«Die gesetzlichen Regeln reichen nicht aus, um Ihren Wünschen gerecht zu werden»

Drucken

Wer sich über seine Vorsorge Gedanken macht, muss sich auch mit Krankheit und Tod befassen – das tut niemand gern. Die beiden Experten vom Raiffeisen Fachzentrum Erbschaftsberatung Frank Frey und Christian Rehefeldt wissen aber: Wenn Sie sich rechtzeitig um Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Testament oder Erbvertrag kümmern, ersparen Sie sich und Ihren Liebsten unnötigen Kummer.

 

Selbstbestimmte Vorsorge – die Meinung unserer Experten

Die Vorsorge selbstbestimmt angehen, was heisst das überhaupt?

Frank Frey: «Es bedeutet sich zu vergegenwärtigen, was passieren würde, wenn man urteilsunfähig werden oder sterben würde. In einem ersten Schritt analysiert man, wie die Situation gesetzlich geregelt ist. Dann gilt es, die eigenen Wünsche zu definieren. Und schliesslich trifft man mit fachlicher Unterstützung die richtigen Massnahmen, um die eigenen Wünsche soweit möglich umzusetzen. Die wichtigsten Instrumente dazu sind VorsorgeauftragPatientenverfügung, Testament, Erbvertrag und Ehevertrag

 

In welchem Fall kommt ein Vorsorgeauftrag zum Einsatz?

Christian Rehefeldt: «Das Gesetz besagt, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einen Beistand für mich ernennt, wenn ich urteilsunfähig bin und kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist. Das ist die Ausgangslage. Ich möchte aber sicherstellen, dass meine Frau alle wichtigen Entscheidungen für mich treffen kann. Denn sie besitzt nicht in jedem Fall das gesetzliche Vertretungsrecht. Das ist der Wunsch. Deshalb schliesse ich einen Vorsorgeauftrag ab, der das vereinfacht und meinen Wunsch in klare Worte fasst. Das ist die Massnahme.»

Christian Rehefeldt
Christian Rehefeldt

Christian Rehefeldt ist Co-Leiter des Fachzentrum Erbschaftsberatung. Er arbeitet als Jurist seit 2016 bei Raiffeisen Schweiz und unterstützt Banken und deren Kunden im Raum Zentralschweiz bei Erbschaftsberatungen. Christian Rehefeldt interessiert sich zudem für aussergerichtliche Streitschlichtungsmethoden – insbesondere die Mediation. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Freizeit bewegt er sich gerne auf dem Tennisplatz.

Urteilsunfähigkeit und Tod verbindet man eher mit dem dritten Lebensabschnitt. Wann sollte man sich idealerweise mit dem Thema Selbstbestimmte Vorsorge befassen?

C.R.: «Da muss ich widersprechen. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass insbesondere Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag nur im Alter relevant sind. Natürlich ist die Vermögens- und Familiensituation in jungen Jahren tendenziell einfacher. Aber beispielsweise ein schwerer Skiunfall kann auch eine 25-Jährige treffen.»

F.F.: «Darum raten wir davon ab, das Thema Vorsorge am Alter festzumachen. Besser ist es, man setzt sich immer dann damit auseinander, wenn sich die Lebensumstände oder die Vermögenssituation ändern. Zum Beispiel wenn man heiratet, Kinder kriegt, ein eigenes Haus kauft, ein Unternehmen gründet, eine Erbschaft oder Schenkung erhält oder pensioniert wird.»

 

Welche Erfahrungen haben Sie aus der Praxis: Sorgen die Schweizerinnen und Schweizer rechtzeitig vor?

C.R.: «Die aktuellsten Zahlen gemäss Raiffeisen Vorsorgebarometer besagen, dass 21 Prozent der Befragten eine Patientenverfügung haben, 15 Prozent ein Testament und 14 Prozent einen Vorsorgeauftrag. Insgesamt haben rund 25 Prozent der Schweizerinnen und Schweiz zumindest eine Form von Vorsorge getroffen.»

F.F.: «Das bedeutet im Umkehrschluss, dass rund drei Viertel überhaupt nichts geregelt haben. Das wäre an sich nicht weiter schlimm, aber wir stellen in der Beratung sehr oft fest, dass die gesetzlichen Vorgaben eben nicht ausreichen, um den Wünschen der Betroffenen gerecht zu werden.»

 

Warum, denken Sie, setzen sich nicht mehr Leute mit ihrer Vorsorge auseinander?

F.F.: «Ich sehe in der Praxis drei Gründe: Erstens gibt es eine quasi natürliche Hemmschwelle gegenüber Tod und Krankheit – es sind Themen, die man gerne einfach verdrängt. Zweitens erkennen viele zwar die Wichtigkeit des Themas, sehen es aber nicht als Priorität. Sie gehen davon aus, dass sie noch genügend Zeit haben, um alles zu regeln. Dann gibt es drittens diejenigen, die sich der Tragweite schlicht nicht bewusst sind. Sie denken vielleicht: «Ich bin ja verheiratet, da muss ich gar nichts regeln.»»

 

Und das stimmt nicht?

C.R.: «Nein, vielfach reicht der Trauschein nicht, um alle Angelegenheiten wunschgemäss zu regeln. Wenn es um den Nachlass geht, können die gesetzlichen Regeln für Ungerechtigkeiten sorgen oder zu finanziellen Schwierigkeiten führen, insbesondere in grossen Familien. Denn je mehr Leute bei einer Erbschaft mitreden können, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei zu Streit kommen kann. Und gerade für Patchwork-Situationen, die es heute immer häufiger gibt, ist die Gesetzeslage alles andere als optimal.»

F.F.: «Und auch wenn es nicht um den Tod, sondern um die Urteilsunfähigkeit eines Menschen geht, kann es ohne zusätzliche Regelungen Probleme geben: Folgenschwere Entscheide lassen sich teilweise nur in Absprache mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) treffen. Dass die Angehörigen in einem solchen Fall nicht autonom handeln könnten, schockiert viele unserer Kundinnen und Kunden.»

 

Und welche Lebensbereiche sind am stärksten davon betroffen?

F.F.: «Liegenschaften sind sehr zentral. Nicht nur weil sie für viele eine ziemlich grosse finanzielle Herausforderung darstellen und oft den grössten Teil ihres gesamten Vermögens ausmachen, sondern auch, weil damit sehr viele Emotionen verbunden sind. Es ist den Leuten wichtig, selber zu bestimmen, was dereinst mit ihrem Haus passieren soll, wer darin wohnen oder wer es umbauen und verkaufen darf.»

C.R.: «Auch Unternehmer sind stark betroffen. Ohne entsprechende Vorkehrungen ist beispielsweise eine Einzelfirma blockiert, wenn der Chef schwer verunfallt. Rechnungen, Lohnzahlungen, Lieferantenaufträge, alles bleibt liegen. Aber auch wenn es um die lebzeitige Übergabe eines Unternehmens innerhalb der Familie geht, gilt es im Hinblick auf den Todesfall einiges zu beachten. Ein Nachfolger muss unter Umständen hohe Ausgleichungszahlungen an seine Miterben leisten. Dies kann ein Unternehmen in Schieflage bringen, insbesondere wenn ein grosser Teil des Vermögens in der Unternehmung gebunden ist.»

 

Frank Frey
Frank Frey

Frank Frey ist Jurist und arbeitet seit 2019 als Senior Erbschaftsberater und seit 2022 als Co-Leiter des Fachzentrums Erbschaftsberatung bei Raiffeisen Schweiz. Er betreut die Raiffeisenbanken in der Nordwestschweiz und berät deren Kunden bei der Erbschaftsplanung. Er ist verheiratet und Vater von Zwillingstöchtern. In seiner Freizeit fährt er gerne Rennvelo und Bike.

Das sind alles rechtlich komplexe Themen. Warum sollte ich mich damit ausgerechnet an meine Hausbank wenden?

F.F.: «Die Bank schaut das Thema umfassend an – eben nicht nur auf der juristischen Ebene. So stellen wir beispielsweise die langfristigen finanziellen Auswirkungen unterschiedlicher Regelungsvarianten in den Fokus. Wir streben für unsere Kunden die bestmögliche und nicht die erstbeste Lösung an. Zudem ist uns wichtig, dass wir auf Augenhöhe beraten und die Themen so erklären, dass der Kunde sie versteht. Ich erlebe immer wieder, dass Kunden mit bestehenden Erbverträgen zu uns in die Beratung kommen und nicht wirklich wissen, was darin geregelt wird und was das alles bedeutet.»

C.R.: «Zudem besteht mit der Bank oft bereits ein jahre-, wenn nicht jahrzehntelanges Vertrauensverhältnis. Das ermöglicht, dass wir uns gut in den Kunden hineinversetzen können. Der Kunde wiederum kann sich im gewohnten Umfeld beraten lassen, was sicher auch die Hemmschwelle senkt, das Thema Vorsorge überhaupt anzugehen.»

Broschüre Erbschaftsplanung

Broschüre Erbschaftsplanung

Mit einer sorgfältigen Erbschaftsplanung können Sie Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen weitergeben. Das Schweizerische Ehegüter- und Erbrecht bietet dazu einen grossen Spielraum. Dieser kann mit einem kompetenten Partner an Ihrer Seite bestmöglich für Ihre Interessen genutzt werden. Erfahren Sie in der Broschüre mehr zur Erbschaftsplanung.

Broschüre herunterladen (PDF, 948.1KB)

Mit wie viel zeitlichem und finanziellem Aufwand müssen die Kunden dabei rechnen?

F.F.: «In einem ersten Schritt trifft man sich zu einem unverbindlichen Erstgespräch, welches etwa ein bis eineinhalb Stunden dauert. Ziel dieses Gesprächs ist es, die Ausgangslage und die Bedürfnisse des Kunden genau zu erfassen und erste Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Situation geregelt werden könnte. Auch der Kostenrahmen für die gesamte weitere Beratung wird dann festgelegt. Die Höhe der Kosten hängt davon ab, wie komplex die Situation des Kunden und seine Fragestellungen sind. Die Dauer des gesamten Beratungsprozesses liegt dabei zwischen einem Monat und einem halben Jahr.»

Das könnte Sie auch interessieren:

Beratungsgespräch

Nachlass- und Erbschaftsplanung

Viele Personen überlassen die Zuteilung ihres dereinstigen Nachlasses dem Gesetz und verpassen es ihre Liebsten genügend abzusichern, oder unnötigen Streit vorzubeugen. Eine Nachlassplanung ermöglicht Ihnen, die nötigen Vorkehrungen und die Erbteilung ganz nach Ihren persönlichen Wünschen zu gestalten.

Artikel lesen