US-Zollpolitik stellt Aussenhandel auf den Kopf
Die Erhöhung der US-Zölle auf 39 Prozent hat die Stimmungslage von Schweizer KMU kaum getrübt. Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Raiffeisen bei Schweizer KMU beurteilen die Unternehmen die allgemeine Wirtschaftslage im Durchschnitt gleich zuversichtlich wie vor der Zollankündigung durch die USA vom 1. August 2025. Das zeigt ein Vorher-Nachher-Vergleich. Für die Umfrage «Raiffeisen Wirtschaftspuls: Die Stimme der KMU» wurden vor dem Zollentscheid und danach je 500 Firmen mit 10 bis 249 Mitarbeitenden befragt.
10.11.2025
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Umfrage von Raiffeisen bei Schweizer KMU zeigt, dass 68 Prozent der exportorientierten KMU in der Schweiz neue Wege einschlagen
- Die Unternehmen haben ihre Exportstrategie angepasst – etwa durch Neuverhandlungen mit Kundinnen und Kunden oder durch die Erschliessung neuer Länder und Märkte
- Mehr als zehn Prozent der Export-KMU überdenken ihre Exportstrategie und überlegen sich einen Rückzug aus dem Ausland
- Beziehungen zur EU gewinnen für die KMU aufgrund des Zollstreits mit den USA an Bedeutung
«Kaum ein exportorientiertes Unternehmen kann es sich leisten abzuwarten. Neue Strategien sind gefragt – das haben die meisten verstanden.»
Fredy Hasenmaile
Chefökonom Raiffeisen Schweiz
Die aktuellen und zukünftigen Rahmenbedingungen schätzen Unternehmen aus sämtlichen Branchen im Durchschnitt ebenfalls ähnlich ein wie vor dem Zollentscheid – mit verhaltenem Optimismus. «Diese Zuversicht ist in Anbetracht der herausfordernden Situation erstaunlich. Die Schweizer KMU haben über die Jahre gelernt, mit Unberechenbarkeiten, wie jener der US-Zollpolitik, umzugehen», sagt Philippe Obrist, Leiter Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz.
Der Schweizer Markt rückt in den Fokus
Viele Unternehmen haben bereits frühzeitig gehandelt, um die mit dem US-Geschäft verbundenen Risiken abzuwenden oder abzufedern. Bereits im Juli 2025 hatten zwei Drittel der im Aussenhandel tätigen KMU ihre Exportstrategie angepasst. Nach dem 39-Prozent-Zollentscheid haben die Unternehmen die Suche nach Alternativen zum US-Geschäft intensiviert. Legten im Juli noch 17 Prozent den Fokus auf andere Länder, waren es im August bereits 25 Prozent. Weitere 22 Prozent sind auf der Suche nach neuen Absatzmärkten und elf Prozent haben im Ausland neue Werke oder Tochterfirmen eröffnet.
«Die Unternehmen diversifizieren wenn möglich ihr Auslandgeschäft, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. Gleichzeitig gewinnt aber auch der Binnenmarkt an Bedeutung», beobachtet Philippe Obrist. Über ein Fünftel der im Export tätigen KMU konzentrieren sich stärker auf den Schweizer Markt. Immer mehr verzichten gar komplett auf das Auslandgeschäft.
Risiken im Exportgeschäft haben stark zugenommen
Die jüngsten Entwicklungen haben die Risiken im Aussenhandel deutlich erhöht. Wie die Umfrage zeigt, werden Exportgeschäfte ohne Absicherung heute kaum noch getätigt. Rund ein Drittel der Unternehmen setzt bei Auslandgeschäften häufiger Versicherungen und Garantien ein als früher. Zudem sichern mittlerweile 72 Prozent der Firmen ihre Währungsrisiken ab – rund die Hälfte davon erst aufgrund der jüngsten Entwicklungen.
Die anhaltende Aufwertung des Frankens verschärft die Währungsrisiken weiter. In der Rangliste der Konjunkturrisiken ist der starke Franken denn auch vorgerückt. «Wird der Franken noch stärker, dürfte die Schweizerische Nationalbank um Negativzinsen nicht herumkommen. Dies wiederum würde die Preisstabilität gefährden», sagt Philippe Obrist.
Zollentscheid lenkt Fokus auf EU und andere Märkte
In beiden Umfragen von Raiffeisen schätzten die befragten Unternehmen die US-Zollpolitik als das mit Abstand grösste Konjunkturrisiko ein. Vor allem kleine Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden gewichteten dieses Risiko im August 2025 höher als noch im Juli 2025. Der Umgang mit dem Zollstreit dominiert auch die Forderungen der Unternehmen an die Politik. Nachdem im Juli noch innenpolitische Themen wie der Fachkräftemangel oder der Abbau der Bürokratie oberste Priorität hatten, ist in der Umfrage vom August die Aussenpolitik in den Mittelpunkt gerückt. Mit dem Zollentscheid Anfang August haben für die KMU auch die Beziehungen zur EU erneut an Bedeutung gewonnen. Im August waren diese für 24 Prozent von hoher Bedeutung. «Unsicherheit ist Gift für die KMU, deshalb muss der Bundesrat mit den USA wie auch mit der EU rasch eine Lösung finden», betont Philippe Obrist.
Über die Umfrage «Raiffeisen Wirtschaftspuls: Die Stimme der KMU»
Im Auftrag von Raiffeisen wurden für den «Raiffeisen Wirtschaftspuls: Die Stimme der KMU» über das AmPuls-Firmenkundenpanel kleinere und mittlere Unternehmen aus der Schweiz mit 10 bis 249 Mitarbeitenden online befragt. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass verschiedene Sprachen, Firmengrössen und Branchen vertreten sind – gemäss Aufteilung des Bundesamts für Statistik. Aufgrund des 39-Prozent-Zollentscheids der US-Regierung vom 1. August 2025 wurde die Befragung in zwei Wellen durchgeführt: Vom 9. und 22. Juli 2025 wurden 502 Unternehmen befragt und vom 20. bis 27. August 2025 503 Firmen.
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