Market Timing: Warum sich Anlegen immer lohnt

Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg sorgen an den Märkten immer wieder für Verunsicherung. Der falsche Zeitpunkt zum Anlegen? Im Gegenteil. Denn an der Börse ist nicht das Market Timing entscheidend, sondern die Zeit im Markt. Wer mit dem Markteintritt zu lange wartet, verpasst also Renditechancen.

Mythos Market Timing

Kurzfristige Preisschwankungen auszunutzen, um günstig einzukaufen und teuer zu verkaufen: So lässt sich an der Börse leicht Geld verdienen, könnte man meinen. Doch so einleuchtend die Strategie des «Market Timings» in der Theorie auch klingen mag, in der Praxis ist es schier unmöglich, den optimalen Zeitpunkt für den Kauf oder den Verkauf von Aktien zu erwischen. Denn die Marktentwicklung lässt sich nicht voraussagen, weder in wirtschaftlich guten Zeiten noch in Krisenzeiten.

Anlageprofis setzen auf langfristige Strategien

Die meisten Anlageprofis lassen deshalb die Finger von der Timing-Strategie. Matthias Geissbühler, Chief Investment Officer von Raiffeisen Schweiz, erläutert: «An der Börse ist nicht das Timing entscheidend, sondern vielmehr die Zeit im Markt. Je langfristiger der Anlagehorizont, desto grösser die Renditechancen.»

Erfolgversprechender als die Market Timing-Strategie ist die Buy and Hold-Strategie, bei welcher Anlagen einmal gekauft über mehrere Jahre gehalten werden. Dabei ist das Verlustrisiko deutlich geringer. «Wer langfristig investiert, minimiert sein Risiko, da Marktschwankungen über die Zeit ausgeglichen werden können», so Geissbühler.

 

Gut zu Wissen: Zwei gegensätzliche Anlagestrategien

  • Market Timing ist eine Anlagestrategie, die auf den optimalen Zeitpunkt für den Kauf und den Verkauf von Geldanlagen abzielt. Dabei wird versucht, durch das Ausnutzen kurzfristiger Preisschwankungen einen Ertrag zu erzielen.
  • Buy and hold (deutsch: kaufen und behalten) ist eine Anlagestrategie mit dem Ziel, Geldanlagen langfristig zu behalten. Der Ertrag wird dabei durch die positive Performance der Aktien über einen Zeitraum von mehreren Jahren erzielt.

Abwarten lohnt sich nicht!

Und auch der Einstiegszeitpunkt tut auf lange Frist wenig zur Sache. Selbst wer sein Geld unmittelbar vor einer Kurskorrektur in Aktien investiert, hat wenig zu befürchten. Bei einer Buy and Hold-Strategie sind die Renditechancen auch bei wiederkehrenden Markteinbrüchen gross. 

Wer am 1. Januar 1991 CHF 100.– in Schweizer Aktien investierte, erhielt im Juni 2022 rund CHF 1'500.–, dies trotz wiederholter Rückschläge wie beispielsweise des Platzens der Dotcom-Blase (–55 %) oder der Finanzkrise (–53 %).

 

Wertentwicklung einer Investition von CHF 100.– in Schweizer Aktien (SPI)

(1. Januar 1991 bis 20. Juni 2022)

Grafik: Wertentwicklung Investition von CHF 10'000 in SPI mit und ohne 10 beste Handelstage

Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Market Timing verursacht höhere Kosten

Die Market Timing-Strategie kostet Zeit und Nerven, da Kurse und Prognosen laufend beobachtet werden müssen. Und sie kostet auch Geld: Das ständige Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren bringt hohe Transaktionskosten mit sich, welche die Rendite des Investments schmälern. 

Zudem verursacht die Timing-Strategie hohe Opportunitätskosten, denn auf besonders schwache Handelstage folgen oft sehr schnell sehr gute. Und wer dann nicht investiert ist, dem entgehen hohe Renditechancen. Hat man beispielsweise im Januar 1991 CHF 10'000.– in den Schweizer Aktienmarkt (SPI) investiert, konnte man sich im Juni 2022 über einen Portfoliowert von knapp 150'000 freuen – Faktor 15. Hat man hingegen im selben Zeitraum die zehn besten Tage verpasst, halbiert sich der Portfoliowert, ohne die 20 besten Tage entfallen rund zwei Drittel.

 

Portfoliowert im Juni 2022 bei einer initialen Investition von CHF 10'000.– in den Schweizer Aktienmarkt im Januar 1991 

Grafik: Entwicklung Schweizer Aktienmarkt (SPI) seit 1980

Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Emotionen sind ein schlechter Anlagekompass

Allen Unkenrufen zum Trotz setzen viele Privatanleger auf Market Timing. Dabei lassen sie sich gerne von Emotionen leiten und verkaufen in Krisensituationen ihre Wertpapiere im denkbar ungünstigsten Moment. Bei den ersten Kurskorrekturen zögern sie aus Angst vor Verlusten erst mit dem Verkauf, bekommen schliesslich doch kalte Füsse und verkaufen ihre Aktien nahe am Tiefpunkt. In der Regel steigen sie erst wieder ein, wenn sich der Markt längst erholt hat. 

Wer hingegen langfristig anlegt, kann eher einen kühlen Kopf bewahren, da eine positive Performance der Wertpapiere deutlich wahrscheinlicher ist als eine negative. 

Das unterstreicht die Entwicklung des MSCI World Index, der über 1'500 Aktien aus 23 Industrieländern umfasst: Seit 1970 gab es im MSCI World Index 38 Jahre mit einer positiven Performance, aber nur 14 Jahre mit einer negativen Rendite. Dabei machten die guten Jahre die schlechten mehr als wett.

 

Jahresrenditen des MSCI World Index seit 1970

Grafik: Entwicklung Schweizer Aktienmarkt (SPI) seit 1980

Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

 

Gut zu wissen: Warum sich «Market Timing» nicht lohnt

  • Geringe Renditechancen
    Da sich die Marktentwicklung nicht verlässlich voraussagen lässt, ist es kaum möglich, den optimalen Zeitpunkt für den Markteintritt und -austritt zu treffen. Das Risiko für Verluste ist somit deutlich grösser als bei langfristigen Anlagen.
  • Hohe Opportunitätskosten
    Beim Warten auf den optimalen Zeitpunkt liegt das Geld brach. Renditechancen, die sich während dieser Zeit an guten Börsentagen ergeben, können nicht genutzt werden.
  • Hohe Transaktionskosten
    Das wiederholte Kaufen und Verkaufen von Aktien verursacht hohe Gebühren.

Risikominimierung dank Fonds-Sparplan

Anleger können Risiken minimieren, indem sie auf eine langfristige Strategie und ein diversifiziertes Portfolio setzen, zum Beispiel auf breit abgestützte Anlagefonds. Eine besonders gute Möglichkeit, das Risiko eines ungünstigen Timings beim Markteintritt zu reduzieren, bieten Fonds-Sparpläne. Dabei wird über einen längeren Zeitraum regelmässig ein bestimmter Betrag investiert. Dadurch glätten sich Marktschwankungen dank dem sogenannten Durchschnittspreiseffekt: Der Anteilspreis – also die Anzahl Anteile am Fonds, die der Anleger pro Einzahlung erhält – variiert zwar je nach Marktentwicklung, ist im Durchschnitt aber auf jeden Fall tiefer, als wenn der Anleger alles auf einmal zu einem ungünstigen Zeitpunkt investiert hätte.