Frauen sollten ihre Finanzen nicht dem Partner überlassen

Sabine Schurr, Leiterin des Kompetenzzentrums Anlegerinnen, hat einen Gastbeitrag in der renommierten Publikation Finanz und Wirtschaft verfasst. In ihrem Artikel beleuchtet sie das spannende Thema der finanziellen Bildung von Frauen und die damit verbundenen Herausforderungen.

19.04.2024

Frauen sollten ihre Finanzen nicht dem Partner überlassen

Warum ist finanzielle Bildung für Frauen entscheidend?

Frauen und Männer gehen unterschiedlich mit Finanzen um. Sabine Schurr, langjährige Vermögensberaterin und ehemalige Unternehmerin, kennt die Bedürfnisse unserer Privat- und Firmenkundinnen aus eigener Erfahrung. Sie weiss, dass diese Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen variieren. Dabei spielen Faktoren wie Teilzeitarbeit, Familienverantwortung und traditionelle Rollenbilder eine wichtige Rolle.

Viele Studien und Statistiken belegen, dass Frauen anders mit Finanzen umgehen als Männer. So sind sie beispielsweise vorsichtiger beim Anlegen als Männer, wie das Raiffeisen-Vorsorgebarometer 2023 bestätigt. Zu dem interessieren sich Frauen gemäss der Studie "Digitales Anlegen" der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2020 weniger für das Geschehen an den Finanzmärkten. Gleichzeitig erhalten sie in der Schweiz im Durchschnitt monatlich 1441 Fr. weniger Rente als Männer.

Der Bedarf an mehr Interesse an Finanzen ist also gegeben. Gehen die Beratungsangebote von Finanzdienstleistern zu wenig auf die Bedürfnisse von Frauen ein? Oder gibt es andere Gründe, warum Frauen sich nicht stärkerum ihre eigenen Finanzen kümmern?

 

Mehr Teilzeit und Familie 

Die Bedürfnisse der Kundschaft ändern sich in den verschiedenen Lebensphasen. Heutzutage versuchen viele Banken, diesen Ansprüchen mit der sogenannten LebenszyklU!lberatung gerechtzu werden. Allerdings ist bei Frauen die Varianz bei der Lebensrealität grösser als bei Männern: Längere Lebenserwartung, mehr Teilzeit- und Familienarbeit und damit verbunden eine schlechtere Vorsorge sowie ein höherer Delegationsgrad. bei Finanzentscheiden sind nur einige Beispiele.

Zudem stellen wir in unserer täglichen Arbeit fest, dass viele Frauen ein vergleichsweise geringes Selbstbewusstsein in Sachen Finanzen aufweisen. In den meisten Partnerschaften ist nach wie vor der Mann der Hauptverdiener, entsprechend sind die Themen Geld, Finanzen und Vorsorge vorwiegend bei ihm angesiedelt. Dieser Erfahrungswert spiegelt sich im insgesamt tieferen Interesse von Frauen an Finanzthemen. Das Raiffeisen Vorsorgebarometer zeigte wiederholt, dass Frauen ihr Finanzwissen geringer einschätzen als Männer. Es ist naheliegend, dass sie vielfach auch deshalb aufs Anlegen ganz verzichten und sich so wichtige Renditechancen vergeben. 

Eine folgenschwere Kombination in Anbetracht der Scheidungsquote in der Schweiz von 41%. Viele Frauen stehen nach einer Trennung oder dem Tod des Partners vor finanziellen Problemen oder sind mit der Vetwaltung ihres Vermögens überfordert. Bei einer professionellen, frauenspezifischen Beratung müssen all diese Aspekte berücksichtigt werden. Handwerklich ist eine Finanzberatung für Frauen grundsätzlich gleich wie für Männer. Es gibt aber fundamentale Unterschiede, weniger beim Was, sondern mehr beim Wie. Es geht um die Sprache und den Prozess, wie Frauen zu Lösungen finden. 

So unterscheidet sich der Entscheidungsprozess bei Frauen oft von demjenigen bei Männern. Es zeigt sich, dass Frauen die Vor- und die Nachteile von Lösungsvorschlägen sorgfältiger abwägen, bevor sie eine Entscheidung treffen.
 

Gespräche auf Augenhöhe

Versteht eine Frau eine Lösung nicht, entscheidet sie oft nicht und belässt das Geld lieber einfach auf dem Konto - und das hat gerade in Marktphasen von negativen Realzinsen fatale Folgen. Das A und O ist, auf Augenhöhe mit den Kundinnen zu sprechen, und dies in einer leicht verständlichen Sprache mit möglichst wenig Fachjargon. Beratung von Frau zu Frau kann dabei helfen. 

Anfragen von Frauen, die bewusst von Beraterinnen zu Finanzthemen begleitet werden möchten, nehmen laufend zu. Fachstellen dafür sollten aber keine männerfreie oder gar ideologiegetriebene Zone sein. Männer können Kundinnen ebenso gut beraten, wenn sie sich der spezifischen Fragestellungen und unterschiedlichen Ausgangslage bewusst sind. 

Es braucht vielmehr einen auf Frauen zugeschnittenen Gesprächsstil und individuelle Lösungen, die Produkte sind aber dieselben wie für Männer. Analoge Konzepte gibt es in anderen Bereichen, beispielsweise für Unternehmer, Immobilienbesitzer, aber auch in der Medizin.
 

Anlegen macht unabhängig

Wie kommt frau überhaupt zu einer frauenspezifischen Finanzberatung, wenn sie sich bisher nicht mit ihren Finanzen beschäftigte? Workshops, Referate und Web-Events, die von speziellen Kompetenzzentren organisiert werden, sind ein guter Eisbiechertmd stossen auf positive Resonanz. Es geht darum, die Berührungsängste vor dem Thema zu reduzieren. Erfahrungsgemäss wird über das Thema Geld viel offener gesprochen, wenn Frauen unter sich sind. Viele Frauen fühlen sich in diesem Umfeld mit ihren Fragen weniger exponiert und besser verstanden. Das ist ein wichtiger erster Schritt, um sich in die eigenen Finanzen zu vertiefen. 

Klar dürfte sein, dass der Grad der Iligenverantwortung bei Frauen in Sachen Finanzen wachsen muss. Dafür müssen die Banken das Thema Financial Literacy nicht vom akademischen Elfenbeinturm aus, sondern möglichst nah an der Lebensrealität vermitteln. Sieb um die eigenen Finanzen zu.kümmern, ist weder schwierig noch mühsam. Das Gegenteil ist sogar häufig der Fall: Es macht Spass, denn es macht unabhängig.

 

Frauen und Vorsorge

Warum anders gespart werden muss: Eine Frau lebt im Durchschnitt knapp vier Jahre längerals ein Mann. Dadurch müssen entsprechend mehr Mittel für den Lebensunterhalt nach der Pensionierung angespart werden. Zudem arbeiten Frauen viel öfter Teilzeit oder sind gar nicht berufstätig. Das geschlechtsspezifische Rentengefälle - der sogenannte Gender Pension Gap - ist in der beruflichen Vorsorge am grössten: Frauen erhalten rund 46% weniger Rente aus der Pensionskasse als Männer. Viele Frauen können sich zudem die Einzahlung des Maximalbetrags in die Säule 3a oft nicht leisten, da aufgrund des Teilzeitpensums weniger liquide Mittel zur Verfügung stehen. 
 

Sabine Schurr, Leiterin Kompetenzzentrum Anlegerinnen
Bilanz-Siegel

Gesamtsiegerin im Private Banking Rating 2023 und beste Anlagebank «national»

mehr erfahren