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Nachbarschaftsstreit unter Stockwerkeigentümern

Spätnachts wummern die Bässe aus dem oberen Stock, auf Ihrem Sitzplatz liegt haufenweise Laub aus dem Nachbargarten und der Besuch der Mitbewohner im Parterre parkt regelmässig vor Ihrer Garage. Dürfen die das? Und wie wehren Sie sich als Stockwerkeigentümer am effizientesten?

Beobachter Edition

Beobachter Edition

Dieser Ratgeber wurde zur Online-Publikation an Raiffeisen lizenziert.

Situationsbeispiele 
Beispiel 1
– Hanna W.
Hanna W. ist Eigentümerin einer Gartenwohnung. Ihre grosse Leidenschaft sind Gartenzwerge, die sie liebevoll rings um ihren Sitzplatz arrangiert. Den Nachbarn in der Wohnung nebenan wird das langsam zu viel; sie bitten Frau W., ihr «Zwergenheer» anderswo aufzustellen. Doch diese findet, auf ihrem eigenen Sitzplatz hätten ihr die Nachbarn nicht dreinzureden.
Beispiel 2
– Franz R.
Auch Franz R. ist Eigentümer einer Gartenwohnung. Die Eigentümerin des Nachbargrundstücks hat erst neulich eine fünf Meter hohe Buche gepflanzt, seither hat Herr R. keine Sonne mehr auf dem Sitzplatz. Er empfindet dies als unzulässige Immission, doch die Nachbarin geht auf seine Gesprächsversuche nicht ein. Wie kann er vorgehen?

Entsteht ein Streit zwischen Ihnen und einem anderen Stockwerkeigentümer, sollten Sie zunächst versuchen, das Problem im Gespräch bilateral zu lösen. Vielleicht findet sich ja ein Kompromiss; Hanna W. und ihre Nachbarn könnten sich zum Beispiel auf eine maximale Anzahl Gartenzwerge einigen. Finden Sie keine Lösung, empfehlen sich folgende Massnahmen:

  • Ziehen Sie als Erstes das Reglement und die Hausordnung zurate. Möglicherweise ist Ihr Problem darin geregelt. Dann reicht es, wenn Sie die störende Person auf ihre Rechte und Pflichten hinweisen. Frau W. zum Beispiel hat zwar wohl ein Sondernutzungsrecht an ihrem Sitzplatz, für eine spezielle Gestaltung braucht sie aber die Zustimmung der Gemeinschaft.
  • Lässt die andere Person nicht mit sich reden oder finden Sie im Reglement keine Hilfe, ist Ihre nächste Anlaufstelle die Stockwerkeigentümerversammlung. Sondieren Sie aber schon im Vorfeld, wie die anderen Eigentümer zum Problem stehen. So können Sie in der Versammlung mit einem Vorschlag auftreten, der bereits von einigen mitgetragen wird.
  • Sollte der störende Nachbar trotz Intervention der Gemeinschaft sein Verhalten nicht ändern, sprechen Sie mit den anderen Eigentümern ab, ob die Gemeinschaft als Ganzes intervenieren wird oder ob Sie allein gegen ihn vorgehen wollen. Denken Sie dabei immer auch an aussergerichtliche Konfliktbewältigungsmethoden, etwa eine Mediation.
  • Hilft alles nichts – und ist Ihnen die Sache wichtig genug –, müssen Sie sich an das Gericht wenden.

Gut zu wissen

Achtung

In den wenigsten Fällen empfiehlt es sich, gegen einen unliebsamen Nachbarn gleich gerichtlich vorzugehen. Ein Rechtsstreit hinterlässt tiefe Spuren, die das Zusammenleben schwer belasten können. Und auch wenn Sie gewinnen – die Retourkutsche des Unterlegenen lässt oft nicht lange auf sich warten.

Konflikte mit Nachbarn ausserhalb der Gemeinschaft

Anders ist die Situation bei einem Konflikt mit Nachbarn ausserhalb der Gemeinschaft. Da nützen Reglemente und Hausordnungen nichts. Die Frage ist zudem, wer sich zur Wehr setzen soll: Sie selber oder die Eigentümergemeinschaft?

  • Sind nur Sie betroffen, können Sie das nachbarrechtliche Problem im Alleingang erledigen. Beispiel: Aufgrund der Lage der Liegenschaften ist nur Ihre Wohnung durch die Lärmimmissionen vom Nachbargrundstück beeinträchtigt.
  • Ebenso ist ein Alleingang möglich, wenn Ihnen ein Recht entzogen wird, das Ihnen als Miteigentümerin des Stockwerkeigentumsgrundstücks zusteht. Beispiel: Ein Nachbar von nebenan parkiert immer wieder unbefugterweise auf Ihrem Parkplatz.
  • Ein Alleingang ist jedoch nicht möglich, wenn die Lösung des Problems eine Mitwirkung der Eigentümergemeinschaft erfordert, wenn etwa ein Vertrag geschlossen werden muss, der die ganze Liegenschaft betrifft. Dieses Recht steht nur der Gemeinschaft zu. Beispiel: Der Nachbar hat seinen Anbau zu nahe an die Grenze gebaut, nun muss ein Näherbaurecht ausgehandelt werden.

So oder so: Bevor Sie gegen benachbarte Grundeigentümer vorgehen, sollten Sie sich in jedem Fall mit der Eigentümergemeinschaft absprechen, sonst ist Zwist programmiert. Gemeinsam lässt sich entscheiden, ob die von einer Störung besonders Betroffenen sich allein zur Wehr setzen sollen oder ob die Gemeinschaft ihre Rechte geltend machen will. Handelt ein Stockwerkeigentümer eigenmächtig, könnte es ihm in einem nachbarrechtlichen Prozess allenfalls passieren, dass die Gemeinschaft sich gegen seine Ansicht ausspricht und er deswegen den Prozess verliert. 

 

Wenn eine Einheit vermietet ist und der Mieter sich nicht an die Regeln im Haus hält, können Sie sowohl gegen ihn als auch gegen die Eigentümerin der Einheit vorgehen. Denn diese ist für die von ihrem Mieter verursachten Unannehmlichkeiten oder Schäden verantwortlich.

Gut zu wissen

Übermässige Immissionen: Artikel 684 ZGB

1 Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten.

 

2 Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.

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