Vorsorge: Ein Marathon, der sich gewinnen lässt

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Viele Schweizer hegen grosse Träume für ihren Ruhestand. Paradoxerweise interessieren sie sich kaum dafür, wie sich diese verwirklichen lassen. Eine Orientierungshilfe, wie man erfolgreich ins Ziel gelangt.

Ausgabe 11/2019 – Vorsorge-Impuls

Lebensstationen

Immer mehr Menschen planen, sich frühzeitig aus dem Arbeitsleben zu verabschieden. Gleichzeitig setzen sie sich wenig oder erst spät mit ihrer Altersvorsorge auseinander: Nur ein Drittel der Schweizer erachtet sich in Vorsorgefragen als kompetent. Das zeigt der neue Raiffeisen Vorsorgebarometer, eine repräsentative Studie, für die über 1000 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt wurden.

Vorsorgen hat viel mit Vertrauen zu tun. Knapp 46 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ein hohes Vertrauen in die Säulen 3a und 3b haben – Pensionskasse und AHV hingegen haben an Rückhalt verloren. Auch hier ein Widerspruch: Obwohl nicht einmal ein Fünftel auf die Vorsorgeleistungen von AHV und Pensionskassen vertraut, nimmt eine Vielzahl das Heft trotzdem nicht selbst in die Hand.

Was wäre, wenn wir das Leben als einen Marathonlauf ansehen würden, mit Ereignissen und Phasen als Etappenziele? Denn Marathon und Vorsorge verbindet einiges: Es braucht eine saubere Planung, Disziplin und Durchhaltewillen. «Vorsorge ist eine Aufgabe für das ganze Leben. Sie bildet eine wichtige Basis für finanzielle Sicherheit und Lebensqualität», erklärt Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenzzentrum Vermögens- und Vorsorgeplanung Raiffeisen Schweiz.

 

18 bis 25 Jahre: Erste Kilometer

Junge Menschen verdienen ihren ersten Lohn, stehen am Anfang ihrer Karriere. Sie möchten die Welt erkunden, ihre Lebensträume verwirklichen. Für den Vorsorgemarathon gilt: Ein früher Start mit regelmässigen Einzahlungen bringt Ausdauerläufer Schritt für Schritt näher ans Vorsorgeziel.

 

Tashi Gumbatshangs Tipp

«Junge Menschen unterschätzen den Faktor Zeit. Es zahlt sich aus, bereits mit 20 Jahren kleinere Beträge in die Vorsorge einzuzahlen. Denn nicht der Betrag ist entscheidend, sondern der frühe Start. Und natürlich der Durchhaltewille. Wer zudem zeitlich gestaffelt in Vorsorgefonds investiert, profitiert von den Chancen der Finanzmärkte und kann Kursschwankungen langfristig ausgleichen.»

 

26 bis 43 Jahre: Rhythmus finden

Diese Etappe des Rennens ist sehr erfüllend, gleichzeitig erfordert sie Engagement und ein neues Verantwortungsbewusstsein. Denn hier werden lebensprägende Entscheide gefällt. Dazu zählen Partnerschaft, Heirat, Kinder oder Wohneigentum. Gerade bei der Familiengründung steht die Absicherung der Liebsten im Zentrum. Das gilt insbesondere, wenn beide Partner Teilzeit arbeiten – die Vorsorgeleistungen ihrer Pensionskassen können sich dadurch deutlich verringern.

Es ist dies auch die Zeit, in der viele in ihren Karrieren durchstarten. Für sie eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, in Sachen Vorsorge- und Vermögensoptimierung eine Schippe draufzulegen. Es gilt, die Renditechancen an den Kapitalmärkten aufgrund des langen Anlagehorizonts zu nutzen und so das Vorsorgekapital wachsen zu lassen.

 

Tashi Gumbatshangs Tipp

«Die finanziellen Risiken einer Erwerbsunfähigkeit oder die Folgen eines Unglücksfalls werden bei der Vorsorge gerne übersehen. Dabei kostet eine Absicherung pro Tag gerade einmal so viel wie eine Tasse Kaffee im Restaurant. Viele Menschen erfüllen sich in dieser Lebensphase den Traum vom Eigenheim. Bei der Berechnung der Tragbarkeit wird bekanntlich ein kalkulatorischer Zinssatz von rund 5 Prozent angewendet, die Hypothekarzinsen liegen jedoch deutlich tiefer. Wir raten, die Differenz in die private Vorsorge zu investieren, statt diese zu konsumieren. Dabei sind Fonds die erste Wahl: Wer einen Zeithorizont von zehn Jahren und mehr mitbringt, wird sein Vermögen dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit vermehren.»

 

44 bis 55 Jahre: Kräfte einteilen

Damit man sein Tempo beibehalten kann und keine Schlussspurts einlegen muss, spricht man jetzt am besten mit seinem Vorsorgespezialisten: Was erhalte ich aus AHV, Pensionskasse und 3. Säule, wenn ich wie bisher einzahle? Eine Optimierung ist vor allem über die zweite und dritte Säule möglich, da viele Menschen in dieser Lebensphase über ein sehr gutes Einkommen verfügen. Auch die Tatsache, dass die Kinder langsam flügge werden, eröffnet neue Freiheiten. Etliche gönnen sich beispielsweise nach intensiven Berufsjahren eine Auszeit. Dabei sollte die jährliche Einzahlung in die Säule 3a nicht vergessen werden. Dauert die Reise länger als ein Jahr, so empfiehlt es sich, die AHV-Beiträge lückenlos nachzuzahlen.

 

Tashi Gumbatshangs Tipp

«Spätestens mit 50 Jahren sollte man seine Pensionsplanung angehen, weil sich hier noch vieles beeinflussen lässt. Dazu gehört, sich Gedanken über den Zeitpunkt der Pensionierung oder die Reduktion des Arbeitspensums auf dem Weg dorthin zu machen. Es ist wichtig, alle Optionen durchzurechnen, denn die Konsequenzen werden oft unterschätzt.»

Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenzzentrum Vermögens- und Vorsorgeplanung Raiffeisen Schweiz
Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenzzentrum Vermögens- und Vorsorgeplanung Raiffeisen Schweiz

«Vorsorge ist eine Aufgabe für das ganze Leben. Sie bildet eine wichtige Basis für finanzielle Sicherheit und Lebensqualität.»

56 bis 64 Jahre: Ziel vor Augen

Auf diesem Abschnitt der Rennstrecke ist Dürfen statt Müssen angesagt. Viele spüren das Bedürfnis, beruflich kürzerzutreten und sich mehr Zeit für vernachlässigte Hobbys zu nehmen – möglichst ohne Abstriche beim Lebensstandard machen zu müssen. Bei Selbständigen steht die Nachfolgeregelung oder die Geschäftsübergabe an die nächste Generation an. Häufig geht damit eine Steuer- und Nachlassplanung einher.

 

Tashi Gumbatshangs Tipp

«Kurz vor der (Früh-)Pensionierung lohnt es sich, die Finanzen nochmals zu justieren. Hierzu gehören die Erstellung eines Budgets, die Definition einer passenden Anlagestrategie für die angesparten Vermögenswerte und die Planung des Kapitalverzehrs. Doch auch ganz banale Dinge wie die rechtzeitige Anmeldung des Rentenbezugs bei der AHV oder der Bezug der Kapitaloption bei der Pensionskasse stehen jetzt an.»

 

Ab 65 Jahre: Moment geniessen

Der Moment des Zieleinlaufs ist gekommen, Geniessen ist angesagt! Zeit zu haben für Freunde, Reisen oder Enkelkinder – darauf freuen sich viele Menschen. Wer jahrzehntelang in seinem Eigenheim gelebt hat, scheut den Tapetenwechsel. Es gilt deshalb, die Tragbarkeit des Wohneigentums im Auge zu behalten. Zudem sollte die Infrastruktur alterstauglich gemacht werden. Aber auch alternative Wohnformen und/oder Betreuungsangebote werden zunehmend nachgefragt. Es stellt sich weiter die Frage, das Wohneigentum frühzeitig an die Kinder zu übertragen. Und Vorsorge bedeutet in dieser Lebensphase ebenfalls, sich mit dem Letzten Willen auseinanderzusetzen und diesen schriftlich festzuhalten.

 

Tashi Gumbatshangs Tipp

«Ein frühzeitiger und auch nach der Pensionierung regelmässiger Austausch mit dem Vorsorgeberater ist unerlässlich. Neben baulichen Fragestellungen geht es insbesondere um eine steuerlich attraktive Finanzierung und die Tragbarkeit sowie Absicherung des Wohneigentums. Darüber hinaus ist es die passende Gelegenheit, eine selbstbestimmte Vorsorge mittels Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag sicherzustellen.»

Um die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit vor dem Ruhestand zu schliessen, gibt es nur einen Weg: Man sollte Vorsorge als lebenslangen Dauerlauf verstehen – und sich nicht auf einen Schlussspurt oder den Staat verlassen. Eine gute und professionelle Begleitung ist eine wichtige Grundlage dafür, um den Vorsorgemarathon zu gewinnen.