Anlegen als Unternehmer

Unternehmer müssen ihre gesamte Vermögenssituation berücksichtigen und das Privatvermögen breit diversifizieren, sagt Raiffeisen Schweiz CIO Matthias Geissbühler im Interview.

Interview mit Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz

Was ist die grösste Herausforderung für Unternehmer beim Thema Anlegen?

Für Unternehmer hat das Thema Anlegen eine besondere Brisanz – oft steckt nämlich der weitaus grösste Vermögenswert in der Firma selbst. Umso wichtiger ist es, dass die übrigen Anlagen breit diversifiziert sind und die gesamte Vermögenssituation adäquat berücksichtigt wird. Dazu gehören unter anderem eine umfassende Risikoanalyse, eine sorgfältige Liquiditätsplanung, Aspekte der Altersvorsorge sowie steuerliche Fragen. 

Welche besonderen Faktoren gilt es beim Anlegen als Unternehmer zu berücksichtigen?

Ein Unternehmen weist einen aktienähnlichen Charakter auf. Dadurch hat ein Unternehmer de facto bereits ein sehr hohes Aktienrisiko. Zudem spielen die Branchenzugehörigkeit sowie allfällige Wechselkursrisiken eine Rolle. Besitzer einer Medizinaltechnikfirma sollten im privaten Depot nicht noch ein zusätzliches Exposure in diesem Sektor eingehen. Bestehen zudem hohe Euro-Wechselkursrisiken drängt sich im privaten Depot ein Fokus auf die Heimwährung auf. Auch steuerliche Aspekte sowie Fragen der Vorsorge sind zu beachten.

Was genau bedeutet der «aktienähnliche Charakter» einer Unternehmung?

Grundsätzlich ist eine Aktie ja immer eine Beteiligung an einer Firma. Neben der GmbH ist die Aktiengesellschaft die meistgewählte Rechtsform bei Unternehmensgründungen (inklusive KMU). Ein Unternehmer besitzt dann (sofern er alleiniger Besitzer ist) 100 % der entsprechenden Aktien. Der Unterschied ist einzig, dass diese in der Regel nicht an einer Börse kotiert sind, das Exposure per se ist aber identisch. Eine solche Vermögenskonzentration stellt oft ein latentes Klumpenrisiko dar und umso wichtiger ist es, dass im übrigen Vermögen auf eine breite Diversifikation geachtet wird.

Sollten Unternehmer somit ganz auf Aktien im Portfolio verzichten?

Nein, grundsätzlich sind Aktien langfristig die beste Anlageklasse. Wichtig ist die gesamte Vermögenssituation zu beachten. Der Unternehmer hält de facto ein hohes Aktienrisiko aufgrund des aktienähnlichen Charakters der Unternehmung. Gerade aus Diversifikationsüberlegungen macht es daher Sinn im privaten Vermögen verstärkt auch andere Anlageklassen zu berücksichtigen. Wenn also das eigene Unternehmen der mit Abstand grösste Vermögensteil darstellt, sollte im privaten Portfolio nicht ausschliesslich auf Aktien gesetzt werden.

Wie kann der Unternehmer seine Anlagen weiter diversifizieren?

Neben Aktien gehören in ein breit diversifiziertes Portfolio auch Obligationen, Immobilien und Gold. Solange die Zinsen tief bleiben oder gar noch weiter sinken, werden diese Anlageklassen gesucht sein. Obligationen scheinen absolut betrachtet zwar wenig attraktiv, bieten aber einen relativ guten Schutz bei einer weiteren möglichen Konjunkturabkühlung. In einem solchen Szenario würden die Zinsen wohl nochmals weiter sinken und die Anleihepreise entsprechend zulegen. Wie auch Gold weisen Obligationen von qualitativ soliden Schuldnern zudem eine negative Korrelation zu Aktien auf und helfen so das Gesamtrisiko im Portfolio zu reduzieren. Bei Immobilien setzen wir in erster Linie auf Schweizer Immobilienfonds. Die Ausschüttungsrenditen von aktuell rund 2.5 % sind im Vergleich mit Staatsanleihen unverändert attraktiv. Zudem fliesst weiter viel Geld von Pensionskassen und Versicherungen in diese Anlageklasse – dies dürfte die Immobilienpreise weiter stützen.

Was empfehlen Sie Unternehmern generell?

Grundsätzlich sollte das Thema «Anlegen» frühzeitig angegangen und ein Finanzberater beigezogen werden. Neben einer ganzheitlichen und umfassenden Vermögensanalyse stellt sich die Frage nach der konkreten Umsetzung. Kann sich ein Unternehmer nicht selbst um die private Vermögensallokation kümmern, ist ein Vermögensverwaltungsmandat eine gute Lösung.

«Wir empfehlen Unternehmern, das Thema Vermögensplanung frühzeitig anzugehen»

Wo sehen Sie die Vorteile bei einem Vermögensverwaltungsmandat?

Im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats wird die Verwaltung des Vermögens an die Bank delegiert. Dabei wird sichergestellt, dass die Vermögensallokation der Risikofähigkeit- und Bereitschaft des Kunden entspricht und das Portfolio konstant überwacht sowie nötigenfalls adjustiert wird. Der Unternehmer kann sich damit voll auf die Leitung und Weiterentwicklung des Unternehmens konzentrieren und muss sich nicht noch täglich mit den Finanz- und Kapitalmärkten beschäftigen. Neben unterschiedlichen Strategien hat der Anleger bei Raiffeisen zudem die Wahl zwischen einem globalen Mandat, einem nachhaltigen Mandat (Futura) sowie einem «Swissness» Mandat, welches ausschliesslich auf Schweizerfranken-Anlagen setzt.

Haben Sie noch einen konkreten Anlagetipp für Unternehmer?

Aktuell kühlt sich die Weltkonjunktur – nicht zuletzt auch wegen dem Handelskonflikt zwischen den USA und China – deutlich ab. Gleichzeitig versuchen die Notenbanken mit einer erneuten Lockerung der Geldpolitik Gegensteuer zu geben. In diesem Spannungsfeld zwischen Konjunkturverlangsamung und expansiver Geldpolitik muss mit einer erhöhten Volatilität gerechnet werden. Entsprechend empfehle ich den Fokus auf qualitativ hochstehende und liquide (gut handelbare) Anlagen zu legen. Vom anhaltenden Tiefzinsumfeld profitieren weiterhin dividendenstarke Aktien, Immobilienanlagen sowie Edelmetalle. Gold scheint mir aufgrund der anhaltenden Liquiditätsschwemme und als «Krisenschutz» als Beimischung aktuell besonders interessant.  

Wie beurteilen Sie das aktuelle Umfeld für eine langfristige Investition?

Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Konjunktur sind massiv und führen zu einer tiefen Rezession. Demgegenüber stehen Unterstützungsmassnahmen der Regierungen sowie der Notenbanken in nie dagewesener Höhe. Sollten sich die Infektionsraten weiter abschwächen und so die Lockerungsmassnahmen Schritt für Schritt umgesetzt werden können, dürfte sich eine Normalisierung ab der zweiten Jahreshälfte und 2021 abzeichnen. Die Börsen werden eine solche Entwicklung vorwegnehmen. Wer einen langfristigen Anlagehorizont mitbringt, kann nun gestaffelt investieren und weitere Kursschwächen für Zukäufe nutzen. Der Fokus sollte dabei auf eine hohe Qualität der Anlagen gelegt werden. Unternehmen mit einer dominierenden Marktstellung sowie einer starken Bilanz werden zu den Gewinnern gehören.

Haben Sie noch einen konkreten Anlagetipp für Unternehmer?

Die Coronasituation führt dazu, dass die Notenbanken die Zinsen noch sehr lange tief (oder gar im negativen Bereich) halten werden. Von diesem Tiefzinsumfeld profitieren vor allem Sachwerte wie Aktien, Immobilienanlagen sowie Edelmetalle. Gold scheint mir aufgrund der anhaltenden Liquiditätsschwemme und als «Krisenschutz» als Beimischung aktuell besonders interessant.  

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz