«Industrie 4.0» bezeichnet die Digitalisierung von Leistungen, Technologien und Prozessen. Drei Schweizer Unternehmer nehmen hier eine Pionierrolle ein. Sie erklären, worauf es ankommt, wenn man von den Vorteilen dieser industriellen Revolution profitieren möchte.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung ergibt sich für den Schweizer Werkplatz ein grosses wirtschaftliches Potenzial, denn sie öffnet bisherige Grenzen. «Smarte» Produkte und Dienstleistungen generieren für die Unternehmen wertvollen Zusatznutzen und ermöglichen neue Geschäftsmodelle sowie massgeschneiderte Lösungen für Kunden weltweit.
Für das Gelingen von Industrie 4.0-Projekten sind aber seitens Schweizer Unternehmen eine hohe Innovationsbereitschaft und die Bereitschaft, neuen Technologien mit Offenheit, Neugierde und Weitsicht zu begegnen, erforderlich. Die drei Unternehmen Baumer Group, Eugen Seitz AG und Pi2 PROCESS AG haben sich der Herausforderung «Industrie 4.0» gestellt und Digitalisierungsprojekte in ihrem Unternehmen angestossen.
Welche Faktoren sind zentral, damit Digitalisierungsprojekte gelingen?
«Die gesamte Geschäftsleitung muss geschlossen hinter der digitalen Transformation stehen», betont Thomas Girelli, COO der Eugen Seitz AG. Auch Thomas Ehrat, Leiter Verkauf der Baumer Group, sagt: «Das Wichtigste für uns war, dass das Management vom Projekt überzeugt ist.» Denn der Wandel zur «Industrie 4.0» muss als Chance wahrgenommen werden. Wichtig sei auch die Überzeugung, dass sich die Investitionen in die Digitalisierung auszahlen – obwohl der Return of Investment im Vorfeld nicht immer einfach und plakativ aufgezeigt werden könne.
Laut Pietro Pignatiello, CEO der Pi2Process AG, ist zudem die Einstellung der Mitarbeitenden ein Erfolgsfaktor: «Sie müssen für die Veränderungen sensibilisiert und vorbereitet werden.»
Was ist der grösste Vorteil für Ihren Betrieb?
«Die Standardisierung!», sagt Pietro Pignatiello. «Wir haben nun einfache, transparente und durchgängige Prozesse, die rückverfolgt werden können.» Thomas Ehrat ergänzt: «Die Digitalisierung bietet die Chance, bestehende Geschäftsmodelle ertragreicher zu machen. Auch solche, die bisher nicht wirtschaftlich realisiert werden konnten, können wir jetzt profitabel umsetzen.»
Vorsichtiger äussert sich Thomas Girelli. Er sagt: «Von Vorteilen kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sprechen. Es geht vielmehr darum, sich mit Neuem zu beschäftigen und auch den Mut zu haben, dieses auszuprobieren.» Er sehe das ähnlich wie in der Landwirtschaft: «Wenn man nicht sät und den Boden nicht bewirtschaftet, kann man nicht ernten. Doch längerfristig wird auch bei der Digitalisierung die Wertschöpfung auf allen Stufen optimiert und der Erfolg stellt sich ein.»
Was war die grösste Herausforderung?
«Den Mitarbeitenden die Angst nehmen», ist Pietro Pignatiello überzeugt. «Sie müssen verinnerlichen, dass Digitalisierung eine Chance für die Entwicklung des Unternehmens darstellt – und damit eine positive Veränderung ist.» Thomas Girelli ergänzt: «Eine grosse Herausforderung für uns war, dass wir selbst weder Wissen noch Erfahrungen in diesem Bereich hatten.»
Schwierig war es laut Thomas Ehrat auch, die Prozesse während laufender Produktion schrittweise zu digitalisieren und so eine kontinuierliche Umsetzung anzustreben.
Was raten Sie Unternehmern, die das Thema angehen möchten?
«Digitalisierung ist eine Chance, den Wert des Unternehmens sowie jedes einzelnen Mitarbeitenden zu steigern», sagt Pietro Pignatiello. «Beginnen muss die Umsetzung aber im Kopf der Führung.» Diese Meinung teilt auch Thomas Girelli: «Digitale Transformation ist Chefsache und muss vom obersten Organ eines Unternehmens getragen und unterstützt werden», sagt er. «Zudem muss die Belegschaft Leidenschaft und Herzblut für das Thema spüren – und auch befähigt und zu Beteiligten gemacht werden.»
Thomas Ehrat rät zudem, nicht zu glauben, dass man in einem Schritt eine ganze Produktion umgestalten könne. Vielmehr müsse man Prozesse schrittweise digitalisieren, um die Investitionen stemmen und die Resultate sichtbar machen zu können.
Wir stellen die drei Unternehmen vor
Die Baumer Group
Die Baumer Group mit Sitz in Frauenfeld (TG) produziert Sensoren, Drehgeber, Messinstrumente und Komponenten für Fabrik- und Prozessautomation. Effizienter Warenfluss, Automatisierung, Vernetzung sowie schlanke und durchgängige Prozesse gehören zum Alltag. Seit über 20 Jahren optimiert das Unternehmen seine Prozesse und wird sich auch zukünftig auf die Digitalisierung konzentrieren.
Die Eugen Seitz AG
Die Eugen Seitz AG in Wetzikon (ZH) ist führend in der Ventiltechnologie für gasförmige Medien im Mittel- und Hochdruck-Bereich. Ihre Lösungen kommen in spezifischen Nischenmärkten wie PET-Flaschen Herstellung, Kernkraftwerke, Motorentechnik und Erdgas-/Wasserstoff-Tankstellen zur Anwendung. Mit schlanken Prozessen, hohem Automatisierungsgrad sowie durchgängiger Digitalisierung von Maschinen und Prozessen lebt das Unternehmen Lean Management und arbeitet ständig an der Optimierung von Infrastruktur und Abläufen.
Die Pi2 PROCESS AG
Die Pi2 PROCESS AG (früher Otto Ackermann AG) in Freienbach (SZ) beliefert seit mehr als 50 Jahren verschiedenste Industrie-Unternehmen mit präzisen Einzelteilen, Baugruppen und Geräten. Im Rahmen der Digitalisierung hat sich die Pi2 PROCESS AG für eine integrierte Gesamtlösung von SAP entschieden. Mit einer grossen Investition in die neueste 3D-Drucktechnologie hat sich die Firma als erste Anbieterin von Hybrid Additive Manufacturing (Pi2-HAM) in der Schweiz etabliert.
Unterlagen zur Digitalisierung in Schweizer Unternehmen
Studie KMU Spiegel 2017 (PDF, 2.6MB)