Was ist der Eigenmietwert?
Wer in einer selbstbewohnten Immobilie lebt, so wie Familie Berger, versteuert den sogenannten Eigenmietwert als Einkommen. Dieses Einkommen ist tatsächlich jedoch nicht realisiert worden und wird vom theoretisch erzielbaren Mietwert der Immobilie abgeleitet. In Franken ausgedrückt entspricht der Eigenmietwert rund 60 bis 70 Prozent des Betrages, den ein Mieter für das Wohnobjekt pro Jahr bezahlen müsste.
Doch warum ein Einkommen versteuern, welches faktisch nicht existiert? Familie Berger wohnt selbst in ihrer Immobilie und vermietet oder verpachtet sie nicht. Sie erzielt also keine Einnahmen. Der Grund für die Steuer liegt im solidarischen Steuersystem der Schweiz.
Der Eigenmietwert gilt als Naturaleinkommen. Das heisst, dass der Eigentümer zwar kein Bareinkommen im Sinne eines Mietzinses erhält, aber dennoch einen Nutzungsertrag erzielt, indem der Eigentümer seine Immobilie bewohnt. Dieser Nutzungsertrag entspricht im wirtschaftlichen Wert dem Mietzins, den er bei Vermietung hätte erzielen können. Da jeder irgendwo wohnen muss, stellt das Wohnen im eigenen Haus eine Ersparnis dar: Man bezahlt keine Miete.
Hinzu kommt, dass Hausbesitzer diverse Steuerabzüge geltend machen können, wie beispielsweise Hypothekarzinsen und Unterhaltsarbeiten. Um eine steuerliche Gleichstellung gegenüber Mietern zu erzielen, die solche Abzüge nicht machen dürfen, müssen Hausbesitzer den Eigenmietwert versteuern.
Ursprung Eigenmietwert
Der Ursprung des Eigenmietwerts reicht mehr als hundert Jahre zurück. Ein erstes Mal wurde die Steuer 1915 während des ersten Weltkrieges eingeführt – als einmalige Kriegssteuer. Der Staat kompensierte damit Zollerträge, die infolge des Krieges einbrachen.
Einmalig blieb die Steuer nicht. Nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren führte der Bundesrat die Steuer 1934 erneut ein: per Notrecht als eidgenössische Krisenabgabe zur Gesundung des Bundeshaushalts.
Ursprünglich sollte die Krisenabgabe bis 1938 befristet sein. Das Parlament bewilligte aber eine erste Verlängerung bis 1941. Vor Ablauf dieser Frist entschied der Bundesrat mit Zustimmung der Bundesversammlung, die Krisenabgabe ab 1945 als Wehrsteuer fortzuführen – solange, bis alle Kriegsausgaben vollständig getilgt sein würden.
Ins reguläre Recht über ging die Steuer dann mit Zustimmung von Volk und Ständen im Jahr 1958.
Abschaffung in Sicht?
Der Eigenmietwert wurde 1934 per Notrecht als eidgenössische Krisenabgabe zur Gesundung des Bundeshaushalts eingeführt und 1958 ins reguläre Recht übernommen. Die Geschichte lehrt uns auch hier, dass einmal eingeführte Steuern in der Schweiz kaum je wieder verschwinden. Doch es ist Bewegung in die Abschaffung des Eigenmietwerts gekommen; die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerats schlägt ein neues System vor. Die Politexpertin Alexandra Perina-Werz, die Raiffeisen-Vertreterin in Bundesbern, beleuchtet die Entwicklungen.
Abschaffung Eigenmietwert