wie wichtig die Zeit beim Investieren ist, unterstreicht er mit seiner Aussage: «Der Aktienmarkt ist ein Instrument, um das Geld von den Ungeduldigen zu den Geduldigen zu transferieren.»           

Der CIO erklärt: Was heisst das für Anleger?

Eine rekordhohe Inflation, stark steigende Zinsen, zunehmende Rezessionsrisiken sowie geopolitische Unsicherheiten haben in diesem Jahr zu einer starken Korrektur bei fast allen Anlageklassen geführt. Kurzfristig dürften die Schwankungen an den Märkten hoch bleiben. Bereits Anfang Jahr haben wir eine defensive Anlagetaktik implementiert und waren sowohl bei Aktien als auch Obligationen untergewichtet. Daran halten wir (noch) fest. Trotzdem sollten Anleger den Fokus nicht einseitig auf die kurzfristigen Entwicklungen legen. Ein nachhaltiger Vermögensaufbau ist ein Marathon und kein Sprint.

Entsprechend ist es wichtig, an der definierten Anlagestrategie festzuhalten. Die Korrektur bringt auch Chancen. Endlich winken beim Kauf von Anleihen wieder positive Verfallsrenditen. Zudem werden viele Qualitätsaktien mittlerweile zu attraktiven Bewertungen gehandelt. Auch die Dividendenrenditen sind aufgrund der Kurskorrektur gestiegen. Auch wenn es leichter gesagt als getan ist: Es gilt ruhig Blut zu bewahren. Denn wer jetzt aus den Märkten aussteigt, wird mit grosser Sicherheit den nächsten Aufschwung verpassen.    

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz