So machen es die anderen – Wie die Schweiz spart

Um seine persönliche Vision der finanziellen Unabhängigkeit zu verwirklichen, muss man nicht zwingend leben wie ein Frugalist. Für die meisten von uns ist es schlicht unmöglich, monatlich die Hälfte des Einkommens zur Seite zu legen. Doch wie viel wird in der Schweiz effektiv gespart? Welche Ziele stehen im Zentrum? Was macht der Durchschnitt und wo stehen Sie im Vergleich? Die Fakten und eine Einschätzung unserer Expertin.  

Fakten: Die Schweiz ist eine Sparnation 

 

Wofür man in der Schweiz spart, hängt vom Alter ab. Bei den 18 bis 29-jährigen stehen Reisen und Wohneigentum im Zentrum. Ab 30 Jahren rückt dann die Altersvorsorge als Spargrund in den Vordergrund – der frugalistischen Vision der finanziellen Unabhängigkeit nicht ganz unähnlich. Wenn gleich auch nicht mit dem gleichen Verzicht verknüpft. Im Durchschnitt spart ein Schweizer Haushalt knapp 20 %seines verfügbaren Einkommens (abzüglich Steuern, Versicherungen, Krankenkassenprämien). Dies sind 1'232 Franken pro Monat; aufs Jahr gerechnet 14'784 Franken. Die Ausgaben für Güter und Dienstleistungen liegen hingegen bei monatlich 4'985 Franken.

Junge sparen mit Wertschriften

 

In den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat das wertschriftenbasierte Sparen: Immer mehr Menschen sparen beispielsweise für ihre Altersvorsorge mit Wertschriften. Im Jahr 2021 haben 29 Prozent mehr Schweizerinnen und Schweizer private Vorsorgegelder in Wertschriften investiert, als noch ein Jahr zuvor. Besonders beliebt ist Sparen mit Wertschriften bei jüngeren Personen. 

Wohntraum erfüllen mit Vorsorgegeld

 

Frühzeitig vorsorgen lohnt sich auch mit Blick auf die eigenen vier Wände. Das Vorsorgevermögen ist ein wichtiger Faktor bei der Finanzierung von Wohneigentum: Im Jahr 2020 finanzierten 20'000 Personen ihr Eigenheim mit Geldern aus der gebundenen Altersvorsorge. Der Vorbezug für Wohneigentum aus der Pensionskasse und/oder Freizügigkeitseinrichtung betrug 2020 im Median 54'000 Franken pro Person. Im Median bedeutet, dass eine Hälfte der Bezügerinnen und Bezüger mehr Geld entnahm, die andere Hälfte weniger.

Vom Frugalisten zum Durchschnittschweizer und schlussendlich zu uns selbst: Was können wir in puncto Sparen aus diesen Beispielen lernen und für die Gestaltung unserer Zukunft nutzen?

Einschätzung unserer Expertin: 5 Fragen an Andrea Klein

Was können wir von Frugalisten lernen? 

Andrea Klein: Frugalisten haben ein klares Ziel vor Augen und verfolgen dieses diszipliniert und konsequent. Das sollten sich alle, die für die Zukunft vorsorgen wollen, zu Herzen nehmen. 

Ziele setzen ist zentral. Was braucht es sonst noch?

Wichtig ist auch die Einsicht der Frugalisten, dass Geld auf dem Sparkonto nicht produktiv ist. Das heisst: Sie legen ihr Geld an den Finanzmärkten an und lassen es für sich arbeiten – und das so früh im Leben wie möglich. Denn wer früh beginnt, macht sich die Zeit zunutze. 

Welche Rolle spielt die Zeit beim Geldanlegen? 

Wer früh beginnt, hat einen langen Anlagehorizont. Das zahlt sich in mehrfacher Hinsicht aus. Erstens kann ein grösserer Teil des Vermögens in Aktien investiert werden, womit die Renditechancen deutlich steigen. Zweitens profitiert man vom Zinseszinseffekt. Seine Wirkung nimmt exponentiell zu, je länger das Vermögen investiert ist. Dank dem Zinseszins ist auch anlegen mit kleinen Beträgen sinnvoll, weil sie langfristig eine grosse Wirkung entfalten. 

Beispiel

Zinseszinseffekt

Wer über 40 Jahre monatlich 100 Franken in ein Aktienportfolio mit einer durchschnittlichen Rendite von 5% investiert, baut ein Vermögen von über 152‘000 Franken auf. Dafür bezahlt man insgesamt 48‘000 Franken ein, der Rest wird über die Finanzmärkte verdient.

Frugalisten legen rund die Hälfte ihres Lohnes an. Wie realistisch ist das? 

Frugalisten wollen mit 40 Jahren finanziell unabhängig sein. Das ist nur mit einer enorm hohen Sparquote und einem überdurchschnittlich hohen Lohn möglich. Und selbst dann ist das Ziel sehr ambitioniert. Der Schweizer Durchschnitt hat aber ganz andere Ziele, auch wenn es ums Sparen geht. 

Was empfehlen Sie Schweizerinnen und Schweizern, die sparen wollen? 

Das kommt auf das Sparziel an. Bei kurzfristigen Zielen wie einer Weltreise muss anders gespart werden als bei langfristigen wie der Altersvorsorge. Grundsätzlich gilt: Für den Ernstfall, wie zum Beispiel Jobverlust, sollte man eine eiserne Reserve von einigen Monatslöhnen liquide haben. Die Höhe des Liquiditätspolsters ist abhängig vom Lebensstil und dem persönlichen Sicherheitsbedürfnis. Den Rest legt man am besten in Wertschriften an. Und wichtig: Bei der Säule 3a wenn immer möglich den Maximalbetrag ausschöpfen, wegen der Steuerersparnisse. Mein Tipp: Was man an Steuern spart, direkt wieder in den Vermögensaufbau investieren.

Gut zu wissen

Schweizer Haushalte auf einen Blick

Ein Schweizer Haushalt besteht im Schnitt aus 2,11 Personen. Im Jahr 2019 betrug das durchschnittliche verfügbare Einkommen 6’609 Franken pro Monat. Das entspricht dem Bruttoeinkommen abzüglich der obligatorischen Ausgaben. 60 Prozent aller Haushalte wiesen 2019 ein verfügbares Einkommen auf, das unter dem schweizerischen Mittelwert liegt.

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Portrait Andrea Klein

Andrea Klein

Vorsorgeexpertin Raiffeisen Schweiz

Andrea Klein ist Vorsorge-Expertin und heute bei Raiffeisen Schweiz verantwortlich für das Fachzentrum Finanzplanung. Sie verfügt über mehr als zwanzig Jahre Beratungserfahrung in den Bereichen Anlage- und Vermögensberatung, Vorsorge sowie Pensionsplanung. Dabei steht für sie die ganzheitliche Beratung in den verschiedenen Lebensphasen im Mittelpunkt.