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Es bleibt volatil
Hartnäckige Inflation. Restriktivere Geldpolitik. Wachsende Rezessionsgefahr. Das Marktumfeld ist geprägt von Unsicherheit. Entsprechend hielt der Abwärtstrend an den Börsen auch im Juni an.
Es war ein Paukenschlag: Die Rede ist von der Leitzinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) um 50 Basispunkte. Grund ist die Inflation. Die Konsumentenpreise in der Schweiz sind im Mai mit 2.9 Prozent, so stark wie zuletzt vor dreizehn Jahren, gestiegen. Damit haben sich die Währungshüter an ihrer Juni-Sitzung aus dem Fahrwasser der Europäischen Zentralbank (EZB) gewagt. Zudem gibt sie der Preisstabilität klar Vorrang gegenüber der Schwächung des Schweizer Frankens. Auch die meisten anderen grossen Notenbanken blieben nicht untätig. Die US-Notenbank Fed hat die Zinsen um einen Dreiviertelprozentpunkt erhöht sowie den Abbau ihrer auf über 9 Billionen US-Dollar aufgeblähten Bilanzsumme begonnen. Den nunmehr gar fünften Zinsschritt binnen sieben Monaten hat die Bank of England (BoE) beschlossen. In der Eurozone indes wird wohl im Juli der offizielle Startschuss für die Zinswende fallen. Mehr als ein Minischritt in Höhe von 25 Basispunkten dürfte unserer Meinung nach vorerst aber nicht drinnen liegen. Bereits die Aussicht darauf hat die Risikoprämien in den Peripherieländern nach oben schnellen lassen – 10-jährige italienische Staatsanleihen etwa rentierten im Juni zeitweise mit über 4 Prozent, so viel wie letztmals 2013.
Der Bär klopft an
Der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation, die restriktivere Geldpolitik sowie die abflauende Konjunkturdynamik beschäftigten die Börsen auch im Juni. Der Swiss Market (SMI) fiel zeitweise bis auf 10'349 Punkte. Er markierte damit den tiefsten Stand seit Dezember 2020 und bewegte sich zudem auf Bärenmarkt-Territorium (mindestens 20% Wertverlust gegenüber dem letzten Höchststand). Regelrecht unter die Räder gekommen sind zyklische Werte wie jene des Baustoffspezialisten Sika oder des Computerzubehör-Herstellers Logitech, aber auch Finanztitel wie Partners Group oder Credit Suisse. Die defensiven Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche erwiesen sich indes einmal mehr als Stütze des heimischen Leitindex. Auf Monatssicht resultierte für den SMI ein Minus von gut 7 Prozent – mit einem Wertverlust von über 16 Prozent gegenüber Jahresanfang hat er mittlerweile den gesamten Zuwachs aus dem Jahr 2021 ausradiert. Ebenfalls mit deutlichen Kurseinbussen verabschiedeten sich die US-Märkte aus dem Juni: Der breite S&P 500 Index und die Technologie-Börse Nasdaq rutschten währungsbereinigt um 9.2 Prozent respektive 8.8 Prozent ab. Für den STOXX Europe 600 Index ging es fast 11 Prozent nach unten.
Das Gold hat von dem unsicheren Marktumfeld im vergangenen Monat nicht profitiert (-1.6%). Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen neigt der US-Dollar gegenüber den Hauptwährungen weiterhin zur Stärke – einzig zum Schweizer Franken hat der «Greenback» zuletzt etwas schwächer notiert (Juni: -0.46%). Zum anderen sind die Opportunitätskosten aufgrund der höheren Zinsen gestiegen. So rentierten 10-jährige Eidgenossen im Juni zeitweise über 1.5 Prozent – so viel wie zuletzt im Sommer 2011. Ihre US-Pendants kletterten gar bis auf fast 3.5 Prozent. Damit sind (Staats)anleihen wieder eine valable Anlagealternative. Infolgedessen haben wir anlagetaktisch unsere Position bei den in Schweizer Franken gehandelten Investment Grade (IG) Bonds zulasten von Liquidität und globalen Hochzinsanleihen erhöht.
Zu optimistische Gewinnerwartungen
Mit der Berichtssaison zum ersten Halbjahr 2022 steht den Aktienmärkten ein wichtiger Prüfstein unmittelbar bevor. Diese wird Klarheit darüber schaffen, wie sich die Unternehmen in dem anspruchsvollen Marktumfeld geschlagen haben und wie sie in die Zukunft blicken – insbesondere vor dem Hintergrund des wachsenden Margendrucks infolge anhaltender Lieferkettenprobleme, steigender Produzentenpreise sowie höherer Finanzierungskosten. Unserer Meinung nach sind die Gewinnschätzungen für das laufende Fiskaljahr zu optimistisch. Dies birgt Enttäuschungspotenzial. Darüber hinaus belasten die restriktivere Geldpolitik der Notenbanken sowie die wachsende Rezessionsgefahr die Stimmung der Börsianer. Wir gehen daher davon aus, dass die Volatilität an den Märkten erhöht bleiben wird. Anlegern empfehlen wir unverändert den Fokus auf Aktien von Unternehmen mit soliden Bilanzen und einer starken Marktstellung zu legen. Darüber hinaus bleiben eine breite Diversifikation sowie eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie das A und O.
Marcel Crameri
Leiter Vermögensberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen