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Gespaltene Konsumwelt – Zwischen Kauflust und Sparzwang

Mit dem Black Friday ist die Weihnachtseinkaufssaison lanciert. Beim Konsum öffnet sich zunehmend eine Schere zwischen den Einkommensschichten. Insbesondere dem Mittelstand und den ärmeren Haushalten macht die Inflation zu schaffen.

28.11.2025

Gelbe Einkaufstasche mit kleiner brauner Einkaufstüte

Die Schere zwischen der Aktienmarktentwicklung und der Konsumentenstimmung geht auf

Pünktlich zum Black Friday erscheint die neuste Ausgabe des Anlageguides. Der für die Detailhändler umsatzstärkste Tag des Jahres wird so genannt, weil ab jetzt die jährliche Gewinnschwelle erreicht und schwarze Zahlen geschrieben werden – zumindest in der Theorie. Global betrachtet lag der Umsatz am letztjährigen Black Friday bei 74.4 Milliarden US-Dollar. In diesem Jahr wird mit Rekordumsätzen zwischen 80 bis 82 Milliarden gerechnet, was einem Zuwachs von knapp 9% entsprechen würde.

Doch sitzt der Geldbeutel wirklich noch bei allen so locker? Zwar erweist sich der Konsum auch in diesem Jahr bislang als Konjunkturstütze, doch das Konsumentenvertrauen ist zuletzt vielerorts abgesackt. Es zeigt sich zunehmend eine Zweiteilung. Frappant ist diese Entwicklung in den USA: Während die reichsten 20% der Bevölkerung vom starken Anstieg der Vermögenspreise profitieren und ihre Konsumausgaben erhöhen, leiden der Mittelstand und die ärmeren Bevölkerungsschichten unter der anhaltend hohen Teuerung. Allein in den vergangenen fünf Jahren betrug die kumulierte Inflation in den USA satte 26%. Gleichzeitig muss aufgrund der weiterhin hohen Zinsen mehr für Kreditkartenschulden sowie Auto- und Ausbildungskredite bezahlt werden. Eine wachsende Anzahl Menschen schafft es nicht mehr, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Laut Cox Automotive wurden 2024 rund 1.7 Millionen Autos verpfändet, weil die Fahrzeughalter ihre Raten nicht mehr zahlen konnten. Und dass sich die Situation zuspitzt, zeigen auch die neusten Daten der Bank of America: Derzeit leben rund 29% aller Amerikanerinnen und Amerikaner von Gehalt zu Gehalt. Das heisst, am Ende des Monats bleibt nichts übrig. Kein Wunder ist die Konsumentenstimmung auf ein Rekordtief gefallen. Die wachsende Schere zwischen Reich und Arm wird als K-förmige Konjunkturentwicklung bezeichnet.

Entwicklung des S&P 500 Index (logarithmiert) und der Konsumentenstimmung (University of Michigan)

Entwicklung des S&P 500 Index (logarithmiert) und der Konsumentenstimmung (University of Michigan)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Auch beim Restaurantbesuch wird zunehmend gespart

Die Luxusgüterindustrie ist von dieser Entwicklung weniger stark betroffen, da ihre Produkte – zumindest im Top-Segment – ohnehin nur von wenigen sehr vermögenden Personen gekauft werden. Und denen geht es dank Börsenboom und rekordhohen Immobilienpreisen so gut wie selten zuvor. Anders sieht es bei klassischen Konsumgütern aus. Unternehmen wie Nestlé, Unilever oder Procter & Gamble bekundeten in den vergangenen Jahren zunehmend Mühe, ein organisches Wachstum zu erzielen. Dies liegt daran, dass aufgrund der Teuerung viele Konsumentinnen und Konsumenten auf günstigere Eigenmarken der Detailhändler ausweichen. Gespart wird zunehmend auch bei Restaurantbesuchen. Das zeigt sich an der Kursentwicklung der börsenkotierten Restaurantketten, die dem Gesamtmarkt seit Sommer deutlich hinterherhinken.

Kursentwicklung des S&P 500 Index und des S&P Restaurant Index, indexiert

Kursentwicklung des S&P 500 Index und des S&P Restaurant Index, indexiert

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Die Zustimmungsrate für Trump fällt, die Unzufriedenheit steigt

Die US-Handelspolitik wird die angespannte Situation noch weiter verschärfen, denn die Zölle verteuern zunehmend die Konsumentenpreise. So steigt die Inflation seit April wieder an und belief sich im September auf 3%. Gleichzeitig hat sich der Arbeitsmarkt abgekühlt. Die Anzahl neu geschaffener Stellen ist seit Monaten rückläufig und die Arbeitslosigkeit ist nur wegen der rigorosen Migrationspolitik der US-Administration bisher nicht deutlicher gestiegen. Die wachsende Unzu-friedenheit der Bevölkerung ist mittlerweile auch in den Zustimmungswerten für Donald Trump abzulesen. Im November zeigten sich nur noch 38% mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden.

Entwicklung der Zustimmungsrate für US-Präsident Donald Trump

Entwicklung der Zustimmungsrate für US-Präsident Donald Trump

Quellen: Reuters, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Diese Entwicklung könnte im Hinblick auf die Midterm-Wahlen in einem Jahr zu einem Mehrheitsverlust der Republikaner im Repräsentantenhaus führen. Vor diesem Hintergrund ist auch die jüngste Kehrtwende von Donald Trump zu sehen. Per sofort werden die «reziproken» Zölle auf Nahrungsmittel wie Kaffee, Kakao, Bananen, Tee, Gewürze und Rindfleisch gestrichen. Gleichzeitig verspricht der Präsident, einen Teil der Zolleinnahmen an die Bevölkerung auszuzahlen. Die Rede ist von einem Scheck in der Höhe von 2’000 US-Dollar. Ob das reicht, um die Konsumentenstimmung nachhaltig zu verbessern, bleibt abzuwarten.

Wie sich der Konsum weiterentwickelt, ist von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft. In den entwickelten Volkswirtschaften macht er zwischen 50% und 70% der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Noch hält sich der Konsum insgesamt wacker. Ob er allerdings auch 2026 ein Wachstumstreiber bleibt, hängt massgeblich von der weiteren Entwicklung an den Finanzmärkten ab. Eine grössere Korrektur würde in Form eines negativen Vermögenseffekts die Konsumstimmung auch bei den reicheren Schichten dämpfen. Vorerst steht aber die «Black Week» und das anschliessende Weihnachtsgeschäft im Fokus. Und es ist davon auszugehen, dass die diesjährige Schnäppchenjagd einen weiteren Rekord erreichen wird.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Die meisten Schweizer Konsumwerte haben sich in diesem Jahr trotz Gegenwind sehr solide entwickelt. Die Aktien des Luxusgüterkonzerns Richemont sowie des Schokoladenproduzenten Lindt & Sprüngli konnten um je rund 20% zulegen. Nach dem Managementwechsel und der Strategieschärfung ging es auch bei den Valoren des Nahrungsmittelmultis Nestlé um 10% nach oben. Damit liegt die Nestlé-Aktie gleichauf mit dem Swiss Performance Index. Etwas mehr Mühe bekundeten Swatch Group (+3%) und Emmi (-1%). Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass sich Premiummarken weiterhin gut verkaufen lassen, während Produkte aus dem tieferpreisigen Segment schwieriger abzusetzen sind. Ähnliches gilt für die Börse: Qualität setzt sich langfristig immer durch. 

Matthias Geissbühler

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.