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Wirtschaftswachstum: Warum das «Wie» entscheidend ist

Die Schweizer Wirtschaft wächst zu einem grossen Teil dank steigender Bevölkerungszahlen. Ein von der demografischen Entwicklung unabhängiges, autonomes Wachstum wäre aber wichtig für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Welche Regionen hier einen Schritt voraus sind und was andere von ihnen lernen können, zeigt die Raiffeisen-Studie «Wirtschaftswachstum in der Schweiz – nur noch in die Breite?».

08.07.2025

Das wettbewerbsfähigste Land der Welt

Die Schweiz ist das wettbewerbsfähigste Land der Welt. Zu diesem Schluss kommt das Lausanner Wirtschaftsinstitut IMD.  Gepunktet hat die Eidgenossenschaft im Vergleich mit 68 anderen Volkswirtschaften vor allem mit politischer Stabilität und fortschrittlicher Infrastruktur. Bezüglich Wirtschaftsleistung schneidet sie immer noch gut ab, liegt aber nicht auf den Spitzenplätzen. Denn die Schweizer Wirtschaft wächst zwar, in den letzten Jahren ist der Wohlstand pro Kopf allerdings leicht zurückgegangen. Sprich: Der Kuchen wird grösser, muss aber unter mehr Leuten verteilt werden.

 

Sinkendes Pro-Kopf-Wachstum

Jährliches BIP pro Kopf-Wachstum und Durchschnitt pro Jahrzehnt

Grafik sinkendes Pro-Kopf-Wachstum

Quelle: Seco, Raiffeisen Economic Research

Welche Bereiche wachsen?

Die Raiffeisen-Studie «Wirtschaftswachstum in der Schweiz – nur noch in die Breite?» hat die strukturellen Faktoren für die unterschiedlichen Entwicklungen von Bruttoinlandsprodukt (BIP) und BIP pro Kopf untersucht. Denn entscheidend für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit ist nicht nur, ob die Schweizer Wirtschaft wächst, sondern auch wo und in welchen Branchen.

Aus Branchenperspektive lässt sich die Wirtschaft in zwei Segmente unterteilen demografiegetrieben und autonom. Demografiegetrieben ist Wachstum dann, wenn das Bevölkerungswachstum der ausschlaggebende Faktor ist – etwa in Branchen wie Detailhandel oder Gesundheitswesen. Je mehr Menschen in der Schweiz leben, desto mehr Läden und Arztpraxen braucht es. Dagegen entwickeln sich autonome Branchen wie Industrie oder wissensintensive Dienstleistungen mehrheitlich unabhängig davon.

 

Die Schweiz wächst demografiegetrieben

Die Studie zeigt, dass die Schweizer Wirtschaft zu einem grossen Teil dank steigender Bevölkerungszahlen wächst. Die demografiegetriebene Beschäftigung nahm in den letzten Jahren um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr zu, die Beschäftigung in autonomen Branchen nur um 0,8 Prozent. In der Periode 2012–2022 entfielen gut drei Viertel des Beschäftigungswachstums auf die demografiegetriebenen Branchen.

 

Strukturelle Veränderungen

Beschäftigungs- und Wachstumsanteil, 2012-2022

Grafik Beschäftigungs- und Wachstumsanteil

Quelle: BFS, Raiffeisen Economic Research

Wenn Wachstum nur in demografiegetriebenen Branchen stattfindet, spricht man von extensivem Wachstum. Die Schweiz wächst also tendenziell «in die Breite». Das ist zwar wichtig, um mit den Bedürfnissen einer wachsende Bevölkerung Schritt zu halten. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz jedoch ist ein Wachstum in den autonomen Branchen essenziell – ein sogenanntes intensives Wachstum. Es steigert den Wohlstand, indem es zusätzliche Mittel ins Land bringt, neue Arbeitsplätze schafft und so wiederum die lokale Nachfrage stärkt.

Auf regionaler Ebene zeigt sich: Dieses intensive Wachstum gibt es, allerdings nicht überall in gleichem Ausmass. Während der autonome Sektor in vielen Regionen stagniert oder teils sogar schrumpft, entwickeln sich andere deutlich positiver. Besonders hervorzuheben sind Zürich und die Genferseeregion, die überdurchschnittlich stark gewachsen sind:

Diese Regionen wachsen autonom

Zürich profitiert vom Dienstleistungssektor

Zürich zeigt ein deutlich stärkeres intensives Wachstum als vergleichbare Zentrumsregionen. Dafür sind vor allem zwei Branchen verantwortlich: die Unternehmensberatung und -verwaltung  sowie die IT. Dienstleister profitieren davon, dass viele Unternehmen ihren Sitz in der grössten Stadt der Schweiz haben. Den IT-Boom begünstigt ein Ökosystem aus etablierten Grossunternehmen wie Google, Forschungseinrichtungen wie der ETH und Neuansiedlungen wie OpenAI.

 

Die Genferseeregion trotzt der De-Industrialisierung

Ein starkes Wachstum in den autonomen Branchen lässt sich in der Genferseeregion zwischen Lausanne und Genf beobachten: So hat sich Rolle-Saint-Prex zu einem Pharmastandort entwickelt, der zusammen mit Forschung und Entwicklung den Grossteil des Wachstums ausmacht. Nyon und Renens-Ecublens wachsen beide dank einem Mix aus Spitzenindustrie (Medizintechnik und Maschinenbau) und wissensintensiven Dienstleistungen.

Die Grenzen des autonomen Wachstums

Zürich und die Genferseeregion zeigen, dass Spezialisierung und Innovationskraft zu überdurchschnittlichem autonomem Wachstum führen können. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz ist es entscheidend, dass solche Erfolgsmodelle gefördert werden. Sie können anderen Regionen als Inspirationsquelle dienen und neue Perspektiven aufzeigen.

Autonomes Wachstum birgt aber auch Risiken: Regionen mit einem grossen Anteil an exportorientierten Industrien wie Maschinenbau oder Pharma sind von internationalen Entwicklungen abhängig. Ein Rückgang der globalen Nachfrage oder Handelshemmnisse können entsprechend schnell zu einem Beschäftigungsrückgang führen. Diese Regionen sind wirtschaftlich verletzlicher, obwohl sie einen wichtigen Beitrag zur nationalen Wertschöpfung leisten.

 

Der Königsweg liegt in der Mitte

Wie also sollen die Weichen gestellt werden? Angesichts internationaler Krisen und restriktiver Handelspolitik ist es durchaus verlockend, demografiegetriebene Branchen stärker zu fördern – auch vor dem Hintergrund, dass die Alterung der Gesellschaft voranschreitet und die Nachfrage zum Beispiel im Gesundheitswesen antreiben wird. Doch das wäre zu kurz gedacht. Der Königsweg liegt in der Mitte: eine ausgewogene Mischung aus einem starken, innovativen autonomen Sektor als Wachstumsmotor, flankiert von einem stabilen, resilienten demografiegetriebenen Sektor.

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