Nachhaltig anlegen – die Finanzindustrie macht vorwärts

Die 27. Klimakonferenz, welche im November in Sharm el-Sheik stattfand, endete mit einer Ernüchterung. Konkret wurde wenig Neues beschlossen. Derweil macht die Finanzindustrie vorwärts. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien wird immer mehr zum Standard.

Rasanter Anstieg – Nachhaltige Anlagen mit starkem Wachstum

Drei Seiten, wenig Konkretes. Es war eine magere Mitteilung, welche zum Abschluss der 27. Klimakonferenz (COP27) in Sharm el-Sheik an die Presse ging. Zwar wurde ein Arbeitspapier für die Zeit bis 2026 verabschiedet. Allerdings lehnten die grössten Treibhausgas-Sünder China, Brasilien, Indien und Indonesien ein verbindliches Programm ab. Ein konkreter Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleförderung sowie ein Vorschlag für den schrittweisen Abbau von Subventionen für die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas wurden abgelehnt. Als Erfolg wurde die Verabschiedung eines neuen Fonds gefeiert, welcher die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Entwicklungsländer unterstützen soll. Allerdings ist dieser Klimafonds vorerst nicht viel mehr als eine leere Hülle. Es wurde weder entschieden, wer diesen Fonds alimentieren soll, noch wie die Gelder anschliessend zu verteilen sind. Letztlich ging die Konferenz so zu Ende wie die vorangegangenen: viel Lärm und wenig Neues. Damit rückt das Klimaziel für 2050, welches die Erderwärmung auf 1.5 Grad Celsius begrenzen soll, in immer weitere Ferne. 

Während auf globaler Ebene die Konsensfindung schwierig bleibt, schreiten einzelne Länder schon längst zur Tat. Auch in der Finanzindustrie geht es vorwärts. Die Europäische Union (EU) hat mit der sogenannten EU-Taxonomie ein umfassendes Regelwerk für einen nachhaltigen Finanzplatz und zur Bekämpfung von «Greenwashing» verabschiedet. Im Grundsatz geht es dabei um eine Definition von nachhaltigem Wirtschaften sowie um Offenlegungs- und Transparenzvorschriften für Unternehmen und Finanzintermediäre. Den Überblick zu behalten, ist allerdings nicht einfach. Allein der Anhang zum Regelwerk umfasst satte 593 Seiten. Auch wenn die EU-Taxonomie für die Schweiz nicht verpflichtend ist, hat die hiesige Finanzindustrie damit begonnen, ihre Dienstleistungen an die neuen Vorgaben anzupassen. Der Trend zu nachhaltigen Anlagelösungen nimmt damit weiter Fahrt auf.

Entwicklung nachhaltiger Anlagen in der Schweiz, in Mrd. CHF

Quellen: Swiss Sustainable Finance, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz – Mehrstufiger Prozess

Auch bei Raiffeisen ist Nachhaltigkeit kein Lippenbekenntnis. Bereits seit über zwanzig Jahren bieten wir unter dem Futura-Label nachhaltige Vorsorge- und Anlagelösungen an. Und per sofort werden neu bei sämtlichen Vermögensverwaltungsmandaten Kriterien in Bezug auf Umwelt (E), Soziales (S) sowie gute Unternehmensführung (G) – kurz ESG – berücksichtigt. Den Rahmen dafür bietet ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept.

Die fünf Dimensionen des Futura-Ansatzes

Quelle: Raiffeisen Schweiz CIO Office

In einem ersten Schritt werden strenge Ausschlusskriterien angewendet. Diese beziehen sich auf Branchen oder Unternehmenstätigkeiten. Firmen aus der Rüstungsindustrie oder solche, welche fossile Energieträger wie Kohle abbauen, werden aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien sind unter anderem Glücksspiel, Pornografie, Tabak und Alkohol. Die übriggebliebenen Unternehmen werden anhand einer unabhängigen Nachhaltigkeitsanalyse bewertet. Jedem Unternehmen wird dabei ein Rating von A (sehr nachhaltig) bis D (gar nicht nachhaltig) verliehen. Firmen mit einem Rating von C oder schlechter werden aussortiert.

Was heisst das konkret? Im Schweizer Aktienmarkt, gemessen am Swiss Performance Index (SPI), erfüllen beispielsweise von den insgesamt 217 Aktiengesellschaften momentan 118 Titel sämtliche Nachhaltigkeitskriterien und sind damit investierbar. Aus dieser Auswahl werden danach anhand der traditionellen Finanzanalyse und unter Berücksichtigung einer genügend breiten Diversifikation die Musterportfolios für die Vermögensverwaltungsmandate zusammengestellt. Damit ist allerdings noch nicht Schluss. Im Rahmen einer «Active Ownership» nimmt Raiffeisen aktiven Einfluss auf die Entwicklungen. Dies geschieht einerseits durch die Stimmabgabe an den Generalversammlungen (Vergütungen, Verwaltungsratswahlen etc.) und andererseits durch ein sogenanntes «Engagement». Dabei wird ein Dialog mit dem Unternehmensmanagement angestossen, um Fortschritte auf der Ebene der ESG-Faktoren zu erreichen. Zu guter Letzt wird neu ein detailliertes Nachhaltigkeits-Reporting bereitgestellt. So werden zum Beispiel die mit den Anlagen verbundenen Treibhausgasemissionen aufgezeigt.

Kein Renditenachteil – Nachhaltige Anlagen halten mit

Im Zusammenhang mit dem Thema «nachhaltiges Anlegen» werden oft zwei Fragen gestellt: Was bringt das Ganze in Bezug auf eine nachhaltigere Welt? Und was bedeutet dies mit Blick auf das Rendite-Risiko-Verhältnis des Portfolios? 

Ausschlusskriterien allein haben nur einen beschränkten Einfluss. Der Grund ist einfach: Bei Aktien, welche im Sekundärmarkt gehandelt werden, braucht es für jede Transaktion sowohl einen Käufer als auch einen Verkäufer. Wenn also jemand aus Nachhaltigkeitsüberlegungen seine BP-Aktien verkauft, wird diese jemand anderes kaufen. Ebenfalls keine Auswirkung auf die globale CO2-Belastung haben Portfoliobereinigungen. Der Zementhersteller Holcim hat beispielsweise seine Werke in Indien und Brasilien vor Kurzem verkauft. Für Holcim verbessert sich damit die CO2-Bilanz. Da die Werke aber unter neuen Eigentümern weitergeführt werden, ändert sich unter dem Strich ökologisch nichts. Deshalb ist das Thema «Engagement» zentral. Hier hat die Finanzindustrie durchaus die Möglichkeit, Veränderungen und Verbesserungen anzustossen. Der grösste Hebel besteht aber im Primärmarkt. Hier geht es um die Kreditvergabe an Unternehmen, Neuemissionen von Anleihen sowie Börsengänge. Überall wo frisches Kapital aufgenommen werden muss, kann der Finanzmarkt stark «regulierend» wirken.

Wer mit seinen Anlagen eine direkte Nachhaltigkeitswirkung erzielen will, muss deshalb einen Schritt weiter gehen. Im Fachjargon spricht man von «Impact Investing». Hier wird das Geld direkt in Anlagen investiert, welche eine messbare Wirkung erzielen. Beispiele sind Infrastrukturanlagen im Bereich der erneuerbaren Energien oder Mikrofinanz-Anlagen. Bisher waren solche Strategien vor allem institutionellen Anlegern vorbehalten. Bei Raiffeisen bieten wir neu ein entsprechendes Vermögensverwaltungsmandat an. Eine Premiere im Schweizer Markt. 

Und nun zur zweiten Frage. In Bezug auf die langfristigen Renditen von nachhaltigen Anlagen gibt es eine Vielzahl von Studien. Die Resultate sind nicht eindeutig und hängen vom Betrachtungszeitpunkt sowie den gewählten Indizes ab. Da ESG-Indizes naturgemäss eine abweichende Sektorallokation aufweisen, kann auch die Performance von den traditionellen Indizes abweichen. Nach einem starken 2021 war 2022 beispielsweise kein gutes Jahr für nachhaltige Anlagen. Ein Grund dafür liegt im Ukraine-Krieg. Die Energie- und Rohstoffpreise sind massiv gestiegen, was die Erdölaktien beflügelte. Zudem werden die Armeebudgets erhöht, was den Rüstungskonzernen zu einem Höhenflug verholfen hat. In der langen Frist gibt es allerdings keine signifikanten Performanceunterschiede. Der MSCI World ESG Leaders Index weist seit seiner Lancierung Ende September 2007 eine durchschnittliche Jahresrendite von 5.36% auf. Dies entspricht fast punktgenau der Rendite des MSCI World Index (+5.35%). Somit bedeutet nachhaltiges Anlegen keinen Renditeverlust. Einen wesentlichen Vorteil gibt es aber auf der Risikoseite: Eine detaillierte ESG-Analyse hilft, Risiken besser zu verstehen und zu minimieren. Dabei geht es unter anderem um Reputations- und Haftungsrisiken. Unter dem Strich dürfte die konsequente Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien also das Rendite-Risiko-Verhältnis verbessern.

MSCI World Index und MSCI World ESG Leaders Index im Vergleich, Renditedifferenz seit dem 1. Oktober 2007

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Auch wenn die Klimakonferenz enttäuschend ausgefallen ist und die grossen Würfe ausgeblieben sind: Um die Klimaziele zu erreichen, ist jeder Einzelne dazu aufgefordert, einen Beitrag zu leisten. Nachhaltiges Anlegen kann ein Teil davon sein, ohne dass dabei auf Rendite verzichtet werden muss.           

Der CIO erklärt: Was heisst das für Anleger?

Nachhaltiges Anlegen ist im Trend. Bei Raiffeisen setzen wir seit über 20 Jahren auf unseren bewährten Futura-Ansatz. Dieser wurde in diesem Jahr überarbeitet und erweitert. Neu dazugekommen ist ein aktives Engagement in Form eines konsequenten Ausübens der Stimmrechte sowie einem direkten Austausch mit den Unternehmen. Im Zusammenhang mit nachhaltigen Anlagen werde ich oft gefragt, was dies in Bezug auf die Performance bedeutet. Mein Fazit: In der langen Frist gibt es keine signifikanten Performanceunterschiede. 

Der MSCI World ESG Leaders Index weist beispielsweise seit seiner Lancierung Ende September 2007 eine durchschnittliche Jahresrendite von 5.36% pro Jahr auf. Dies entspricht fast punktgenau der Rendite des MSCI World Index (+5.35%). Entsprechend bedeutet nachhaltiges Anlegen keinen Renditeverzicht. Einen wesentlichen Vorteil gibt es aber auf der Risikoseite. Eine detaillierte ESG-Analyse hilft, Risiken besser zu verstehen und zu minimieren. Unter dem Strich bedeutet eine konsequente Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien also tendenziell eine Verbesserung des Rendite-Risiko-Verhältnisses.   

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz