Sie sagten, ein Grund für die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sei das duale Bildungssystem. Weshalb muss es verteidigt werden?
Das duale Bildungssystem trägt wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz bei – doch auch es ist dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Einer der Gründe ist die hohe Migration etwa aus Deutschland oder Frankreich, wo das Abitur – die gymnasiale Maturität – einen höheren Stellenwert hat als die Berufslehre. In vielen Ländern gilt ein Studium als bessere Wahl, und die Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystems ist nicht überall bekannt. Doch am Ende des Tages muss die Arbeit nicht nur gedacht, sondern auch gemacht werden. Meines Erachtens ist eine Berufslehre mindestens so gut wie ein Studium. Wer im dualen Bildungssystem gross wird, hat später als Unternehmerin oder Unternehmer einen Vorteil: Diese Leute kennen ihre Branche von der Pike auf.
Welche Rolle spielen Hochschulen im Forschungs- und Werkplatz Schweiz?
Im Umfeld von Spitzenhochschulen bilden sich immer Cluster mit Industrien, welche Forschung in Entwicklung umsetzen. So entstehen Biotope für Ideen und Innovation – man denke an das berühmte Silicon Valley rund um die Stanford University im kalifornischen Palo Alto. Auch in der Schweiz finden sich solche Cluster. Beim EPFL in Lausanne entstand zum Beispiel das «Trust Valley» mit weltweit führender Expertise im Bereich digitaler Sicherheit und Cybersecurity. Ein anderes Beispiel ist der Bio-Technopark in Schlieren, ein Life-Science-Cluster mit zahlreichen Spin-off-Unternehmen der ETH Zürich.
In welchen Bereichen liegt derzeit der grösste «Innovationsfokus»?
Die Schweiz bringt in allen möglichen Bereichen innovative Entwicklungen hervor, von der Hirnforschung bis zur Raumfahrt. In der Romandie etwa wird an Sensoren geforscht, mit deren Hilfe Gelähmte ihre Muskulatur bewegen können, und in der Deutschschweiz werden die entsprechenden Geräte gebaut. Oder: An der Uni Zürich ist der «Space Hub» entstanden, wo Koryphäen aus aller Welt medizinische Anwendungen für die Luft- und Raumfahrt erforschen.
Die Industrie hat in den letzten Jahrzehnten aus Kostengründen viele Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Setzt sich diese Entwicklung fort?
Aus Sicht der Unternehmen ist eine Auslagerung dort sinnvoll, wo die Lohnkosten einen grossen Teil der Produktionskosten darstellen, also in der Massenproduktion. Bei wertschöpfungsreichen Produkten und Dienstleistungen machen die Lohnkosten einen kleineren Anteil an den Gesamtkosten aus. Hier brauchen insbesondere forschungsintensive Industrien Fachleute, die über spezifisches Wissen verfügen, die Innovationen vorantreiben, Prototypen bauen und zur Serienreife überführen. Manche Industrien verlagern sogar zurück in die Schweiz, etwa aus Taiwan und China, damit wir im Krisenfall nicht plötzlich von Schlüsseltechnologien abgeschnitten sind. Es findet ein Umdenken statt: Die Schweiz will ihr «savoir faire» erhalten.
Und wie sieht es mit der staatlichen Subventionierung von Industriezweigen aus?
Subventionierung ist ein Eingriff in die Marktwirtschaft. Sie verzögert den Strukturwandel und ist kein nachhaltiges Modell. Schauen wir nach Deutschland, wo die Windenergie stark subventioniert wird. Wenn die Zuschüsse wegfallen – wie es bereits bei der Elektromobilität geschehen ist –, rentiert sie nicht mehr. Ist ein Geschäftsmodell auf Subventionen aufgebaut, überlebt es langfristig nicht. Anders sieht es aus bei der Grundlagenforschung: Diese ist auf staatliche Förderung angewiesen, um zu gedeihen. Und das ist enorm wichtig, denn Forschung ist die Basis für Prosperität und internationale Wettbewerbsfähigkeit.