Wider jeglicher Saisonalität

07.09.2020

Wider jeglicher Saisonalität

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Entgegen seines Rufes als schwacher Börsenmonat präsentierte sich der August erstaunlich freundlich. Doch die Volatilität dürfte in Bälde an die Märkte zurückkehren.

«Sell in May and go away, but remember to come back in September» lautet eine weitverbreitete Anlegerweisheit – und ganz Unrecht hat sie nicht: Traditionell zählt der August zu den saisonal eher schwächeren Börsenmonaten. In sieben der vergangenen zehn Jahre verblieb für Anleger zu Monatsende – gemessen am globalen MSCI World Index – ein negatives Ergebnis. Im Corona-Jahr 2020 ist vieles anders, so auch das: Die Aktienmärkte kannten kein Halten. Der defensive Swiss Market Index (SMI) legte um rund 1,3 Prozent zu. Der deutlich zyklischere Dax verbuchte gar ein Plus von 5,3 Prozent. Und der amerikanische Tech-Index Nasdaq 100 schoss mit einem Kursgewinn von fast 9,8 Prozent auf ein Rekordhoch.

Rar gesäte Alternativen
Die Zeiten des praktisch risikolosen Zinseinkommens aus Staatsanleihen sind vorbei – das globale Tiefzinsumfeld ist spätestens seit den Zinssenkungen der US-Notenbank Fed weit über das Jahr 2020 hinaus manifestiert. Positiv rentierende Anleihen existieren zwar noch, die Ausfallwahrscheinlichkeiten ihrer Emittenten sind allerdings meist deutlich erhöht. Bei den alternativen Investments konnte die breite Masse der Hedgefonds ihr Renditeversprechen im August einmal mehr nicht erfüllen. Viele ihrer Anlagestrategien sind zudem für nicht-institutionelle Marktteilnehmer schwer bis gar nicht durchschaubar: das Risiko entsprechend hoch. Ein Gros der Rohstoffe korreliert stark mit dem Konjunkturzyklus – der Corona-bedingte Wirtschaftseinbruch hat folglich ihre Preise in den Keller rasseln lassen. Seit den März-Tiefständen ist es zwar zu einem Rebound gekommen, aufgrund der u-förmigen Konjunkturerholung ist das weitere Aufwärtspotenzial indessen limitiert. Gold kommt im Portfoliokontext primär die Rolle eines Risiko-Diversifikators zu. Freilich hat das gelbe Edelmetall gegenüber Jahresbeginn erheblich an Wert zugelegt, aber auf das Rekordhoch am 6. August folgte auch eine deutliche Kurskonsolidierung. Auf Monatssicht resultierte ein Minus von 0,4 Prozent.

In Summe lässt sich sagen: Wer sein Geld im derzeitigen Umfeld gewinnbringend – bei aber vertretbarem Risiko – anlegen möchte, der kommt kaum an Aktien vorbei. Jener Mangel an Alternativen hat im August die traditionelle Saisonalität ausgehebelt. Der Effekt wurde verstärkt von der Hoffnung der Märkte auf eine rasche v-förmige Erholung der Weltwirtschaft. In der Gunst der Anleger standen einmal mehr vor allem Dividenden- und Wachstumstitel: Ersteres sind zumeist etablierte Unternehmen mit einer effizienten ökonomischen Strategie – wie etwa Swiss Re. Sie bieten regelmässige und stabile Dividendenausschüttungen. Zweiteres sind wachstumsstarke Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit vornehmlich in zukunftsgerichteten Branchen zu verorten ist. Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist der Tech-Gigant Apple. Seine Marktkapitalisierung hat erst kürzlich die Marke von zwei Billionen US-Dollar durchbrochen.

Volatilität kehrt zurück
Das Coronavirus wird die Welt auch im September auf Trab halten. Die wieder steigenden Neuansteckungen, gepaart mit der bevorstehenden Grippesaison, schüren die Angst vor einer zweiten, möglicherweise schlimmeren, Corona-Welle. Die Zulassung eines wirksamen Impfstoffes oder Medikamentes dürfte indessen noch eine Weile auf sich warten lassen – so rechnet etwa Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht vor kommendem Jahr mit einer Normalisierung der Lage. Sollte das Infektionsgeschehen einen erneuten, flächendeckenden Lockdown notwendig machen, wäre dies ein herber Rückschlag für die Erholung der Weltwirtschaft. Für zusätzliche Unsicherheit werden wohl auch die näher rückende US-Präsidentschaftswahl, die wieder aufkeimenden Spannungen zwischen den USA und China sowie der drohende Non-FTA-Brexit (EU-Austritt ohne Freihandelsabkommen) sorgen. Angesichts dieses volatilen Marktumfeldes bleiben wir in unserer Anlagetaktik leicht defensiv positioniert.

Marcel Crameri
Leiter Anlageberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen