CIO Kolumne: «Spare in der Zeit, dann…»

«Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not». Ich kann mich noch gut an die Worte meines Grossvaters erinnern. Er war Kaufmann und Kommanditär einer Handelsfirma für Früchte und Gemüse – und gehörte zur Weltkriegsgeneration. Sparen galt damals als Tugend. Das nahm ich mir als kleiner Bub zu Herzen. Kein Wunder wanderten also selbst die kleinsten Münzen in mein Sparschwein. Und wenn das Porzellantier mal wieder zum Bersten voll war, musste meine Mutter oder mein Vater mit mir zur Bank. Einbezahlt wurde der Haufen Kleingeld auf mein Sparbuch. Die Einzahlung und der neue Saldo wurden von der Bank fein säuberlich ins dünne Büchlein eingetragen. Richtig interessant wurde es dann jeweils im Januar. Wieder ging es zur Bank und wie von Zauberhand wurde jedes Jahr ein zusätzlicher Betrag gutgeschrieben und dies, ohne eine einzige Münze einzahlen zu müssen. Die Zinsgutschrift.

«Im Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) Negativzinsen eingeführt, welche seither Bestand haben. Sparguthaben auf dem Konto wachsen also heute nicht mehr.»

Tempi passati. Sparbücher gibt es schon lange keine mehr – und Zinsen auch nicht. Im Gegenteil: Heute muss ich froh sein, wenn mich die Bank für das «Aufbewahren» meines Geldes nicht bestraft. Im Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) Negativzinsen eingeführt, welche seither Bestand haben. Sparguthaben auf dem Konto wachsen also heute nicht mehr. Nicht nominal und schon gar nicht real. Bei den aktuellen Inflationsraten von rund 2 Prozent kann man förmlich zuschauen, wie das sauer verdiente Geld wie Schnee an der Sonne schmilzt. Bei diesen Teuerungsraten werden aus 1’000 Franken in 10 Jahren kaufkraftbereinigt noch knapp 800. Dabei haben wir in der Schweiz sogar noch Glück, dass wir nicht mit 8% Inflation kämpfen, wie derzeit die Amerikaner. Das eingangs erwähnte Sprichwort sollte heute also eher lauten: «Spare in der Zeit, dann bist Du langfristig der Dumme».

Nicht mit mir! Und glücklicherweise gibt es Alternativen zum Sparkonto. Ok, ich bin aufgrund meiner Funktion sozusagen an der Quelle, da lässt es sich einfach reden. Aber auch immer mehr Sparer flüchten verstärkt in Sachwerte. Dazu gehören in erster Linie Aktien.

Das ist gut und ganz einfach. Als Aktionär beteiligt man sich an einer Unternehmung. Mit dem Kauf einer Aktie gehört mir also ein Teil der Firma. Der ist zwar oft sehr klein – aber immerhin. Und wir alle kennen Firmen, von deren Produkten oder Dienstleistungen wir überzeugt sind und welche wir regelmässig nutzen. Der tägliche Morgenkaffee aus der Nespresso-Maschine: Nestlé. Die Fahrt mit dem Lift ins Büro: Schindler. Die geliebte Bratwurst vom Grill: Bell. Warum nicht Besitzer einer solchen Unternehmung werden und direkt an der Erfolgsgeschichte partizipieren?

«Nicht alle Eier in denselben Korb legen. Wer in Aktien investiert, sollte in mehrere Unternehmen investieren, sprich diversifizieren.»

Und weil gerade das lange Osterwochenende hinter uns liegt, noch ein wichtiger Ratschlag: Nicht alle Eier in denselben Korb legen. Wer in Aktien investiert, sollte in mehrere Unternehmen investieren, sprich diversifizieren. Klar schwanken Börsenkurse, doch das ist der «Preis» für die höhere langfristige Rendite. Und was ist mit Zinsen? Die gibt es indirekt, und zwar in Form von Dividenden.

Vieles ändert sich, einiges bleibt gleich. Auch heute lohnt es sich, sein Sparschwein regelmässig zu füttern. Anstelle einer Einzahlung aufs Sparkonto sollte aber besser regelmässig in Aktien investiert werden. Ob wie früher beim Sparkonto oder heute beim Aktiensparen gilt unverändert: Wer langfristig Vermögen aufbauen will braucht Zeit und Geduld. Je früher man damit beginnt, desto besser. 

 

Matthias Geissbühler, April 2022

Portrait Matthias Geissbühler

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.

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