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Ungeliebter, aber notwendiger Ersatzneubau
- Pro 100 neu erstellten Wohnungen werden 17 bestehende abgerissen oder gehen durch Umbauten verloren
- Aus einer abgerissenen Wohnung entstehen im Durchschnitt vier neue
- Tiefzinsumfeld schafft bauliche Impulse, dennoch verharrt der Wohnungsbau auf tiefem Niveau
- Da Unternehmen ihre Belegschaft vermehrt zurück ins Büro holen, steigt der Büroflächenbedarf
St.Gallen, 22. Mai 2025. Der Wohnungsbau in der Schweiz stockt. Das Ausmass der ungenügenden Wohnungsproduktion wird deutlich sichtbar, wenn man diese ins Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung oder zum Wohnungsbestand setzt. Wurden zwischen 2004 und 2017 pro 1’000 Bewohner im Schnitt jährlich 7,3 Wohnungen geplant, waren es zwischen 2020 und 2024 noch 5,5. In diesen Zahlen, die sich auf eingereichte Baugesuche beziehen, ist zudem nicht berücksichtigt, dass für die Erstellung von neuem Wohnraum immer häufiger auch Wohnungen abgerissen werden müssen. Denn im Zuge der fortschreitenden baulichen Verdichtung nimmt die Bedeutung von solchen Ersatzneubauten laufend zu. Heute fallen pro 100 neu geschaffene Wohnungen 17 Altwohnungen einem Abbruch oder Umbau zum Opfer, um eine dichtere Bebauung zu ermöglichen. Der Ersatzneubau betrifft schweizweit vor allem Einfamilienhäuser und kleinere Objekte älteren Baujahres, zunehmend aber auch jüngere Gebäude aus den 1960er bis 1980er Jahren. Besonders in städtischen Zentren ist dieser Trend ausgeprägt, da dort sowohl die Ausnutzungsreserven als auch der Verdichtungsdruck hoch sind.
Ersatzneubau schafft ein Vielfaches an neuen Wohnungen
Der Ersatzneubau als Form der Verdichtung gilt als umstritten. Einerseits wird dadurch ein hoher Nettozuwachs an Wohnungen ermöglicht. Im Schnitt entstehen für jede abgerissene Wohnung vier neue. Vor allem in Städten, wo Wohnraum besonders gefragt ist, kann durch Ersatzneubauten viel dringend benötigter Wohnraum entstehen. Andererseits führt der Ersatzneubau zu erheblichen sozialen und ökologischen Herausforderungen. Günstigere Altwohnungen verschwinden und die neuen Einheiten sind meist teurer. Zudem geht die sogenannte graue Energie der alten Gebäude verloren, das heisst die Energie, welche beispielswiese für die Herstellung, den Transport oder die Entsorgung von Baumaterialien sowie für den Bau selbst benötigt wurde. Aus umweltpolitischer Sicht ist dies problematisch. «Trotz Kritik ist der Ersatzneubau oft alternativlos, um den Wohnraummangel ohne weitere Zersiedelung zu bekämpfen, da sanftere Verdichtungsformen, wie Umbauten und Aufstockungen, nicht ausreichen, um die Ausnützung der knappen Baulandflächen zu maximieren. Damit er gesellschaftlich akzeptiert bleibt, muss auch vermehrt auf dessen soziale und ökologische Verträglichkeit geachtet werden», hält Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz fest.
Tiefe Zinsen wecken Wohnbau-Hoffnungen
Die Situation auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt bleibt derweil ausgesprochen angespannt. Aufgrund einer anhaltend robusten Zuwanderung und der tiefen Bautätigkeit übersteigt die Mietwohnungsnachfrage das Angebot. Die kontinuierliche Wohnungsknappheit, die sich in niedrigen Angebotsquoten und rekordverdächtig kurzen Insertionsdauern widerspiegelt, lässt die Mieten bis auf weiteres stark steigen. Dies hat zur Folge, dass die Bevölkerung im bestehenden Wohnungspark immer näher zusammenrückt. Seit einigen Quartalen verfestigen sich aber die Anzeichen, dass vermehrt Wohnungen geplant werden. 2024 wurden in Baugesuchen insgesamt 3'400 mehr Wohnungen registriert als im Vorjahr (+7%). Das Volumen der dadurch erwarteten Ausweitung des Wohnungsbestandes dürfte aber gemäss den Immobilienmarktexperten von Raiffeisen Schweiz nicht ausreichen, um die hohe Nachfrage nach Wohnraum zu befriedigen und die herrschende Wohnraumknappheit massgeblich zu lindern. Die Rückkehr des Tiefzinsniveaus lässt jedoch auf weitere bauseitige Impulse hoffen. Denn die sinkenden Zinsen erhöhen die Attraktivität von Neubauprojekten. «Ob allerdings selbst unter Negativzinsen die hohen Bauniveaus der Vergangenheit wieder erreicht werden können, ist fraglich, dämpfen doch regulatorische Hürden und nur sehr begrenzt verfügbares Bauland unverändert das Potenzial», so Hasenmaile.
Finanzielle Anreize stimulieren die Eigentumsnachfrage
Nach einer kurzen Abkühlungsphase steigt am Eigenheimmarkt die Dynamik bereits wieder spürbar an. Die zinsbedingt wachsende finanzielle Attraktivität von Wohneigentum gegenüber dem Wohnen zur Miete lässt die Eigentumsnachfrage kräftig steigen. Bei einer weiteren Senkung des Leitzinses dürfte sich mit einer Geldmarkthypothek bald ein Kostenvorteil gegenüber einer Mietwohnung von rund einem Drittel ergeben. Auf dem Eigenheimmarkt kommt es folglich wieder zu deutlich mehr Handänderungen und das Wachstum des Hypothekarvolumens legt markant zu. Parallel dazu zieht auch die Preisdynamik kräftig an. Stockwerkeigentum ist innert Jahresfrist um 3,5 Prozent teurer geworden, die Einfamilienhauspreise haben sogar um fünf Prozent zugelegt. «Trotz hoher Immobilienpreise gelingt es kaufwilligen Haushalten das notwendige Eigenkapital aufzubringen, etwa durch Erbvorbezüge oder einen Rückgriff auf Vorsorgegelder. Es ist daher zu erwarten, dass die hohe Preisdynamik weiter anhält», prognostiziert Hasenmaile.
Wachsender Büroflächenbedarf trotz schwacher Konjunkturaussichten
Viele Firmen beordern ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt in die Büroräumlichkeiten zurück. Zwar verharrt der Anteil der Angestellten mit der Möglichkeit ortsunabhängig zu arbeiten noch immer nahe am Höchststand während der Corona-Pandemie. Allerdings hat sich seither die Regelmässigkeit von Homeoffice kontinuierlich reduziert. Die erhöhte Büropräsenz sorgt zusammen mit dem starken Beschäftigungswachstum der letzten Jahre für einen steigenden Flächenbedarf. Auch wenn sich das Beschäftigungswachstum aufgrund der eingetrübten konjunkturellen Aussichten zuletzt abgeschwächt hat, ist vorderhand mit einer wieder zunehmenden Nachfrage nach Büroflächen zu rechnen. Diese hat seit Anfang 2024 zu einem eindeutigen Anstieg der Büromieten geführt – nach dreijährigem leichtem Rückgang. Begünstigt wird diese Entwicklung von einer unverändert schwachen Neubautätigkeit. «Nach mehreren Jahren mit eher durchzogenen Aussichten haben sich die Perspektiven für Büroliegenschaften damit jüngst wieder merklich aufgehellt», analysiert Hasenmaile.