Vorsorgelücken – Das Pensum macht den Unterschied

Frauen sind häufiger von Vorsorgelücken betroffen als Männer. Selbst in gleichberechtigten Beziehungen herrscht bei der Pensionierung selten Gleichstand. Das Beispiel von Miriam und Rolf zeigt, warum die Geschlechter in der Vorsorge vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. 

Fallbeispiel: Miriam (27) und Rolf (26)

 

Miriam und Rolf sind sich einig: Sie führen eine gleichberechtigte Beziehung. Beide sind finanziell unabhängig und teilen sich die Aufgaben im Haushalt. Das Paar ist seit drei Jahren zusammen und lebt in einer 3-Zimmer-Wohnung in einer Schweizer Kleinstadt. Seit Abschluss der Fachhochschule arbeitet Rolf 100 Prozent. Miriam hat ihr Pensum vor drei Jahren für eine Weiterbildung reduziert und ist seither bei 80 Prozent geblieben. 

Weniger Spielraum in der privaten Vorsorge

 

Rolf hat mit seinem Vollzeitpensum genügend Spielraum für die private Vorsorge. Seit drei Jahren zahlt er stets den Maximalbetrag in die Säule 3a ein. Miriam hingegen hat ihre 3. Säule erst vor zwei Jahren eröffnet und bisher nur kleinere Beträge einbezahlt. Da das Paar ein Auto anschaffen will, erreicht sie den Maximalbetrag auch in diesem Jahr nicht. Während Miriam auf das klassische Säule 3a Vorsorgekonto setzt, investiert Rolf seine Vorsorgegelder in Wertschriften. 

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Teilzeit: Tiefere Renten, grössere Vorsorgelücken

Über 60 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Bei den Männern sind es hingegen nur 20 Prozent. Weil für die Altersleistungen der Jahreslohn – und somit auch das Arbeitspensum – ausschlaggebend ist, sind Frauen eher von Vorsorgelücken betroffen. Hinzu kommt, dass ihr Medianlohn rund 10 Prozent tiefer ausfällt. Die Folge sind geringere Renten – vor allem in der beruflichen Vorsorge. Das ist problematisch, auch weil Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung tendenziell länger im Ruhestand sind.

Die Unterschiede vergrössern sich

 

Das Paar heiratet. Als Miriam schwanger wird, beschliesst sie, eine Babypause einzulegen, um Rolf den Rücken freizuhalten. Dieser ist gerade zum Verkaufsleiter aufgestiegen. Die beiden eröffnen ein gemeinsames Konto und einigen sich darauf, dass Rolf bis auf Weiteres den Grossteil der Ausgaben übernimmt. Nach einem Erwerbsunterbruch von einem Jahr steigt Miriam mit einem 40-Prozent-Pensum wieder ins Berufsleben ein. Wenige Monate später wird sie erneut schwanger und beschliesst, sich nochmals ein halbes Jahr auf die Kinder zu konzentrieren.

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Babypause: Erwerbsunterbrüche belasten die 2. Säule

Babypausen und längere Erwerbsunterbrüche aufgrund der Kinderbetreuung haben Folgen für die Vorsorge. Zwar lassen sich Rentenlücken in der AHV durch Leistung der Beiträge für Nichterwerbstätige vermeiden. Auch müssen verheiratete Frauen keine eigenen AHV Beiträge bezahlen, wenn der Ehemann mindestens einen Beitrag in der Höhe von 1'006 Franken pro Jahr (doppelter Mindestbetrag) einzahlt. Doch in der beruflichen Vorsorge ist jedes fehlende Beitragsjahr spürbar. Da viele Frauen nach der Geburt mit einem reduzierten Pensum wieder einsteigen, lässt sich der Rückstand oft nicht aufholen. Im Gegenteil: Der Unterschied zum Partner mit Vollzeitpensum vergrössert sich.

Aufgabenteilung beeinflusst Vorsorgeverhalten

 

Rolf wechselt seinen Job, weil er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen möchte. Er tritt eine 80-Prozent-Stelle an. Miriam stockt derweil ihr Pensum auf 60 Prozent auf. Rolf ist ein engagierter Vater, doch die Aufgabenteilung ist klar: Miriam kümmert sich um organisatorische Dinge wie Kita, Arztbesuche, Schwimmunterricht und vieles mehr. Rolf hat dafür die Finanzen der Familie im Griff. Inzwischen sind die beiden Mitte 30. Rolf konnte mit seinem Vorsorgefonds bereits ein beachtliches Vorsorgekapital in der Säule 3a aufbauen. Er versucht Miriam von den Vorteilen von Vorsorgefonds zu überzeugen, doch sie sagt, sie kenne sich mit Aktien zu wenig aus.

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Vorsorgewissen: Wer mehr weiss, investiert eher

Zahlreiche Studien zeigen, dass sich Männer intensiver mit Finanzthemen auseinandersetzen. Das Raiffeisen Vorsorgebarometer bestätigt diesen Befund: Frauen schätzen ihr Vorsorgewissen signifikant tiefer ein als Männer. Dies ist mit ein Grund, warum sich viele Frauen nicht trauen, ihre Vorsorgegelder in Wertschriften zu investieren. Ältere Frauen bereuen es laut der Befragung zudem häufig, sich nicht früher mit dem Thema Vorsorge auseinandergesetzt zu haben.

Vorsorge bedeutet Eigenverantwortung

 

Die Kinder gehen mittlerweile in die Schule und zuhause herrscht immer öfter dicke Luft. Miriam ertappt sich beim Gedanken, wie sie im Falle einer Scheidung dastehen würde. Sie erinnert sich, dass ihre Mutter nach der Trennung von ihrem Vater Unterhaltszahlungen erhalten hat und Hausfrau bleiben konnte. Sie recherchiert im Internet und findet heraus, dass dies heute nicht mehr zwingend so ist. Also nimmt sie die Sache in die Hand und meldet sich für eine Vorsorgeberatung an. Die Bankberaterin analysiert die Situation der 43-Jährigen. Sie empfiehlt ihr, die Säule 3a möglichst rasch auszubauen. So lässt sich Miriam doch noch überzeugen, in Vorsorgefonds zu investieren.

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Scheidung: Ehe ist keine «Lebensversicherung»

Lange war die Ehe das Fundament der weiblichen Vorsorge. Das ist heute anders. Das Bundesgericht hat in mehreren Scheidungsurteilen entschieden, dass die Ehe keine «Lebensversicherung» mehr ist. Die Unterhaltszahlungen werden zunehmend reduziert. Immerhin sorgt das sogenannte Einkommenssplitting bei der AHV und der Vorsorgeausgleich bei der Pensionskasse für Kompensationen in der staatlichen und beruflichen Vorsorge: Ob das Vermögen in der privaten Vorsorge geteilt wird, ist abhängig vom Güterstand.

 

Unausgeglichene Bilanz vor der Pensionierung

 

Zur Scheidung kommt es dann doch nicht. Nach einer Paartherapie raufen sich Rolf und Miriam zusammen. Beide haben den 50. Geburtstag hinter sich und die Kinder sind ausgezogen. Gemeinsam gehen sie die Pensionierungsplanung an. Die Schlussbilanz erstaunt beide: Obwohl sie ihre Beziehung bis heute als gleichberechtigt erachten, trägt Rolf deutlich mehr zum Budget des Ehepaars im dritten Lebensabschnitt bei. Miriam konnte ihre Vorsorgelücken zwar weitgehend schliessen, doch ihre weibliche Biografie hat dennoch Spuren hinterlassen.

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