Passenden Finanzierungsmix finden

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Landwirtschaftsbetriebe befinden sich im Spannungsfeld zwischen steigenden Kosten und einem erhöhten Investitionsbedarf. Raiffeisen-Experte Marco Meier und RUZ-Begleiter Edi Platter erklären, welche Möglichkeiten Landwirtinnen und Landwirte haben, um Neuerungen zu finanzieren, Kosten zu senken und ihren Ertrag zu steigern.

 

Raiffeisen hat seine Wurzeln in der Landwirtschaft. Aktuell betreuen die Raiffeisenbanken in der Schweiz über 27'000 Landwirtinnen und Landwirte. Mit welchen finanziellen Herausforderungen kommen diese zu den Raiffeisenbanken vor Ort?

Marco Meier: Viele Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz wollen ihren Betrieb modernisieren, digitalisieren und nachhaltiger machen. Dafür benötigen sie finanzielle Mittel. Zudem haben viele kurzfristigen Liquiditätsbedarf – Grund sind die starken Preissteigerungen bei vielen Betriebsmitteln wie Treibstoff, Energie oder Futter.

Edi Platter: Bei vielen Betrieben verharrt der Erlös seit Jahren auf gleichem Niveau – die Kosten aber steigen immer weiter, auch durch höhere Auflagen. Um den Ertrag zu steigern, braucht es Investitionen, die finanziert werden müssen.

 

«Viele Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz wollen ihren Betrieb modernisieren, digitalisieren und nachhaltiger machen.»

Marco Meier, Leiter Geschäftsentwicklung & Spezialprodukte Firmenkunden, Raiffeisen Schweiz

 

In welche Bereiche wird derzeit am häufigsten investiert? 

E.P.: Überall dort, wo sich durch gezielte Massnahmen Kosten reduzieren oder Zusatzerträge generieren lassen. 

M.M.: Die drei grossen Themenfelder sind Investitionen in Maschinen und Anlagen, Vergrösserung des Betriebs sowie Erweiterung des Geschäftsfelds – zum Beispiel die Umstellung auf biologischen Landbau oder die Nutzung erneuerbarer Energien auf dem eigenen Betrieb. 

 

Nachhaltigkeit ist gesellschaftspolitisch eines der brennenden Themen. Welche spezifischen Herausforderungen bringt sie in der Landwirtschaft?

E.P.: Jeder Betrieb muss zur Förderung der Nachhaltigkeit beitragen. Zum Beispiel mit Massnahmen zum Erhalt von fruchtbaren Böden und der Biodiversität sowie Anpassungen an den Klimawandel. Viele Investitionen wie Freilaufställe oder gehörnte Kühe bringen auf der Ertragsseite allerdings nicht viel – sie stellen aber sicher, dass sich die Produkte weiterhin vermarkten lassen. 

 

Was bedeutet das für die Finanzen?

E.P.: Für die Landwirte ist es ein steter Balanceakt: Eine nachhaltige Produktion lässt sich heute für viele kleine und mittlere Betriebe kaum mit Wirtschaftlichkeit vereinbaren. Die Landwirte müssen ihr Geschäftsmodell hinterfragen und Kapital in die Hand nehmen, die finanzielle Situation lässt dies jedoch oft nicht zu.

M.M.: Solche Vorhaben sind meist nicht aus eigenen Mitteln finanzierbar. Gleichzeitig lassen sich die Kosten auch nicht vollumfänglich auf die Kundinnen und Kunden abwälzen. Somit wird der Bedarf an Fremdfinanzierung grösser. Wir beobachten aber auch, dass Investitionen teilweise so lange wie möglich herausgezögert werden.

Mit welchen Folgen?

E.P.: Das Resultat ist ein Investitionsstau. Hinzu kommt, dass sich ein paar Jahre vor der Pensionierung so mancher Landwirt überlegt, ob er diese oder jene Investition noch tätigen soll. So kann es sein, dass Investitionen bis zum Generationenwechsel hinausgezögert werden. Das birgt aber auch Chancen: Jede Hofübernahme ist eine Möglichkeit, Veränderungen von Grund auf anzugehen – zum Beispiel Anpassung des Geschäftsmodells, Effizienzsteigerungen oder die Umstellung auf erneuerbare Energien. 

 

«Jede Hofübernahme ist eine Möglichkeit, Veränderungen von Grund auf anzugehen.»

Edi Platter, Verantwortlicher Kompetenzteam Unternehmensentwicklung und Finanzen am RUZ 

 

Wie kann die Bank helfen?

M.M.: Durch individuelle Beratung und Finanzierung. Unsere Kundenberater an den 800 Standorten sind lokal verankert und kennen sich mit den örtlichen Begebenheiten aus. Gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten suchen wir nach dem passenden Finanzierungsmix für den kurz-, mittel- und langfristigen Bedarf. Das können Darlehen, Hypotheken oder auch Leasing sein. Gerade letzteres eignet sich ideal für die Anschaffung von Maschinen und Anlagen. Die Leasingraten lassen sich massschneidern und saisonalen Liquiditätsschwankungen anpassen.

 

«Leasing eignet sich ideal für die Anschaffung von Maschinen und Anlagen. Die Raten lassen sich massschneidern und saisonalen Liquiditätsschwankungen anpassen.»

Marco Meier, Leiter Geschäftsentwicklung & Spezialprodukte Firmenkunden, Raiffeisen Schweiz 

 

Welche weiteren Möglichkeiten gibt es?

E.P.: Zum optimalen Finanzierungsmix gehören auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten.  Kantone, Bundesämter oder Stiftungen unterstützen Landwirtschaftsbetriebe zum Beispiel bei der Betriebsübernahme, Biodiversitätsmassnahmen oder Wohnhaussanierungen. Auch das Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ steht Landwirtinnen und Landwirten beratend zur Seite. 

Sie haben die steigenden Kosten auf breiter Front erwähnt. Wie lassen sich diese abfedern?

E.P.: Eine gesunde und nachhaltige Ertragslage ist das A und O. Dafür müssen Landwirtinnen und Landwirte ihren Betrieb laufend optimieren und versuchen, Synergien zu nutzen. Sie können etwa Einkaufsgemeinschaften bilden und so Mehrmengen zu günstigeren Preisen einkaufen oder sich – dort wo es das Timing und das Wetter erlauben – Arbeiten und Maschinen teilen bzw. untereinander austauschen. Generell gilt allerdings: Die Möglichkeiten sind begrenzt.

 

Wie lässt sich der Ertrag optimieren?

M.M.: Viele Landwirtschaftsbetriebe schaffen sich Zusatzerträge im angestammten Geschäft oder bauen sich neue Standbeine auf. Ein Beispiel sind Photovoltaikanlagen, deren überschüssiger Strom ins Netz eingespiesen und verkauft werden kann – hier muss man aber wissen, dass sich diese erst nach etwa 15 Jahren rechnen. 

E.P.: Weitere Standbeine sind zum Beispiel Hofläden, Gemüseabos oder das Beliefern von Restaurants in der näheren Umgebung. Dadurch verringert man die Abhängigkeit von den Grossisten und generiert mit ähnlichem Aufwand mehr Ertrag. Auch Erlebnisbauernhof-Angebote oder Lohnarbeiten auf anderen Betrieben sind Möglichkeiten.

 

«Weitere Standbeine sind zum Beispiel Hofläden, Gemüseabos oder das Beliefern von Restaurants in der näheren Umgebung.»

Edi Platter, Verantwortlicher Kompetenzteam Unternehmensentwicklung und Finanzen RUZ 

 

Ist die finanzielle Situation angespannt, bleibt die Vorsorge oft links liegen. Was raten Sie Ihren Kunden hierzu?

M.M.: Es ist sehr wichtig, dass die persönliche Alters- und Risikovorsorge nicht vernachlässigt und frühzeitig adressiert wird. Zentral ist eine gründliche Analyse und Planung – auch dabei kann der persönliche Kundenberater helfen. Dabei gilt es auch, die Vorsorgesituation der Partnerin oder des Partners, die bzw. der auf dem Hof mitarbeitet, zu berücksichtigen. Erhält diese Person einen Lohn ausbezahlt, kann sie ebenfalls in die AHV und in die zweite Säule einzahlen.

Marco Meier, Leiter Geschäftsentwicklung und Spezialprodukte Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz

Marco Meier ist Leiter Geschäftsentwicklung und Spezialprodukte Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz. Er verfügt über langjährige Erfahrung und fundiertes Fachwissen im Bereich Firmenkunden und kennt die Herausforderungen von Schweizer Unternehmen aus seiner täglichen Arbeit.

Edi Platter, Verantwortlicher Kompetenzteam Unternehmensentwicklung und Finanzen am Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ

Edi Platter ist Verantwortlicher Kompetenzteam Unternehmensentwicklung und Finanzen am Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ. Er ist mit der Landwirtschaft bestens vertraut: Seine Partnerin führt zusammen mit ihrer Tochter einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb.