«Wie vererbe ich mein Eigenheim schon zu Lebzeiten?»

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Den «Jungen» einen Wunsch erfüllen – mit dieser Motivation übergeben viele Eltern ihr Haus schon zu Lebzeiten an die nächste Generation. Welche flankierenden Massnahmen nötig sind, damit die grosszügige Geste nicht zum finanziellen Fiasko wird, erfahren Sie hier.

 

 

Das Geschenk wird zur Belastung

Dass sie ihr stattliches Einfamilienhaus dereinst an Sohn Raul übergeben wollen, war für Katrin und Nico Appenzeller schon längst klar – spätestens seit der Geburt von Rauls Tochter, ihrer ersten Enkelin. Sie wollten der jungen Familie Wohneigentum ermöglichen, das sonst kaum erschwinglich gewesen wäre. Auch Rauls jüngerer Bruder Tobias war damit einverstanden. Als Single und Weltenbummler konnte er mit einer Liegenschaft ohnehin herzlich wenig anfangen. Da sich alle einig waren, haben Katrin und Nico das Haus als Erbvorbezug an Raul übergeben und sind in eine gemütliche Mietwohnung gezogen.

10 Jahre nach der Übergabe des Hauses sind die Eltern kurz nacheinander gestorben. Bei der Erbteilung stellen die beiden Söhne fest: Der Erbvorbezug von damals muss jetzt ausgeglichen werden. Denn: Tobias hat gesetzlich nicht nur Anrecht auf die Hälfte des restlichen Vermögens der Eltern, sondern auch auf die Hälfte des aktuellen Werts der Liegenschaft. Da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren markant gestiegen sind, verfügt Raul allerdings nicht über die nötigen Mittel, um seinen Bruder auszuzahlen. Weil er sich mit Tobias nicht anderweitig einigen kann, muss das Haus verkauft werden.

 

Das Problem: die Wertsteigerung ist ausgleichspflichtig

Wird nichts anderes vereinbart, muss ein Erbvorbezug erst beim Tod des Schenkers ausgeglichen werden. Liegt der Wert einer Liegenschaft dann beispielsweise bei 1,6 Millionen Franken und beträgt das restliche Vermögen in der Erbmasse 400'000 Franken, sieht die Rechnung bei zwei Kindern so aus:

Ausgleichspflicht Eigenheim bei Erbvorbezug

Ausgleichspflicht Eigenheim bei Erbvorbezug

Preisentwicklung Wohneigentum

Eine solche Ausgleichszahlung kann einen Erben in eine schwierige finanzielle Situation bringen. Problematisch ist insbesondere, dass der Wert des Hauses zum Zeitpunkt des Erbvorbezugs keine Rolle spielt. Es zählt der aktuelle Verkehrswert. Zwischen Erbvorbezug und Erbteilung verstreichen aber gut und gerne 10 bis 15 Jahre. Während dieser Zeit kann der Wert einer Immobilie markant steigen. Als Beispiel: Im Bezirk Winterthur sind die Preise für Häuser zwischen 2008 und 2018 um 30 Prozent gestiegen, in Lugano um 40 Prozent und in Zug sogar um fast 60 Prozent.

Die Lösung: die Ausgleichspflicht frühzeitig regeln

Damit ein Haus, das in Familienbesitz bleiben soll, nicht plötzlich verkauft werden muss, sollten Sie rechtzeitig Vorkehrungen treffen – am besten unter Beizug aller Beteiligten und eines Experten. So können finanzielle und steuerliche Folgen eines Erbvorbezugs gründlich abgeklärt werden.

In diesem Zusammenhang muss in einer Familiensituation wie im Beispiel zwingend auch das Thema Ausgleichspflicht angegangen werden. Wollen Sie verhindern, dass der Erbvorbezug beziehungsweise der spätere Ausgleich eines Ihrer Kinder in finanzielle Nöte bringt, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:

  • Sie regeln die Ausgleichszahlung in einem Erbvertrag, dem alle Beteiligten zustimmen. Darin können Sie beispielsweise festlegen, dass bereits zum Zeitpunkt des Erbvorbezugs ein Ausgleich zwischen den Kindern stattfindet und dafür auf eine Ausgleichszahlung zum Zeitpunkt der Erbteilung verzichtet wird. Oder Sie legen fest, wann eine Ausgleichung zu erfolgen hat (z.B. beim Tod des zweitversterbenden Elternteils) und wie hoch der Ausgleichungsbetrag sein soll. Durch eine solche verbindliche Vereinbarung kann der jeweiligen finanziellen Situation der Beteiligten besser Rechnung getragen werden.
  • Sie befreien das Kind, das die Liegenschaft übernimmt, in Ihrem Testament von der Ausgleichspflicht. Das ist allerdings nur soweit möglich, als dass die Pflichtteile des anderen Kindes nicht verletzt werden. Beim obigen Beispiel läge der Pflichtteil bei 500'000 Franken (die Hälfte der 1'000'000 Franken). Der Ausgleichsbetrag, der geleistet werden müsste, würde damit von 600'000 Franken auf 100'000 Franken sinken. Hier erfahren Sie mehr zur Erbteilung

Fazit: Machen Sie sich die finanziellen Folgen bewusst

Glühbirne

Damit es zu keinen unangenehmen Überraschungen kommt, sollten die Folgen eines Erbvorbezugs gründlich analysiert werden. Wenn Sie feststellen, dass eines Ihrer Kinder durch spätere Ausgleichzahlungen in finanzielle Nöte geraten könnte, sind flankierende Massnahmen im Rahmen eines Testaments oder eines Erbvertrags unumgänglich. Die Nachlassplanung bietet immer auch Konfliktpotenzial. Wenn es trotz sorgfältiger Vorbereitung kracht, kann eine Mediation weiterhelfen.

Haben Sie weitere Fragen zu Ihrer persönlichen Vorsorge-Situation? Möchten Sie wissen, wo bei Ihnen selbst noch Handlungsbedarf besteht? Ihr Raiffeisen Vorsorgeexperte weiss über die rechtliche und die finanzielle Seite der Nachlassplanung Bescheid und kann Ihnen aufzeigen, welche Optionen Sie haben.

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