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02.06.2023

Die nächste Blase ist schon da

Finanz Ecke Juni23

Die Entwicklung des Technologiesektors verzerrt die Stimmung an der Börse. Die Mehrheit der Aktien hinkt dem Markt dieses Jahr hinterher. 

Der Streit um die Schuldenobergrenze in den USA sorgte vor allem in der zweiten Mai-Hälfte für Verunsicherung. Das Thema wurde medial ausgeschlachtet und hinterliess auf den ersten Blick hauptsächlich an den Märkten in der Schweiz und Europa Spuren. So büsste der Swiss Market Index (SMI) 1,90 Prozent ein und der EURO STOXX 50 verlor gar 3,24 Prozent. Dagegen hielt sich der breite US-Markt, gemessen am S&P 500, mit einem Plus von 0,25 Prozent ziemlich gut und nahm die sich abzeichnende Lösung im Schuldenstreit vorweg. 

Die solide Verfassung des Aktienmarktes spiegelt allerdings nur einen Teil des Bildes. So entwickelten sich im amerikanischen S&P 500 seit Anfang Jahr nur gerade 25 Prozent der Titel besser als der Gesamtindex. Man spricht von einem engen Markt, wenn die Börse von wenigen, grosskapitalisierten Unternehmen getragen wird. Dazu gehören vor allem die Schwergewichte aus dem Technologiesektor. Das führte denn auch dazu, dass der Nasdaq 100 – er umfasst die 100 grössten Technologieunternehmen in den USA – allein im Mai um satte 7,61 Prozent zulegte. 

Der Technologiesektor treibt den Markt
So haben die Valoren von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Tesla 2023 bislang je über 30 Prozent zugelegt. Der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms hat sich mehr als verdoppelt. Getrieben wurde der Technologiesektor vom Thema Künstliche Intelligenz, das derzeit in aller Munde ist. Hauptprofiteure waren die Aktien von Halbleiterunternehmen, allen voran Nvidia. Die Titel haben sich seit Anfang des Jahres um rund 160 Prozent verteuert und schossen unlängst auf ein Allzeithoch. In der Schweiz profitieren die Valoren des Vakuumventilherstellers VAT von diesem Trend, sie haben sich seit Anfang Jahr um 46 Prozent verteuert. Die Gefahr einer Blasenbildung ist unübersehbar. Mit den gestiegenen Erwartungen erhöht sich auch das Enttäuschungspotenzial.

Im Gegensatz zu den USA ist der Schweizer Markt etwas breiter aufgestellt. Hierzulande vermochten immerhin 35 Prozent der Titel den Swiss Performance Index (SPI) zu übertreffen. Durch diesen Unterschied dürfte der Schweizer Markt weniger anfällig sein, sollte es zu einer Korrektur kommen.

Abseits der Tech-Euphorie dominieren bei Anlegern weiterhin die Themen Inflation und Zinspolitik. Im Mai haben die US--Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer restriktiven Geldpolitik festgehalten und den Leitzins um je 25 Basispunkte angehoben. Obwohl sich die Inflation hartnäckig hält, dürfte der Zinserhöhungszyklus in den USA damit abgeschlossen sein. In Europa erwarten wir noch zwei, in der Schweiz einen Zinsschritt im Umfang von je 25 Basispunkten. Die anhaltend hohe Teuerung dürfte aber dazu führen, dass die Zinsen noch länger erhöht bleiben. Für das laufende Jahr erwarten wir, anders als der Konsens der Marktteilnehmer, noch keine Zinssenkungen. 

Höhere Zinsen bremsen das Wachstum
Die höheren Zinsen fordern aber auch ihren Tribut. Deutschland befindet sich mittlerweile in einer technischen Rezession, was mit ein Auslöser ist, dass wir für 2024 jüngst unsere Wachstumsprognosen reduziert haben. In Europa rechnen wir im kommenden Jahr mit einer leichten Rezession. Immerhin dürfte sich die Teuerung bis dann wieder im oder zumindest nahe am Ziel der Notenbanken von 2 Prozent befinden.  

Die Ungewissheit der Anlegerinnen und Anleger spiegelt sich auch in der Achterbahnfahrt der Volatilität. Nach einem Taucher gegen Mitte Monat, der auf eine Entspannung im Bankensektor zurückzuführen ist, ist sie mit den aufkeimenden Sorgen um die Schuldenobergrenze wieder angestiegen. Trotz dieser Unsicherheiten war der Goldpreis unter dem Strich leicht rückläufig. Der Wert des gelben Edelmetalls sank im Monatsverlauf 1,2 Prozent. Allerdings war es keine geradlinige Entwicklung, Anfang Monat verteuerte sich Gold zuerst auf über 2’060 US-Dollar pro Unze. Auch der Schweizer Franken punktete nur teilweise als sicherer Hafen. Während er gegenüber dem Dollar Terrain einbüsste, legte er gegen den Euro zu. 

Marcel Crameri
Leiter Vermögensberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen